Nach der Hälfte seiner fünfjährigen Amtszeit ist der französische Präsident François Hollande so unbeliebt wie nie. Mit einer Zustimmungsrate von 12 bis 13 Prozent erhält er die schlechteste Bewertung, die je ein französischer Staatschef in Umfragen bekam.
Das Institut YouGov registrierte in seinen am Donnerstag veröffentlichten Umfragewerten einen Absturz um 15 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Der 60-Jährige hat inzwischen auch im eigenen Lager viele Widersacher und steht einsamer denn je an der Staatsspitze.
Unentschlossener Regent
Für den Politikwissenschaftler Frédéric Dabi vom Ifop-Institut ist es vor allem der «Stil Hollande», der die Ursache für das Desaster ist: «Der Präsident der Synthese, der es allen recht machen wollte, hat den Eindruck einer unentschlossenen Regierung hinterlassen, die nicht geradeaus marschiert.»
Hollandes «ewiger Optimismus», mit Aussagen etwa zur angeblich bevorstehenden Wende am Arbeitsmarkt, sei «letztlich als Betrug» wahrgenommen worden. «Er hatte vielleicht nicht die Psychologie, die notwendig gewesen wäre, um auf die Krise zu antworten», sagt der Experte Gérard Grunberg von der Fakultät Sciences Po.
Persönliches Ansehen verloren
Hollande habe «einen grossen Teil seines persönlichen Ansehens» verloren, meint Grunberg. Selbst Freunde und Vertraute Hollandes stellen inzwischen die Persönlichkeit Hollandes in Frage und dessen Fähigkeit, wieder aus dem Tief herauszukommen. «Er kümmert sich nicht gut um seinen Freundeskreis, so wie es seinerzeit François Mitterrand zu tun pflegte», berichtet ein Getreuer. «Er schart nie seine Freunde um sich.» Andere Vertraute beklagen einen «persönlichen, familiären Schiffbruch» des Menschen Hollande.
Um aus dem politischen Schlamassel herauszukommen, hat Hollande seine Mannschaft im Elysée-Palast grundlegend umgebaut, mit neuem Generalsekretär, neuen Beratern und einer neuen Mannschaft für Kommunikation. Vor allem aber hat er seinen Premierminister ausgetauscht und im Frühjahr den strammen, durchsetzungsfähigen Manuel Valls zum Regierungschef gemacht. Wohlwollende Getreue des Präsidenten erinnern nun an das Durchhaltevermögen Hollandes und dessen Fähigkeit, auch Durststrecken durchzustehen, ohne die Nerven zu verlieren.
Kein Rückhalt von der Wirtschaft
Trotz der versprochenen Reformen ist auch die Wirtschaft dem französischen Präsident schlecht gesinnt. Kürzlich hatte der Chef von Frankreichs drittgrösster Bank, Crédit Agricole, Hollandes Regierung scharf für ihr Vorgehen zur Ankurbelung der Wirtschaft kritisiert. «Dass Fehlen einer klaren Vision und der Mangel an Kohärenz in der Wirtschaftspolitik belastet das Vertrauen und damit die Investitions- und Wirtschaftstätigkeit», sagte Jean-Paul Chifflet bei der Vorlage der Quartalszahlen seiner Bank.
Hollande stellt sich am Abend den Fragen von Journalisten im Fernsehen. Dabei dürfte er sich vor allem mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, dass er weder beim Abbau der Arbeitslosigkeit noch bei der Reduzierung der Staatsverschuldung seine Versprechen gehalten hat.
Eine am vergangenen Montag veröffentlichte Umfrage ergab, dass sich 92 Prozent der Befragten unzufrieden mit Hollandes Arbeit zeigten. 96 Prozent äusserten, er habe seine Wahlversprechen nicht eingehalten.
(sda/ise)