Als erstes westeuropäisches EU-Mitglied hat Schweden kürzlich beschlossen, Palästina als eigenständigen Staat anzuerkennen. Nun fordert das französische Parlament die Regierung in Paris am Dienstagnachmittag auf, diesen Schritt ebenfalls zu gehen.

Zuvor hatten bereits die Parlamente in Spanien, Grossbritannien und Irland für eine Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates gestimmt. Eine EU-weite Anerkennung Palästinas ist aber nicht in Sicht.

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Die gegenwärtige Debatte darüber ist vor allem Ausdruck der tiefen Frustration über den Stillstand im israelisch-palästinensischen Friedensprozess und die erneute Eskalation der Gewalt im Nahen Osten.

Frist zur Lösung des Konflikts

Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius will nun binnen einer Frist von zwei Jahren eine Lösung für den Nahost-Konflikt. Im Falle eines erneuten Scheiterns dieses «letzten Versuchs», werde Frankreich Palästina «unverzüglich» anerkennen, kündigte er bei der Debatte zu der französischen Resolution am vergangenen Freitag in der Nationalversammlung an.

Ein EU-weiter Schritt ist nicht in Sicht, solange nicht nur Israel und die USA, sondern auch gewichtige europäische Länder wie Deutschland solch ein Vorgehen ablehnen. Deutschland sieht sich aufgrund der NS-Vergangenheit stärker noch als andere Länder verpflichtet, auf die besondere Lage und Geschichte Israels Rücksicht zu nehmen.

Von 134 Länder anerkannt

Vor Schweden im Oktober erkannten laut einer palästinensischen Auflistung 134 der 193 Mitgliedsländer der UNO die Staatlichkeit Palästinas an; davon haben 77 Staaten auch formale Konsequenzen gezogen und Botschafter ausgetauscht.

Neben Schweden erkennen in der EU Bulgarien, Malta, Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn und Zypern Palästina als eigenen Staat an. Damit fehlen in der EU bislang jedoch alle Länder, welche die Gewichte entscheidend verschieben könnten, wie Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien, die ehemalige Mandatsmacht in Palästina.

Impulse müssen aus Europa kommen

«Es bewegt sich ein wenig. Bei bestimmten europäischen Regierungen zeigt sich der Wunsch, sich mehr Gehör zu verschaffen und die Dinge in Nahost in Bewegung zu bringen», analysiert die auf die arabische Welt spezialisierte französische Politologin Agnès Levallois. Nach ihrer Ansicht müssen die neuen Impulse aus Europa kommen, nachdem die von den USA vermittelten Friedensgespräche im Frühjahr nach neun Monaten in allgemeiner Bitternis scheiterten.

Der nachfolgende siebenwöchige Gaza-Krieg verstärkte die internationale Haltung, dass sich in Nahost nun grundsätzlich etwas ändern müsse. Aber eine umfassende Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern scheint derzeit ausser Reichweite - im Gegenteil: In den vergangenen Wochen eskalierte die Gewalt erneut.

Rettung der Zweistaatenlösung

Das verstärkte Engagement für die Anerkennung Palästinas ist daher vor allem ein Versuch, neue Dynamik zu erzeugen, um die Zweistaatenlösung noch zu retten, die als einziger Ausweg zur Beilegung des sieben Jahrzehnte währenden Konflikts gilt. Parallel und mit gleicher Intention wird in der EU der Boykott der israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten vorangetrieben.

Seit Jahresbeginn gelten neue Richtlinien für die Forschungszusammenarbeit, die verhindern sollen, dass europäische Fördergelder in die Siedlungen fliessen. Anfang September trat ein Einfuhrverbot für israelische Geflügelprodukte aus Ost-Jerusalem, dem Westjordanland oder von den Golanhöhen in Kraft, zum Jahresende folgt der Bann für Milchprodukte. Und im Juni rieten die Regierungen in Paris, London, Rom und Berlin ihren Bürgern davon ab, ihr Geld in israelische Unternehmungen zu stecken, die in den besetzten Gebieten aktiv sind.

(sda/gku/me)