Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten stehen auf Mozzarella. Fast die Hälfte des Frischkäses, der von Migros und Coop verkauft wird, stammt aus dem Ausland, der meiste aus Italien. Doch schon bald könnte der Mozzarella von Galbani und Co. aus den Regalen der Supermärkte verschwinden.

Dieser Fall dürfte dann eintreten, wenn das Schweizer Stimmvolk der Fair-Food-Initiative zustimmt. Das Volksbegehren verlangt im Kern, dass ausländische Nahrungsmittelproduzenten, die in die Schweiz liefern wollen, Schweizer Standards erfüllen müssen, was das Tierwohl, den Umweltschutz und die Arbeitsbedingungen betrifft. Derzeit hat die Initiative intakte Chancen: In einer ersten Umfrage gaben 78 Prozent der Teilnehmenden an, sie würden für die Fair-Food-Initiative stimmen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Einladung zum Einkauf jenseits der Grenze

Kommt es tatsächlich so weit, würde das heissen, dass sämtliche Milchbauern, welche die italienischen Käsehersteller beliefern, den im Schweizer Gesetz verankerten ökologischen Leistungsnachweis erfüllen müssten. Dazu gehören eine ausgeglichene Düngerbilanz und Öko-Ausgleichs-Flächen. Auch müssten die Tierhaltungsbedingungen mindestens dem Schweizer Tierschutzgesetz entsprechen. «Wir gehen nicht davon aus, dass grosse ausländische Unternehmen ihre Produktionsbedingungen aufgrund neuer, unilateral formulierter Anforderungen der Schweiz anpassen», sagt Patrick Marty von der IG Detailhandel, der unter anderem die Grossverteiler Coop und Migros angeschlossen sind. Dazu sei der Anteil der Schweizer Detailhändler am Gesamtabsatz viel zu klein.

Die Konsumenten müssten damit künftig auf einige der beliebtesten Mozzarella-Sorten verzichten – oder sie wären gezwungen, diese im Ausland einzukaufen. «Da die Initiative das Angebot verteuert, wirkt sie als zusätzliche Einladung zum Einkaufstourismus», ärgert sich Martin Schläpfer, Leiter Wirtschaftspolitik des Migros-Genossenschafts-Bundes. Dies umso mehr, als die Fairness-Auflagen bei privaten Einkäufen jenseits der Grenze nicht angewandt würden.

Die beiden Agrarinitiativen
 
Fair-Food-Initiative: Die Initiative der Grünen will, dass nur noch Lebensmittel in den Verkauf gelangen, die von guter Qualität sind und die umweltschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Und dies unabhängig davon, ob die Lebensmittel aus der Schweiz oder dem Ausland kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der Bund Zulassungs und Deklarationsvorschriften erlassen, zusätzliche Zölle zu erheben und Zielvereinbarungen mit Lebensmittelherstellern abzuschliessen. Um die Importe zu kontrollieren, müsste dabei ein teurer Kontrollapparat aufgebaut werden.
 
Volksinitiative für Ernährungssouveränität: Die Initiative der Bauerngewerkschaft Uniterre will eine Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln erreichen. Der Bund soll dabei für eine Erhöhung der Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Sektor sorgen und den Strukturwandel in Richtung grössere Betriebe umkehren. Dafür soll er Zölle auf den Import landwirtschaftlicher Erzeugnisse erheben, die nicht den schweizerischen Standards entsprechen – auch wenn damit internationales Handelsrecht verletzt wird. Ebenfalls sind Importverbote für gentechnisch veränderte Organismen vorgesehen.

Arbeitsplätze in Gefahr

Nicht weniger gross sind die Fragezeichen bei stark verarbeiteten Produkten wie Fertigsaucen, Tortellini oder Tiefkühlpizzas. Dort sollen die neuen Importbeschränkungen zwar erst in einem zweiten Schritt gelten. Treten sie jedoch in Kraft, droht laut Schläpfer ein enormer bürokratischer Aufwand: «Bei jeder Tiefkühlpizza müsste sichergestellt sein, dass nicht nur der Salami von Schweinen stammt, die gemäss dem Schweizer Tierschutzgesetz gehalten werden. Auch das Mehl, der Mozzarella, die Tomaten und der Oregano müssten hiesigen Auflagen genügen.» Er könne sich nicht vorstellen, wie diese Forderung sich umsetzen liesse.

Die neuen Fair-Food-Auflagen bringen indes nicht nur Detailhändler in Bedrängnis. Auch der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé warnt vor «sehr einschneidenden Konsequenzen». Wie schwierig eine Umsetzung für Nestlé wäre, lässt sich am Beispiel der Smarties illustrieren: Die farbigen Schokolinsen werden in der EU hergestellt. Die Milch stammt aus verschiedenen Ländern, unter anderem aus Irland. «Bei Annahme der Fair-Food-Initiative müsste den irischen Milchbauern Vorschriften gemacht werden, wie sie ihre Milch für die Smarties, die in die Schweiz kommen, zu produzieren hätten», sagt Marianne Fellmann, Sprecherin von Nestlé Schweiz.

KMU bangen um Exportgeschäft

Dabei stellt die Initiative auch KMU der Foodbranche vor enorme Probleme. «Mit der Annahme der Fair-Food-Initiative würden wir stark an Wettbewerbsfähigkeit einbüssen», warnt Niklaus Iten, Leiter Qualitätsmanagement beim Obwaldner Müesli-Hersteller Bio Familia. Der 200-Mann-Betrieb exportiert 45 Prozent seiner Müesli-Mischungen ins Ausland. Um die Auflagen der Initiative zu erfüllen, müsste das Unternehmen fortan für sämtliche Zutaten den Nachweis erbringen, die strengen Schweizer Standards zu erfüllen – auch wenn es sie wie im Fall der Mandeln und Sultaninen in der Schweiz gar nicht gibt. «Wir müssten für diese Arbeit mehrere Personen anstellen», sagt Iten.

Zugleich würde auch die Beschaffung der ausländischen Rohstoffe deutlich teurer. Denn fortan könnten die Müesli-Zutaten nur noch eingeführt werden, wenn sie zertifiziert würden. «Das Rohstoffangebot würde deutlich eingeschränkt», sagt Iten. Denn viele Lieferanten würden nicht mehr liefern, wenn sie extra für den kleinen Schweizer Kunden neue Auflagen erfüllen müssten. Die teurere Beschaffung würde laut Iten das Exportgeschäft von Bio Familia gefährden. «Werden wir noch teurer, dürfte ein beträchtlicher Teil unserer Abnehmer – meist Detailhändler im Ausland – künftig auf unsere Produkte verzichten.» Damit gingen Arbeitsplätze verloren.

Leidtragende wären aber auch die Bauern. Denn sinkt die Exportfähigkeit der Food-Industrie, trifft dies auch die Landwirtschaft. «Die Bauern hoffen, mit Fair Food mehr verkaufen zu können», sagt Iten. «Aber wenn sich bei uns die ausländischen Rohstoffe verteuern, werden wir auch weniger Rohstoffe aus Schweizer Produktion verarbeiten können.»