Aufgeschreckt durch die militärischen Erfolge der sunnitischen Gotteskrieger der Gruppierung Isis im Irak bemüht sich der Westen um die Hilfe Irans. US-Aussenminister John Kerry kündigte am Montag an, die USA seien offen für Gespräche mit der Regierung in Teheran. Die britische Regierung teilte mit, bereits am Wochenende hätten die Aussenminister der USA und Irans Möglichkeiten zur Unterstützung des irakischen Militärs erörtert.

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Ein Vertreter der US-Regierung sagte in Wien, bereits diese Woche könnten Unterhändler der USA und des Irans am Rande der Gespräche über das umstrittene iranische Atomprogramm die Irak-Frage erörtern. Dies wäre ein Kurswechsel der US-Politik, denn die USA haben seit der Geiselnahme ihrer Diplomaten in Teheran 1979 ein angespanntes Verhältnis zur Islamischen Republik. Sie verdächtigen das Land zudem, Atomwaffen zu entwickeln.

USA verlegt Flotte in den Persischen Golf

Kerry schloss Luftangriffe gegen die Isis-Milizen nicht aus. Bereits am Samstag liefen der Flugzeugträger George H. W. Bush sowie zwei mit Lenkflugkörpern bestückte Kreuzer in den Persischen Golf ein. Am Montag erreichte auch das Landungsschiff USS Mesa Verde mit 550 Marineinfanteristen an Bord die Gewässer vor der irakischen Küste.

US-Präsident Barack Obama hat allerdings noch keine Entscheidung über militärische Massnahmen getroffen. Den Einsatz von Bodentruppen hingegen hat er ausgeschlossen. Im schiitischen Teil des Iraks werden junge Männer dazu aufgerufen, ihr Land zu verteidigen. Hunderte haben sich bereits freiwillig gemeldet. Beobachter gehen davon aus, dass iranische Revolutionsgardisten bei der Ausbildung der Freiwilligen helfen.

Viele Sunniten unterstützen die Islamisten

Die Dschihadisten des Islamischen Staats im Irak und in der Levante (Isis) gehören zur Glaubensgemeinschaft der Sunniten, die die schiitisch geprägte Regierung in Bagdad stürzen will. Zentrum der schiitischen Glaubensrichtung, der die Mehrheit der irakischen Bevölkerung angehört, ist wiederum der Iran.

Führende sunnitische Politiker im Irak sehen eine der Ursachen für den Erfolg der im syrischen Bürgerkrieg erstarkten sunnitischen Miliz Isis in der Unterdrückung der eigenen Bevölkerungsgruppe. Der Vorwurf richtet sich vor allem gegen Ministerpräsident Nuri al-Maliki, dem auch von ausländischen Politikern vorgehalten wird, Schiiten und damit seine eigene Glaubensgemeinschaft bei Staatsgeschäften zu bevorzugen. Militärisch erfolgreich war Isis bislang in den sunnitischen Gebieten.

Massenerschiessungen im Nordirak

Im Internet kursieren Videos, die Isis-Kämpfer bei der Erschiessung Hunderter gefangener Soldaten der irakischen Armee zeigen sollen. Ihren Vormarsch auf den schiitischen Süden mit der Hauptstadt Bagdad stoppte die Isis am Wochenende, um stattdessen die Kräfte auf den Nordwesten zu konzentrieren. Dort brachten sie nach heftigen Kämpfen die 200'000-Einwohner-Stadt Tal Afar unter ihre Kontrolle.

Die der Isis zugeschriebene Erbarmungslosigkeit hat auch in der Türkei massive Sorgen ausgelöst, denn 49 ihrer Staatsbürger, darunter Diplomaten und Sicherheitskräfte, wurden bei der Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul vergangene Woche gefangen genommen. «Wir wollen, dass alle türkischen Geiseln frei und sicher sind», forderte Nato-Generalssekretär Anders Fogh Rasmussen in Ankara.

Kurden rücken ebenfalls vor

Nach Erfolgen gegen die Isis drängen die irakischen Kurden auf eine Erweiterung ihres Autonomiegebietes. Kurdenverbände (Peschmerga) hatten bis Ende letzter Woche die Provinzen Kirkuk, Ninive und Dijala eingenommen und gegen die Isis verteidigt.

Die Peschmerga würden die Gebiete nicht verlassen, bis Bagdad Artikel 140 der irakischen Verfassung zur Anwendung bringe, zitierte die Nachrichtenseite «Al-Sumaria News» einen kurdischen Offizier am Montag. Der Artikel der nach dem Sturz des Präsidenten Saddam Hussein geschriebenen Verfassung sieht ein Referendum für die Kurdenregionen des Iraks vor. Ein solches hatte Ministerpräsident Al-Maliki bisher verhindert.