Es wird immer klarer: Die Konservative Partei von Premierminister Boris Johnson hat bei der Wahl in Grossbritannien eine deutliche Mehrheit im Parlament errungen. Damit scheint der entschlossene Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union absehbar.

Seine Regierung habe «ein mächtiges Mandat erhalten, den Brexit durchzuziehen», sagte Wahlsieger Johnson am frühen Freitagmorgen in London. Als Termin für den Brexit ist der 31. Januar vorgesehen. 

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Zunächst muss der Austrittsvertrag durch das britische und das Europäische Parlament. «Und danach geht es erst richtig los: Die zukünftige Beziehung des Vereinigten Königreiches mit der EU muss verhandelt werden», kommentierte deutsche SPD-Politikerin und Vizepräsidentin des Europaparlaments: «Johnson will das in wenigen Monaten schaffen – das wird nicht funktionieren.»

Schweiz & Grossbritannien: Es soll bleiben, wie es ist

Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Boris Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.

EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich kooperativ. «Wir werden sehen, ob es für das britische Parlament möglich ist, das Austrittsabkommen zu akzeptieren» sagte Michel nach dem EU-Gipfel in der Nacht zum Freitag in Brüssel. «Falls das der Fall ist, sind wir bereit für die nächsten Schritte.»

Die Schweiz kann dem holprigen Prozess recht gelassen zusehen: Der Bundesrat bereitete sich mit der «Mind the Gap»-Strategie und sieben Abkommen mit Grossbritannien auf den Brexit vor. Die Idee: Mit den neuen Verträgen werden die bestehenden Rechte und Pflichten über den Brexit hinaus erhalten.

In einer Übergangsphase nach dem Brexit sind Drittstaatenabkommen der EU wie die bilateralen Abkommen Schweiz-EU auf das Vereinige Königreich anwendbar. Das heisst konkret: Für Schweizer in Grossbritannien und für Schweizer Unternehmen sollte praktisch nichts ändern.

So sollen insbesondere Britinnen und Briten in der Schweiz und Schweizerinnen und Schweizer in Grossbritannien nach dem Brexit ihre Aufenthaltsrechte behalten können. Der Bundesrat verabschiedete vergangene Woche die Botschaft zu dem vor knapp einem Jahr genehmigten und im Februar unterzeichneten Abkommen hierzu.

34'500 Schweizer in Grossbritannien

Es betrifft rund 34'500 Schweizerinnen und Schweizer sowie rund 43'000 Britinnen und Briten, die im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens im jeweils anderen Land leben und arbeiten.
Nach dem Brexit gilt während der Übergangszeit weiterhin das Freizügigkeitsabkommen – wenn Grossbritannien die EU mit dem ausgehandelten Austrittsabkommen verlässt. Nach dem Ende dieser Frist – voraussichtlich ab 1. Januar 2021 – gilt das neue Abkommen.

Neben der Freizügigkeit deckt das Abkommen auch den Bereich soziale Sicherheit sowie die gegenseitige Anerkennung von beruflichen Qualifikationen ab. Die gewährten Rechte gelten auf Lebenszeit. Zudem können dank dem Abkommen bereits begonnene Dienstleistungserbringungen nach dem Brexit zu Ende geführt werden.

«Wir wollen einen Deal» - das Interview mit der britischen Botschafterin

Jane Owen ist die Botschafterin der Queen in der Schweiz. Sie spricht über Brexit – und weshalb Grossbritannien nicht der Efta beitreten will.

Ein möglicher baldiger Vollzug des Brexit dürfte auch den blockierten Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU um einen Rahmenvertrag neuen Schub verliehen. Die Gespräche sind unter anderem wegen der Unsicherheit über den Brexit ins Stocken geraten.

Die Briten hatten 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Nach zähen Verhandlungen konnte Johnsons Vorgängerin Theresa May im November 2018 ein Austrittsabkommen vorlegen.

Doch die anschliessende Ratifizierung im britischen Parlament scheiterte. Nicht zuletzt, weil ihre Regierung seit der vergangenen Wahl 2017 keine eigene Mehrheit mehr hatte. Der Brexit wurde mehrmals verschoben, May musste schliesslich zurücktreten.

(sda/mbü)