Die russische Notenbank wehrt sich vehement gegen den Verfall des Rubels. Händlern zufolge hat sie heute an den Finanzmärkten interventiert: Innerhalb kürzester zeit sind mehr als eine Milliarde Dollar verkauft worden. Der Rubel hat am Freitag etwas Boden gutgemacht. Ein Dollar verbilligte sich um bis zu 3,4 Prozent auf 52,42 Rubel.
Die Geldhüter verkauften bereits gestern Devisen im Wert von 1,9 Milliarden US-Dollar. Davor verkauften die Währungshüter ebenfalls Devisen im Wert von 700 Millionen US-Dollar. Ausserdem gaben Moskaus Zentralbanker bekannt, dass die Zinssätze, zu denen sich Banken gegen in ausländischen Währungen ausgegebenen Sicherheiten Geld leihen können, gesenkt würden.
Politischer Druck
Die Aktivität der Notenbank ist erstaunlich und wirft die Frage auf, inwieweit die Zentralbank nun unter politischen Druck geraten ist. Im Oktober wurde der Leitzins noch in die Höhe geschraubt, obwohl teures Zentralbankgeld als Gift für die unter Sanktionen des Westens ächzende Wirtschaft gilt.
Zudem setzen sie im November mit der Freigabe des Rubel-Wechselkurses auf das Kräftespiel des Marktes, statt die Landeswährung mit täglichen Interventionen in ein Korsett zu pressen. Und dafür erntete die Notenbank-Chefin viel Lob aus der Fachwelt: Mit ihrer aggressiven Zinspolitik nehme die Zentralbank billigend in Kauf, dass das Wachstum leide, sagt Russland-Kenner Christopher Granville vom Londoner Beratungshaus Trusted Sources.
Rubel-Panik verhindern
Selbst eine Rezession sei eher zu verkraften als eine Panik an den Märkten, galoppierende Inflation und eine Kernschmelze der Währung, wie sie Russland unter Putins Vorgänger Boris Jelzin erleben musste. Dieses Trauma hat Putin durchaus im Hinterkopf - und auch Notenbankchefin Nabiullina.
Die Zinserhöhung stellte sich im Nachhinein auch als geschickter Schachzug heraus, um die Sparer bei der Stange zu halten. Denn wenige Tage später kündigte die Notenbankchefin an, den Wechselkurs des Rubel freizugeben. Wie erhofft, hielten die Sparer danach an ihren Rubel-Guthaben fest, die mit höheren Zinsen nun besser gegen Inflation geschützt sind. Eine Panik wie in den Zeiten der Rubel-Krise 1998 blieb aus – vorerst.
Zentralbankchefin stärker als erwartet
Zuletzt brach die Währung ein. Die Interventionen folgten. Und verpufften grösstenteils. Putin läuft nun Gefahr, der Notenbankchefin doch das Korsett überzustülpen: Gestern kündigte der russische Präsident «harte» Massnahmen im Kampf gegen Rubel-Spekulanten an, sagte aber gleichzeitig, er wolle einen Straferlass für Reiche, wenn diese ihr Kapital aus Steuer-Oasen zurückbringen.
Bislang galt die Notenbankchefin Nabiullina nicht als verlängerter Arm Putins, obschon die 51-Jährige ihm lange Jahre als Wirtschaftsberaterin diente. «Sie hat sich auf dem Posten der Zentralbankchefin als stärker entpuppt als erwartet», sagt Ökonom Anders Aslund vom Peterson Institute for International Economics in Washington.
«Gute alte Freunde»
Anders als im politischen Dunstkreis des Präsidenten üblich, regierten in der Zentralbank nicht die einflussreichen «guten alten Freunde» Putins, wie ein Regierungsvertreter hinter vorgehaltener Hand erläutert. «Es sind Fachleute, mehr oder weniger kompetent, aber sie sind vom Fach.»
Auch nach Ansicht von Putin-Kritiker Alexaschenko geniessen die Notenbanker relativ grosse Freiheiten: Der Präsident wisse um die Macht der Geldpolitiker, doch er wisse nicht genau, wie sie arbeiteten: «Er scheut davor zurück, sich gross einzumischen.» Bisher.
(awp/reuters/ise/dbe)