Die Europäische Union ist mit einer grossen Delegation nach China gereist. Der Streit um die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft strapaziert die Gespräche. Mitten in die Verhandlungen platzt das für Peking negative Urteil des Haager Schiedsgerichts zum Südchinesischen Meer.
«Ich glaube, dass wir eine bestimmte Anzahl gemeinsamer Ideen, Projekte und Unternehmungen zu beschleunigen haben», sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude laut einer Mitteilung seiner Delegation zum Auftakt des zweitägigen EU-China-Gipfels. Gemeinsam mit EU-Ratspräsident Donald Tusk war Juncker mit Chinas Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang zusammengekommen.
Medienkonferenz abgesagt
Eine offizielle Auftakt-Medienkonferenz war jedoch kurzfristig abgesagt worden. Beobachter vermuteten, dass dies mit der Entscheidung des internationalen Schiedsgerichts in Den Haag zusammenhing.
Die Richter hatten am Dienstag ein Urteil verkündet, wonach China auf beanspruchte Inseln im Südchinesischen Meer keine Territorialansprüche hat. «Die regelbasierte internationale Ordnung ist in unserem gemeinsamen Interesse und sowohl China als auch die EU haben sie zu schützen», sagte Tusk demnach laut Mitteilung im Gespräch mit Li Keqiang.
Wirtschaftsfragen im Zentrum
Bei dem Treffen der Spitzen aus China und Europa sollen Wirtschaftsfragen im Zentrum stehen. Erwartet wird, dass auch der Konflikt um die Einstufung Chinas als Markwirtschaft eine Rolle spielen wird.
Bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) 2001 war China bis Ende 2016 der Marktwirtschaftsstatus in Aussicht gestellt worden. Der Status würde das Land vor teuren Anti-Dumping-Klagen bewahren - also vor Beschwerden, dass es seine Produkte unter Preis verkaufe.
Obwohl China juristisch wohl im Recht ist, hatte sich das EU-Parlament im Mai mit grosser Mehrheit gegen den Marktwirtschaftsstatus ausgesprochen. Die EU ist der Auffassung, dass zunächst weiter Schutzmechanismen gegen Billigprodukte aus China geschaffen werden müssen.
Kritik an Billigimporten
Brüssel wirft Peking vor, den europäischen Markt mit billigem Stahl zu überfluten, wodurch in Europa Arbeitsplätze gefährdet würden. Europäische Industrievertreter warnten am Dienstag davor, dass sich die Billigimporte auch auf andere Branchen ausweiten.
«Bei Chinas Preis-Dumping geht es um mehr als nur Stahl. Jedes produzierende Unternehmen in Europa wird die Auswirkungen spüren», teilte der europäische Industrieverband AEGIS mit. Der Verband forderte die EU-Vertreter auf, in den Verhandlungen mit China Härte zu zeigen. Allein in der Aluminium-Branche seien derzeit 80'000 Arbeitsplätze gefährdet.
Basis der Beziehungen
Die Wirtschaft bildet die Basis der Beziehungen zwischen Brüssel und Peking. Die EU ist Chinas grösster Handelspartner, und China ist der zweitgrösste Handelspartner der EU nach den USA.
Beide Seiten sind voneinander abhängig. Aber gerade europäische Firmen beklagen seit Jahren einen schlechten Marktzugang, ungleiche Wettbewerbsbedingungen, mangelnde Transparenz und Rechtsunsicherheiten.
(sda/chb)