Die Erleichterung in Berlin und den anderen Hauptstädten der EU ist nach der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl riesig. Mit Emmanuel Macron hat nicht nur der aussichtsreichste Verhinderer der rechten Marine Le Pen die Stichwahl erreicht, sondern auch ein Kandidat, der eine dezidiert pro-europäische Linie verfolgt.

Obwohl Macrons Bewegung «En Marche!» erst ein Jahr alt ist, gilt der Kandidat als Vertreter des Establishments gegen den Populismus und Nationalismus seiner Gegnerin. Warum das so ist, zeigt unter anderem ein Vergleich der Wirtschaftsprogramme, die sich in vielen Punkten diametral unterscheiden.

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Gesamtwirtschaft

Macron möchte die Staatsausgaben reduzieren und in fünf Jahren 120'000 Jobs im öffentlichen Sektor streichen. Der Arbeitsmarkt soll flexibilisiert werden. Mögliche negative Folgen der Reformen will Macron mit einem 50 Milliarden Euro schweren Investitionsplan aufangen, der auf eine bessere Ausbildung der Arbeitnehmer abzielt.

Le Pen vertritt einen «ökonomischen Patriotismus» und will die Wirtschaftspolitik aus Brüssel nach Paris zurückholen. Die Kandidatin plädiert für mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und will die Arbeitsmarktreformen von François Hollande zurücknehmen.

Budgetdefizit

Macron hat angekündigt im Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU zu bleiben und das Haushaltsdefizit bis zum Ende der Amtszeit im Jahr 2022 auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Geschehen soll dies durch Einsparungen bei den Staatsausgaben und eine Erweiterung der Steuerbasis – etwa durch eine Steuer auf Einkommen aus Vermögen.

Sollte Le Pen an die Macht kommen, willl sie so schnell wie möglich aus dem Euro-Stabilitätspakt austreten. Trotz zahlreichen neuen Ausgaben in ihrem Programm strebt sie eine Reduktion des Fehlbetrags auf 1,3 Prozent an. Dazu plant Le Pen die Einführung einer Strafsteuer für die Beschäftigung von Ausländern, neue Steuern auf Importe sowie Einsparungen durch einen Immigrationsstopp und die Bekämpfung von Sozialmissbrauch.

Arbeitsmarkt

Macron plant Arbeitsmarktreformen und Investitionen in die Ausbildung, welche die Arbeitslosigkeit unter 7 Prozent drücken sollen. 15 Milliarden der 50 Milliarden Euro in seinem Investitionsplan sind für die Berufsbildung reserviert. Die 35-Stunden-Woche würde Macron beibehalten, hat er im Fall einer Präsidentschaft angekündigt.

Le Pen will die 35-Stunden-Woche ebenfalls beibehalten, ist jedoch in einigen Branchen zu Konzessionen bereit. Das Pensionsalter soll auf 60 Jahre gesenkt werden. Die bisherigen die Arbeitsmarktreformen von François Hollande, mithilfe derer Unternehmen Arbeitnehmer leichter einstellen und entlassen können, würde Le Pen zurücknehmen.

Steuern

Macron verspricht die Senkung der Unternehmenssteuern von 33 auf 25 Prozent. Auch die Sozialabgaben auf Löhne sollen geringer ausfallen. Mit der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung durch normale Steuern würden Arbeitseinkommen entlastet. Zum Ausgleich der Ausfälle sollen Aktiengewinne und vor allem Immobilienbesitz höher besteuert werden.

Le Pen will die Steuern für Niedrigverdiener sowie kleine und mittlere Unternehmen senken. Die geplanten neuen Steuern auf Importe und auf die Beschäftigung von Ausländern könnten diese Ausfälle nicht wettmachen. Stattdessen verspricht Le Pen Einsparungen von 41 Milliarden Euro durch den Immigrationsstopp.

Euro

Macron ist für den Euro und die EU, plädiert für eine enge Zusammenarbeit in der EU und will die Organisation demokratisieren.

Le Pen hingegen möchte Referenden zur Abschaffung des Euro und zur Rückkehr zum Franc und dem Austritt Frankreichs aus der EU (Frexit) abhalten.

Fraglicher Rückhalt im Parlament

Ob die Programme der Kandidaten auch umgesetzt werden können, ist offen. Zwar hat der französische Staatspräsident mehr Macht als in den meisten westlichen Ländern. Doch ohne Parlament wird das Regieren schwierig. Und weder Le Pens Front National noch Macrons En Marche können mit einer Mehrheit in der Nationalversammlung rechnen.

Zum Vergleich: Wegen des Mehrheitswahlrechts erreichte der Front National 2012 trotz einem Stimmenanteil von 18 Prozent nur zwei von 577 Sitzen. Auch für Macron dürfte es mit seiner erst ein Jahr alten Bewegung schwierig werden, eine stabile Basis zu erreichen. Die Spannung bleibt damit zumindest bis zu den Parlamentswahlen im Juni gross.