Heute dominierende Autos mit Verbrennungsmotor sind möglicherweise die am wenigsten ausgelasteten, die Umwelt belastenden, zeitraubenden und (in Hinblick auf die Unfälle) die gefährlichsten Maschinen auf dem Planeten: Wer sie eine Stunde pro Tag mit einer mitfahrenden Person nutzt, kommt auf eine Auslastung von vielleicht zwei Prozent der verfügbaren Sitzkilometer. Wenn diese Autos genutzt werden, ist die Umweltbelastung beträchtlich. Auch sind nicht nur die Staus zeitraubend, auch die nicht produktive Zeit am Steuer müsste mit kalkuliert werden, um die wirtschaftliche Gesamtbelastung erfassen.

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Schrumpfende Pools in Sicht

All diese Herausforderungen lassen sich mit heute verfügbaren Technologien und mit vertretbaren Kosten lösen. Aufstrebende neue Autohersteller wie Tesla oder die Sharing-Economy-Geschäftsmodelle bringen die etablierten Hersteller unter Zugzwang: Denn autonome Fahrzeuge sind nicht nur (noch) eines der halbwegs akzeptierten Statussymbole. Sie werden gemäss Prognosen auch den Strassenverkehr deutlich sicherer machen und die Unfallquoten senken. Sie versprechen den Fahrern auch den Freiraum für eine sinnvolle Beschäftigung während der Fahrt.

Es zeichnet sich ab, dass diese Kombination von Regulierung (Förderung von Elektrofahrzeugen, Shared Mobility), Technologie (autonome Fahrzeuge), Disruption (neue Autoversicherungen) und sozialen Faktoren (Autos taugen bei der U30er-Generation heute nicht mehr als Statussymbol) die Motorfahrzeug-Prämienpools bis zum Jahr 2030 global um 18 bis 60 Prozent und bis 2040 um 54 bis 84 Prozent reduzieren werden, wie die Analysten von Morgan Stanley berechnet haben. Das höchst wahrscheinliche Szenario ist mit einem Rückgang um 55 Prozent für die Versicherungsbranche ebenfalls ungemütlich.

 

Unterschiede bei der Einschätzung

Es gibt bemerkenswert grosse Unterschiede zwischen den Versicherungen bei der Einschätzung, wie rasch sich die Veränderungen in den Prämienpools niederschlagen werden. Für einige werden sich die Bedingungen für die Autoversicherungen in den kommenden zehn Jahren kaum verändern. Die Prämienpools würden irgendwann einmal fallen, aber das dürfte nicht so rasch der Fall sein. Versicherer gehen davon aus, dass dann immer noch ein erheblicher Teil der Fahrzeuge wie heute versichert sein wird, teilweise mit zusätzlichen teilautonomen Fahrassistenzsystemen. Gegen Ende des nächsten Jahrzehnts könnten dann zunehmend autonome Fahrzeuge zum Thema werden. Entsprechend würden sich die Versicherungsdeckungen je nach gewählter rechtlicher Regelung und neuen Risiken (wie Cyberrisiken, Automiete statt -kauf, Mehrfachnutzer) schrittweise an die neuen Gegebenheiten anpassen.

Verschiedene Deckungen im Kaskobereich würden dagegen kaum wesentlich verändert werden (Teilkaskorisiken, Kollisionsdeckung). Wie sich die Prämienpools längerfristig entwickeln, werde sehr stark davon abhängen, wie sich die Schadenfrequenzen und die Schadenaufwendungen entwickeln werden, d.h. wie schnell die heutigen Fahrzeuge durch neue teilautonome Fahrzeuge oder dann gar durch autonome Fahrzeuge ersetzt werden. Bei der Risikoeinschätzung eines hochautomatisierten Fahrzeugs werden Versicherer in Zukunft vor allem die Qualität der verbauten Sicherheitssysteme im Zusammenspiel zwischen aktiver und passiver Sicherheit bewerten müssen.

Laut Analysten ist die Tendenz der Versicherungen, von langsamen Veränderungen auszugehen, aber trügerisch: Wenn eine geballte Ladung attraktiver Elektro-Neufahrzeuge in die Vitrinen der Händler kommt, dann ist eher die Einführung der Abgaskatalysatoren die geeignete Vorlage - und dann erforderte der Austausch von 70 Prozent der Privatfahrzeugflotte nur wenige Jahre, unterstützt von kleinen steuerlichen Anreizen.

 

Mitmachen zählt

Autoteilen hat ebenfalls das Zeug, die Prämienpools der Versicherer zu dezimieren. Die Versicherungen sehen das – und handeln oft ähnlich, indem sie sich an entsprechenden Plattformen oder Startups beteiligen oder neue Produkte entwickeln. Die Sharing Economy ist ein Megatrend, dem sich auch die Versicherungsgesellschaften nicht werden entziehen können. Die Frage wird sein, wie sich dies auf die Prämien auswirkt.

Auf der einen Seite ist davon auszugehen, dass weniger Fahrzeuge im Verkehr anzutreffen sind und sich das Prämienvolumen entsprechend verringert. Auf der anderen Seite verändert sich durch die höhere Nutzung der Fahrzeuge das Risikoprofil (höhere Schadenfrequenz), so dass im Underwriting neue Ansätze geprüft werden müssen. Versicherungsseitig stellt sich zudem die Frage, ob bzw. inwiefern künftig ganze Communities versichert werden können und ev. vermehrt Flottenlösungen zum Zug kommen.

Längerfristig ist laut Analysten offen, ob sich der Einstieg in ganz neue Bereiche, wie Tausch-Plattformen oder Fahrdiensten auszahlt und ob damit ein Prämienknick aufgefangen werden kann. Hier erscheint aber der Nebeneffekt wichtiger als die Hauptwirkung: Versicherungen erfahren so aus erster Hand, wie die neuen Geschäftsmodelle funktionieren – und sie können entsprechende Daten erheben und Prämien berechnen.