Captive-Konzepte eröffnen Unternehmenskunden die Möglichkeit, über die Partizipation an einem allfälligen versicherungstechnischen Gewinn einen direkten Return on Investment in Bezug auf die erbrachten Risk-Management-Leistungen zu erzielen. Dank des mit dem Versicherer gelebten Risk-Sharing-Ansatzes entstehen für die Unternehmenskunden Synergien. Die Risikofinanzierungskosten können dank der beidseitigen Bereitschaft zur Verbesserung der Risikoqualität über den Versicherungszyklus hinweg optimiert werden.

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Unterschiedliche Strategien

Die Einführung der neuen Versicherungsnormen Solvency II und SST hat zu einem erheblichen Anstieg des Arbeitsvolumens bei Captive-Eignern geführt, wodurch das Betreiben einer Captive kostenintensiver wurde. Hinzu kommt, dass es in einigen EU-Ländern keine pauschale Erleichterung für Captives gegenüber traditionellen Rückversicherern gegeben hat. Beim SST kennt man die Einteilung der in der Schweiz operierenden Captives nach Risikoklassen. Die Finma stellt an grosse Captives höhere Anforderungen als an kleinere. Aus diesen Entwicklungen lassen sich aus der Praxis die folgenden drei Geschäftsstrategien ableiten:

1.    Festhalten an der bestehenden Geschäftsausrichtung bei gleichzeitiger Optimierung der Portfoliostruktur.
2.    Ausbau des bestehenden Portfolios durch die Zeichnung von weiteren Versicherungssparten.
3.    Auflösen von einzelnen Captives, da entweder eine Konzentration der Geschäftstätigkeit von mehreren regional operierenden Captives auf eine Kerngesellschaft erfolgt oder weil die Erzielung des Break-even aufgrund der gestiegenen operativen Kosten nicht mehr möglich erscheint.

Finanzierungskosten senken

Gerade im Solvency II-Raum lässt sich in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Interesse an der Erweiterung bestehender Captive-Porfolios auf die Leben-Sparte «Employee Benefits» feststellen. Das Ausschöpfen von Portfolio-Diversifikationsmöglichkeiten kann die Risikofinanzierungskosten senken. Dies ist im Solvency-II-Standardmodell von Säule eins explizit vorgesehen und kann daher auch bei Verwendung eines internen Modells berücksichtigt werden.

Da das Management von Nichtleben- und Lebensversicherungen sowohl bei Captive-Eignern, bei Maklern und bei Versicherern gewöhnlich organisatorisch voneinander getrennt gehandhabt wird, haben Industrieunternehmen als Captive-Eigner gerade erst angefangen, Synergien durch Ausschöpfung ihrer Kaufkraftpotenziale auszuschöpfen. Die Belange des Bereichs Leben sind in der Regel beim HR-Departement angesiedelt, während der Nichtleben-Bereich oft dem Risikomanagement unterstellt ist. Des Weiteren ist der Bereich Leben häufig dezentral auf Länderstufe organisiert, während im Nichtleben-Bereich zumeist zentralisierte und länderübergreifende Versicherungsprogramme implementiert sind. Deshalb ist es für Captive-Eigner ratsam, für eine holistische Marktbearbeitung Captive-Experten aus den Bereichen Leben und Nichtleben zusammenzubringen, um den komplexen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Captive-Eigner könnten durch die Integration von «Employee Benefits»-Lösungen in Captive-Zeichnungsprogramme folgende Mehrwerte erzielen:
• Transparente und länderübergreifende Übersicht von Prämien- und Schadenflüssen.
• Möglichkeit gezielter Risikomanagement-Massnahmen, um Verbesserungen beim Risiko zu erzielen.
• Partizipation an zusätzlichen Underwriting-Ergebnissen.
• Optimierung von lokalen Versicherungsdeckungen dank der Captive RV-Kapazität.
• Aufbau zusätzlicher eigener bilanzieller IBNR-Positionen (Incurred but not reported, eine Schadenrückstellung für unbekannte Spätschäden) innerhalb einer Captive.

Der Einbezug des Bereichs Leben in das Captive-Underwirting-Konzept hat zu einer neuen Einkaufsqualität bei grossen Captive-Eignern geführt, zumal die HR-Repräsentanten neu mit in die Captive-Prozesse einbezogen werden. Des Weiteren war die bisherige Wertschöpfungskette von Einkauf bis Verkauf mehr oder weniger nach Leben und Nichtleben getrennt. Industrieversicherer werden daher grosse Captive-Eigner nach diesem Einkaufspotenzial neu bewerten und sich entsprechend ausrichten müssen.

Grösserer Underwriting-Appetit

Trotz des «soften» Marktes konnte in den letzten Jahren beobachtet werden, dass grosse Captive-Eigner den Zessionsanteil sukzessive erhöht haben. So werden durchaus 80 Prozent und mehr an Erstversicherungsprämien an eine Captive zediert. Bei grossen europäischen Captive-Eignern kann dies einem jährlichen Transaktions potenzial von bis zu 100 Millionen Euro an Jahresprämien entsprechen. Jahrzehntelange und systematische Risk-Management- und Risk-Engineering-Investitionen haben zu einem grösseren Underwriting-Appetit bei Captive-Eignern geführt. Denn durch diese Investitionen konnten die Frequenzschäden im sogenannten Primary Layer reduziert werden, um ein profitables Underwriting-Ergebnis zu ermöglichen.

Auch Verbandsvertreter haben den Trend zur aktiveren Nutzung von Captives gegenüber früher festgestellt. Dies könnte zu einem neuen Einkaufsverhalten von Captive-Eignern führen. Mit einer Bündelung und Zession der Mehrheit von Erstversicherungsrisiken an eine Captive rückt der traditionelle Unternehmensversicherer aus Kundensicht vermehrt in die Position eines Dienstleisters. Daher wäre es nicht erstaunlich, wenn Captive-Eigner mit Rückversicherungs-Captives in Zukunft stärkeres Inte-resse daran zeigen würden, die Nicht-Risikokomponenten des Erstversicherers (Netzwerk, Infrastruktur und Bewilligungen) in den Vordergrund zu stellen. Hierbei konnten in der Praxis auch schon Tendenzen von nichtproportionalen hin zu proportionalen Rückversicherungs-Strukturen mit entsprechend umfangreicher Captive-Beteiligung beobachtet werden, wie bereits umschrieben mit einer Prämienzessionsquote bis zu 80 von 100 Prozent.

Arbitragestrategien

Eine aktivere Nutzung einer Captive als Rückversicherer von Industrieversicherungsprogrammen lässt sich auch durch die Vielfalt des Rückversicherungsmarkts erklären. Denn neben den klassischen Rückversicherern bieten sich für die Captive-Rückversicherungen neue Kapazitätsanbieter wie Insurance Linked Securities (ILS) an. In diesem Zusammenhang sollen auch Arbitragestrategien nicht unerwähnt bleiben. Mit deren Hilfe soll eine Ausschöpfung von Preis-, Kapazitäts- und Deckungsunterschieden zwischen den Erst-, Rück- und Retrozessionsmärkten erzielt werden.

Ein weiterer Grund für eine aktivere Nutzung bestehender Captives kann aus der Risikobewältigung von neuen Risiken abgeleitet werden. Dies ist beispielsweise im Spektrum von Cyber-Risiken zu beobachten, wenn ein umfassendes internationales Erstversicherungsprogramm gestaltet wird, welches an die Rückversicherungs-Captive zediert wird. Das Bündeln von Risiken aus diversen Ländern könnte einem Captive-Eigner ein transparenteres und genaueres Bild der Risiken ermöglichen als es bei Beibehaltung einer vollständigen Eigenfinanzierung in der jeweiligen lokalen Bilanz möglich wäre. Voraussetzung hierfür wäre natürlich die Eignung eines Versicherers als sogenannter Fronter für solche Risiken, der eine professionelle Versicherungspreisgestaltung und ein umfassendes Schadenmanagement bieten müsste.

In einigen Industriebereichen, etwa in der Automobilindustrie, beo-bachtet man auch die Inanspruchnahme von Extended-Warranty-Deckungen, welche häufig auf den Markt für Occasionen ausgerichtet und weitgehend an Captives rückversichert sind. Hierdurch sollen Eigentümer von Occasionsfahrzeugen hin zu den Vertragswerkstätten des Autoherstellers gelotst werden.

Eigene Netzwerke

In den vergangenen Jahren wurde man auch in der Schweiz auf bedeutende M&A-Transaktionen bei Industrieunternehmen aufmerksam. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Zusammenschluss von Holcim und Lafarge zu LafargeHolcim in 2015. Auf Versicherungsseite hatte diese Transaktion erhebliche Auswirkungen auf die Restrukturierung des Captive-Netzwerkes von LafargeHolcim. So erwähnte Andreas Epper, Captive Insurance Manager & Pension Fund Coordinator bei LafargeHolcim an der letztjährigen Captive-Fachtagung in Zürich, dass zum einen bei Holcim, zum anderen bei Lafarge diverse Captives bestanden, welche anzahlmässig auf wahrscheinlich ein oder zwei aktive Captives reduziert würden.

Dieses Beispiel zeigt sehr eindrücklich, dass international operierende Captive-Eigner häufig über ein eigenes Captive-Netzwerk verfügen, welches «organisch» gewachsen ist oder das Resultat von M&A-Transaktionen sein kann. Solch ein Captive-Netzwerk entsteht häufig nach regionalen Kriterien. So haben Captive-Eigner meistens eine Captive für die USA und eine weitere für den EU-Raum und die übrigen Regionen, wobei vereinzelt auch eine weitere Captive für den Asia- & Pacific-Raum besteht.

Bei einer Konzentration von rückversicherten Erstversicherungsprogrammen auf eine Captive anstelle von beispielsweise vier Captives werden Exposure und Prämien gebündelt. Captive-Eigner nutzen diese Bündelung des Einkaufsvolumens in der Regel, um den Versicherungs-zyklus aktiver als bisher gegenüber dem Rückversicherungsmarkt zu managen.

Vertiefte Geschäftsbeziehung

Wird der Captive-Eigner auch bei Erstversicherungen eine Reduktion bisheriger Captive Fronter pro Line of Business vornehmen, um einheitliche Versicherungsprogramme zu erzielen, entsteht zwischen Captive-Eigner und grossem Industrieversicherer eine vertiefte Geschäftsbeziehung. Selbst global gesehen bleibt der Markt von Captive-Eignern überschaubar. Zurich schätzt die Gesamtzahl auf etwa 1600 Gesellschaften. Viele dieser Captive-Eigner haben, wie bereits am Beispiel von LafargeHolcim ausgeführt, mehrere aktive oder sich in Abwicklung befindliche Captives. Die von renommierten und global operierenden Maklerhäusern genannten Captive-Zahlen weichen deshalb erheblich ab.

Es scheint sich auch auf Seiten der Industrieversicherer eine Konsolidierung abzuzeichnen, wie erst kürzlich das Beispiel der Axa-Gruppe belegt. Sollten Captive-Eigner in Zukunft ihr Einkaufsverhalten fortsetzen, nämlich einen markanten Anteil des in der Erstversicherung fakturierten Prämienvolumens an deren Captive rückzuversichern, werden auch grosse internationale Erstversicherer aus Kundenperspektive vermehrt als Dienstleistungserbringer wahrgenommen. Das Fronting-Geschäft wird dann quasi zu einer Ausdehnung des Kommissionsgeschäftes als Entgelt für die Bereitstellung einer internationalen Infrastruktur führen.

Auf der anderen Seite eröffnen Rückversicherungs-Captives auf konsolidierter Basis für grosse international operierende Captive-Eigner eine weitere strategische Dimension: Rückversicherungs-Captives werden zum «Ventil» zum Rückversicherungs- und Retrozessionsmarkt, um die Marktarbitragemöglichkeiten auszuschöpfen.

 

DR.RER.POL. PAUL WÖHRMANN ist verantwortlich für Captive Services für die Commercial Insurance Regionen der Zurich Versicherung in Europa, Asia & Pacific und Südamerika. Der Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors und nicht notwendigerweise die Sicht der Zurich dar.