It’s the economy, stupid» – dieser Slogan ist heute noch genauso treffend wie im Präsidentschaftswahlkampf 1992, als der Wahlspruch von Bill Clintons Wahlkampfstrategen erfunden wurde. Der Slogan betont, dass der Zustand der US-Wirtschaft eine zentrale Rolle bei der Ernennung des nächsten Amtsinhabers im Weissen Haus spielen wird. Das Glück spielt wie in jedem Kartenspiel eine grosse Rolle und Trump scheint mehr Glück als die meisten anderen zu haben. Clinton erlangte seinen ruhmreichen Sieg gegen George W. Bush mit dem Versprechen, eine angeschlagene Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

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Zwar kann Trumps demokratischer Gegner zweifellos das Argument eines Rückgangs der US-Wirtschaft im Jahr 2020 vorbringen, doch dürften sich die Erwartungen einer Rezession dieses Jahr als übertrieben erweisen. Wahrscheinlicher ist, dass die US-Wirtschaft weiter vor sich hin dümpelt, eine Meinung, die von IWF-Ökonomen geteilt wird, die für 2020 ein schwächeres Wachstum von 2,1 Prozent gegenüber 2,4 Prozent 2019 prognostizieren.

Zu Recht bleibt der Eindruck, dass die Wachstumsaussichten der USA angesichts der globalen Konjunkturabschwächung trüb bleiben, teilweise bedingt durch Trumps Protektionismus, für den der Handelskrieg mit China nur ein Beispiel ist. Diese Aussichten werden wahrscheinlich weit bis ins Jahr 2020 und darüber hinaus fortbestehen. Ganz unabhängig davon, wie die Wahlen dieses Jahr auch ausgehen – Trumps aggressive Haltung gegenüber China seit seinem Amtsantritt als Präsident hat die Rivalität zwischen den beiden Nationen angeheizt. Diese Rivalität wird auf absehbare Zeit die globalen, wirtschaftlichen und politischen Perspektiven prägen.

 

Schulden statt Verantwortung

Angesichts der aktuellen Aussichten für das Weltwirtschaftswachstum ist es besorgniserregend, dass die grossen Zentralbanken nur noch über begrenzte Feuerkraft verfügen, um einem starken Abschwung entgegenzuwirken. Die Zinsen bleiben auf historischen Tiefstständen, und obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt hat, das Anleihekaufprogramm wieder aufzunehmen, herrscht anderweitig wenig Bereitschaft dazu. Der ausgeschiedene EZB-Präsident Mario Draghi hat die Regierungen der Euro-Zone aufgefordert, ihre Haushaltsausgaben zu erhöhen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dies ist eindeutig der Weg des geringsten Widerstands, der vor allem für Politiker, die eine Wiederwahl anstreben, attraktiv sein dürfte. Interessanterweise scheint sogar der IWF derzeit mehr Staatsausgaben für Länder zu fordern, in denen «die Wirtschaftsaktivität geschwächt ist oder sich drastisch verlangsamen könnte» und in denen «der Spielraum für eine geldpolitische Lockerung begrenzt ist».

Es ist nichts Neues, Wirtschaftsflauten mit Staatsausgaben zu bekämpfen. Aber die Empfehlung kommt zu einer Zeit, in der der durchschnittliche Schuldenberg der grössten Volkswirtschaften mehr als 70 Prozent ihres BIP beträgt – der höchste Stand seit mehr als 150 Jahren (mit Ausnahme des Anstiegs zur Zeit des Zweiten Weltkriegs). Die Bedienung dieser Schulden stellt in einem Niedrigzinsumfeld kein Problem dar, kann jedoch schnell Kopfschmerzen bereiten, wenn die Zinssätze steigen und das Wachstum sich abschwächt. In seinem jüngsten Bericht zur globalen Finanzstabilität schätzt der IWF, dass ein nur halb so starker Konjunkturrückgang wie während der Finanzkrise 2007/08 bis zu 40 Prozent der in den wichtigsten Volkswirtschaften der Welt ausstehenden Unternehmensschulden gefährden könnte, atemberaubende 19 Billionen Dollar. Die Tragfähigkeit derartiger Schulden in einer Zeit, in der sich die Weltwirtschaft verlangsamt, bleibt eine Schlüsselfrage für das Jahr 2020 und darüber hinaus.

Dies könnte alles recht düster erscheinen, wäre nicht die Tatsache, dass sich die meisten westlichen Staaten angesichts einer zunehmend unruhigen und unsicheren Welt weitgehend gut behauptet haben. Nimmt man als Beispiel Grossbritannien, so hat sich die Wirtschaft des Inselstaates trotz dem anhaltenden nationalen Drama mit Namen Brexit als widerstandsfähig erwiesen. Kritiker könnten argumentieren, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union immer noch nicht verlassen hat. Daher ist es noch zu früh, um die tatsächlichen Auswirkungen des Brexit abzuschätzen. Zwar ein berechtigtes Argument, aber dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass das prognostizierte Schreckensszenario unmittelbar nach dem Referendum eintreten wird.

In den USA befindet sich die Arbeitslosigkeit fast auf einem Fünfzigjahrestief und es gibt immer noch Anzeichen für weiteres, wenn auch verlangsamtes Beschäftigungswachstum. Obwohl insbesondere in der Gig Economy Bedenken über die unsicheren Arbeitsverhältnisse bestehen und der Anteil der amerikanischen Arbeitnehmer, die nicht an der Wirtschaft teilnehmen, zunimmt, bleibt das Gesamtbild ermutigend. Inzwischen ist die Inflation, die in den 1970er und 1980er Jahren zum Verhängnis der Wirtschaftssysteme wurde, dermassen gebändigt, dass viele Länder jetzt gar mittels Reflation versuchen, die Wirtschaft zu stärken.

Trotz den guten Nachrichten gibt es natürlich auch Anlass zur Sorge. Die globale Industrietätigkeit ist seit einigen Monaten rückläufig, auch wenn sich der Abwärtstrend etwas abgeschwächt hat, während die weltweiten Exporte den stärksten Einbruch seit Oktober 2012 hinlegten und Deutschland den Abschwung anführte. In China, der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, ist das BIP-Wachstum fast auf ein Dreissigjahrestief gesunken. Dies wirft die Frage auf, ob das Land erneut das Weltwirtschaftswachstum ankurbeln kann, ähnlich wie nach der globalen Finanzkrise 2007/08.

Das Beste aus dem Wahlzyklus machen

Tatsächlich deuten alle Konjunkturberichte auf eine Weltwirtschaft hin, die sich an einem Wendepunkt befindet. Weiteres moderates Wachstum ist ebenso wahrscheinlich wie eine Rezession. In einem US-Wahljahr möchte man sich nicht in dieser schwierigen Lage befinden. Ein wenig Hoffnung für die Anleger kann die historische Entwicklung des Aktienmarktes im Vorfeld einer US-Präsidentschaftswahl sein. Eine Studie über Wahlzyklen zwischen 1952 und 2000 ergab, dass ein Investor, der im Besitz eines Aktienportfolios war, das den S&P-500-Index abbildete, in den 27 Monaten vor einer US-Wahl (vom 1. Oktober des zweiten Jahres einer Amtszeit bis zum 31. Dezember des Wahljahres) hohe Renditen erzielte. Die Wertentwicklung seines Portfolios lag je nach Wahljahr zwischen 16 und 70 Prozent. Passend dazu stellte dieselbe Studie fest, dass Bärenmärkte, die per definitionem durchschnittliche jährliche Verluste von 15 Prozent oder mehr verzeichnen, in der Vergangenheit in den ersten beiden Jahren der Amtszeit des Präsidenten vorkommen.

In einem US-Wahljahr ist es unvermeidlich, dass die polarisierende Figur von Donald Trump den Nachrichtenzyklus dominiert und weiterhin einen disruptiven Einfluss auf die Weltmärkte ausübt. Die Politik hatte schon seit je das Potenzial, die Aufmerksamkeit von den Fundamentaldaten abzulenken.

Edward Bonham Carter, Vice Chairman, Jupiter Asset Management, London.