Bei der Migros-Tochter Micarna, dem grössten Fleisch-, Geflügel-, Fisch- und Eierproduzenten der Schweiz, müssen die zerlegten Schlachtkörper, in Gebinden sortiert, klassifiziert werden. Dabei werden die Gebinde gewogen und im ERP-System einem Label und einem Produkt zugeordnet. Diese Klassifizierung und Erfassung geschieht bislang an einem sogenannten Identity-Point mit der Inaugenscheinnahme der Gebinde auf dem Förderband durch dafür geschulte Mitarbeitende.

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Diese Produktidentifizierung ist für das Personal eine äusserst anstrengende Arbeit, kommen die Gebinde doch in einer vorgegebenen Geschwindigkeit etwa alle zehn Sekunden auf dem Förderband daher. Für Michael Kott, Leiter Projektmanagement bei Micarna in Bazenheid SG, ein klarer Fall für eine Prozessautomatisierung. «Wir fragten uns, wie wir die Arbeitsschritte maschinell ersetzen und so die Arbeitsbelastung senken könnten. Da ich bereits früher im Zusammenhang mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz mit Microsoft in Kontakt kam, erschien mir eine Abbildung des Prozesses auf Basis der Bildklassifizierung naheliegend.» Allerdings war sich Kott nicht sicher, ob sich der Wunsch auch tatsächlich in die Tat umsetzen liesse.

Anforderungen, Herausforderungen

Hier kam IT-Logix ins Spiel. Es ging zunächst darum, den durch die Cognitive Services von Microsoft mit dem Dienst Custom Vision zur Verfügung stehenden Algorithmus zur Bildklassifizierung auf die Anforderung zu konditionieren. Die Fotos der Fleischstücke, welche die Basis für den Dienst bilden, wurden durch eine Kamera am Förderband aufgenommen. Dabei wurde mit Zeitstempeln gearbeitet, schiesst doch die Filmkamera jeweils sechzig Bilder pro Sekunde. Es musste zunächst also klar festgelegt werden, welches das jeweils relevante Bild des Gebindes für die Klassifizierung darstellt. Denn es wird aufgenommen, bevor der Mitarbeitende den Vorschlag der künstlichen Intelligenz erhält, im ERP-System den entsprechenden Button zu drücken – also die Identifizierung der Software händisch zu bestätigen. Wichtig zu wissen: Die künstliche Intelligenz soll den Menschen nicht wegrationalisieren, sondern seine Arbeit erleichtern. Übernimmt der Service die körperlich anstrengende Inaugenscheinnahme und die Klassifizierung, kann sich der Mensch auf die Bestätigung des Vorschlags konzentrieren und so seine Kräfte schonen.

Das Projekt in Kürze

Migros, Micarna und Microsoft Ausgangslage Die repetitive und körperlich anstrengende Klassifizierung von Schlachtprodukten soll durch künstliches Sehen ersetzt werden. Lösung Training des Custom-Vision-Algorithmus aus der Dienstefamilie Cognitive Services von Microsoft. Basis dafür bildeten mit Inhaltsinformationen versehene Bilder einer am Förderband installierten Videokamera. Nutzen Durch automatisierte Bildklassifizierung auf KI-Basis entfällt der körperlich belastende Entscheidungsprozess durch den Menschen. Er kann sich ergonomieoptimiert auf die Bestätigung der vom System erfolgten Produktklassifizierung konzentrieren. Highlights Algorithmus-Training und -Testing mit durch Metainformationen angereicherten Fotos. Proof of Concept Bildklassifizierung mit künstlicher Intelligenz bei repetitivem Entscheidungsprozess. Standards Custom-Vision-Dienst aus den Cognitive Services von Microsoft.

Algorithmus trainieren

Der Weg dahin ist dabei kürzer, als man vielleicht denken mag: Custom Vision ist für die schnelle Erkennung wesentlicher Unterschiede zwischen Bildern optimiert, sodass bereits anhand einer kleinen Datenmenge mit der Prototyperstellung für das Modell begonnen werden kann. Gemäss Hersteller sind fünfzig Bilder pro Bezeichnung im Allgemeinen ein guter Ausgangspunkt. Custom Vision verwendet dabei einen Machine-Learning-Algorithmus, um Bezeichnungen auf Bilder anzuwenden. Anwender müssen diesem Gruppen von Bildern mit Bezeichnungen übermitteln, auf denen die betreffenden Merkmale vorhanden beziehungsweise nicht vorhanden sind. Es galt für Kott also jetzt, Bildmaterial von Produkten mit den richtigen Produktinformationen zu versehen. IT-Logix trainierte anschliessend mit den erhaltenen Bild- und Metadaten-Informationen die in der Microsoft-Cloud zur Verfügung stehende Infrastruktur auf die konkrete Anforderung.

Machbarkeit nachgewiesen

«Dass das System funktioniert, konnte gemeinsam mit IT-Logix bereits gezeigt werden», sagt Kott. «Jetzt muss das Material weiterbearbeitet werden, um eine Verfeinerung der Resultate zu erreichen.» Der Algorithmus wird dazu mit den vorhandenen Daten weiter trainiert und berechnet seine eigene Genauigkeit, indem er selbst Tests anhand der Bilder durchführt. Nachdem der Algorithmus trainiert ist, kann man ihn erneut testen, die Resultate mit den Klassifizierungen der Mitarbeitenden vergleichen und gegebenenfalls weiter verbessern. Schliesslich besteht die Möglichkeit, den Berechnungsmechanismus gemäss den Anforderungen respektive Bildern weiterer Produkte (Fleischstücke, Gebinde) zu verwenden.

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Mitarbeitende entlastet, nicht ersetzt

Dem Mitarbeiter verbleibt aber auch bei vollem Einsatz des Dienstes immer noch eine qualitative Kontrollfunktion, indem er den Vorschlag des Systems bestätigt und im ERP per Knopfdruck verbucht. Darüber hinaus wird der Mitarbeitende auch noch bei Herausforderungen wie Chargenwechsel benötigt. Die Bildkategorisierung bringt aber auch so für Micarna eine grosse Erleichterung und auch langfristig eine Optimierung der Resultatqualität. Ein weiteres Ziel könnte sein, dass die Angabe des Ziels zur Weiterverarbeitung mittels automatischer Verbuchung von Custom Vision selbst vorgenommen wird. Längerfristig könnten so die gelernten Metzger, die heute für diese Arbeiten eingesetzt werden, für qualitativ anspruchsvollere Arbeiten eingesetzt werden.

Samuel Rentsch, Geschäftsführer und Partner, IT-Logix, Bern und Zürich.

Micarna und IT-Logix

Die beiden Schweizer Akteure Micarna Die Migros-Tochter leistet mit ihren Produkten für täglich über zwei Millionen Konsumenten in der Schweiz und Europa einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg der Migros. Mit über 5000 Produkten und Gesamtlösungen für spezifische Kundengruppen im Inund Ausland ist Micarna absatztechnisch der grösste Schweizer Fleisch-, Geflügel-, Fisch- und Eierproduzent. Das Traditionsunternehmen pflegt aus Überzeugung eine enge Beziehung zur Schweizer Landwirtschaft und anerkennt und fördert den Mehrwert von Schweizer Fleisch. Rund 70 Prozent aller Tiere, die bei Micarna verarbeitet werden, sind Label-Tiere (etwa Terra Suisse, Bio) und geniessen mehr Tierwohl, als durch die strenge Schweizer Gesetzgebung vorgeschrieben ist. www.micarna.ch IT-Logix IT-Logix mit Standorten in Bern und Zürich unterstützt durch die Integration und Auswertung von Daten Unternehmen darin, deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Das inhabergeführte IT-Beratungshaus nutzt dazu ein umfangreiches Wissensnetzwerk, agile Methoden sowie marktführende, innovative Technologien und Werkzeuge, um schnell hochwertige Analytik- und Data-Science-Lösungen umzusetzen. www.it-logix.ch