Das Beratungsgeschäft wird massgeblich von Menschen getragen. Verrechnet werden Stunden und nicht die Ergebnisse. Es gibt neben vielen kleinen und mittelgrossen regionalen Anbietern lediglich eine Handvoll grosse, globale Beratungsunternehmen. Der bisherige Einsatz von Technologie ist, jedenfalls bei der Kundeninteraktion, sieht man vom Einsatz von Zoom, Teams und Powerpoint einmal ab, bescheiden.

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Das Beratungsgeschäft hat gemäss dem Branchenverband Asco alleine in der Schweiz ein Volumen von über 2,2 Milliarden Franken. Weltweit ist es ein dreistelliges Milliardengeschäft – und damit gross und attraktiv genug für die Disruption.

Grosse Wissensasymmetrie

Die Kernfunktionen der Beratung sind Informations- und Erfahrungsvermittlung, Analysen und Erarbeitung von Strategien und die Implementierung der Umsetzung. Was bisher laut den Analysten von CB Insights, einem Marktforschungsunternehmen, vorwiegend «von Hand» gemacht wird, lässt sich zum Teil mit Computerhilfe erledigen. Zudem dauert es wochen-, teilweise monatelang, bis das Ergebnis feststeht – und dann ist es oft bereits wieder durch aktuelle Entwicklungen zumindest partiell obsolet geworden. Schliesslich basiert das Modell auf einer Wissensasymmetrie.

Die ebnet sich zunehmend durch neue, durch die Digitalisierung vorangetriebene Formen der Informationsverarbeitung und Wissensaufbereitung ein. Bei näherer Betrachtung gleichen sich die Ergebnisse der Arbeit der Beratung: KPI identifizieren, eine Strategie formulieren, einen Chief Digital Officer einstellen und ein (weltweites) CRM-System für die Handhabung der Kundenkontakte installieren.

Firmen wie Palantir oder Verint Systems verlagern nach und nach einzelne Aufgaben, die bisher von Menschen übernommen worden waren, auf Computer und KI-Programme. Natürlich haben Beratungsgesellschaften begonnen, ihrerseits moderne Technologien einzukaufen und einzusetzen: McKinsey hatte 2015 die Londoner Firma Quantum Black übernommen; sie sammelt Daten und bereitet sie so auf, dass Menschen damit weiterarbeiten können.

Startups mit den Kunden

Bain hat mit Vector ein digitales Framework entwickelt, mit dem die Kunden mit Daten beliefert werden, bevor die Beratung einsetzt. Und die Digital-Ven-tures-Tochterfirma von Boston Consulting Group (BCG) unterstützt Firmen beim Ausprobieren neuer Ideen sowie bei der Analyse von Marktumfeld und -potenzialen. «Die wichtigste Daseinsberechtigung für Berater ist das Vordenkertum: Wie sieht eine Industrie in zwei bis fünf Jahren aus, wie muss man sich heute aufstellen, um auch in Zukunft noch relevant für den Kunden und besser als die Konkurrenz zu sein – und was sind mögliche Szenarien gerade in so turbulenten Zeiten wie heute?», sagt Daniel Kessler, Schweiz-Chef von BCG.

Berater müssen ein viel breiteres Spektrum an Dienstleistungen anbieten.

Innovation, Strategiedefinition, die Unternehmenskultur und Unternehmenstransformationen würden im Kern immer von Menschen bestimmt, die sich gegenseitig mit ihren Fähigkeiten ergänzten und vertrauten – strategischen Partnern, mit denen Sparring betrieben und das eigene Denken herausgefordert werden könne. «Auch braucht es Menschen, um bei Veränderungsprozessen das Unternehmen und die Mitarbeitenden mitnehmen zu können und ihnen Orientierung zu geben sowie einen authentischen und inspirierenden ‹Purpose› in einer Organisation zu verankern», sagt Kessler.

Es gebe heute kaum noch Projekte ohne Digitalisierungskomponente. «Deshalb haben wir auch systematisch neue Geschäftsbereiche entwickelt, die Hand in Hand gehen mit klassischen Beratungsdisziplinen», sagt Kessler. BCG Digital Ventures helfe Grosskonzernen, neue, Startup-ähnliche innovative Geschäftsmodelle zu bauen, BCG Gamma kombiniert die Analyse grosser Datensätze mit künstlicher Intelligenz, BCG Platinion entwickelt IT-Strategien und -Architekturen. «Und wir sehen immer mehr erfolgs abhängige Honorare und bieten sie schon seit Jahren an», so Kessler. «Gerade in Programmen, wo wir Kunden in echter Partnerschaft länger begleiten und wo der Erfolg klar zuorden- sowie messbar ist.»

«T-förmige» Experten sind gefragt

«Ich sehe drei Veränderungen beim Beratungsgeschäftsmodell», sagt Robert Ballantine, Advisory Partner bei PwC Schweiz. Erstens entwickelten die Beratungshäuser derzeit ihre eigenen digitalen Produkte und gingen so an den Markt. «So haben wir bei PwC ein medizinisches Gerät entwickelt, um die Behandlung von MS zu unterstützen», so Ballantine.

Zweitens müsse man ein viel breiteres Spektrum an Dienstleistungen als bisher anbieten, die sogenannte Full Service Digital Transformation. «Das bedeutet, dass unsere Kern-Beratungsdienstleistungen um neue Disziplinen ergänzt werden, beispielsweise um kreative Dienstleistungen und Produktdesign», sagt Ballantine. «Drittens müssen wir uns neue As-a-Service-Modelle anschauen, bei denen Expertise auf Abonnement- oder Bedarfsbasis anstatt auf Basis einzelner Projekte angeboten wird.»

Wissensvorsprung basiere auf der Expertise von Mitarbeitenden. «Doch funktionale Expertise allein reicht nicht mehr aus, da immer mehr Beratungsprojekte inhärent digitales Know-how erfordern, bei dem es um Kundenerfahrung, Data Science und neue Technologien geht», erklärt Ballantine. «Daher müssen sich unsere Berater zu ‹T-shaped experts› entwickeln. Das bedeutet, dass sie hochspezialisiert sind, jedoch vielseitig eine Affinität zu allen digitalen Disziplinen aufweisen.»

Unternehmensstrategien müssten, ausgehend von neuen Erkenntnissen zu Veränderungen und Implementierungen, in der Lage sein, veränderte Anwendungsbereiche zu berücksichtigen. «Dies mit einer agilen Einstellung und laufend nach neuen Erkenntnissen suchend, um den Blick für das Wesentliche zu schärfen», glaubt Ballantine. «Entscheidend ist dabei ein organisatorischer Aufbau, der eine schnelle Reaktion ermöglicht.»