Schuld sind die Sonne, der Mond und die Sterne – denn sie bestimmen den Lauf der Zeit. Jedenfalls hat die Menschheit seit je ihre Zeitmessung auf Himmelsbeobachtungen abgestimmt. Und aus dem Versuch, die himmlischen Zyklen in eine irdische Ordnung zu bringen, entstanden die ersten Kalender – zunächst primitive, dann erstaunlich präzise Systeme für das Bestimmen der Tage, Monate und Jahre.
Die Uhrmacherei wiederum übersetzte die Erkenntnisse der alten Astronomen in das mechanische Zusammenspiel von Zahnrädern, Trieben und Hebeln – am aufwendigsten in den sogenannten Ewigen Kalendern, einer Königsdisziplin der Haute Horlogerie. Die Herausforderung dabei: Monate sind nicht immer gleich lang, alle vier Jahre gibt es zudem ein Schaltjahr – das alles muss in das Werk einprogrammiert sein.
Oechslins Credo: Mehr Hinrschmalz, weniger Zahnräder. Radikal einfach.
Doch der Reihe nach: Zu den ersten und einfacheren Komplikationen zählt die schlichte Datumsanzeige einer Uhr. Das Datum wird dabei entweder von einem Zeiger aus der Mitte angezeigt oder erscheint in einem Fensterchen auf dem Zifferblatt. Solche Anzeigen finden sich bereits bei astronomischen Uhren des 16. Jahrhunderts.
Ein legendäres Beispiel moderner Datumsuhren ist die Rolex Datejust. Ihren Namen trägt sie, weil das Datum um Mitternacht blitzschnell – oder eben just in time – wechselt. Nicht weniger berühmt ist das Modell Day-Date, das zusätzlich den Wochentag von Montag bis Sonntag anzeigt – wahlweise in 26 Sprachen.
Bei herkömmlichen Uhren mit Datumsanzeige muss allerdings am Monatsende manuell korrigiert werden, wenn der Monat nur 30, 29 oder 28 Tage hat. Diese Korrektur erspart der sogenannte Jahreskalender: Er «weiss» gewissermassen selbst, wie viele Tage jeder Monat hat. Nur einmal im Jahr – am Ende des Februars – muss der Besitzer oder die Besitzerin das Datum manuell weiterschalten.
Die Raffinesse hat ihren Preis
Wer sich auch diese Mühe des Nachstellens ersparen will, wählt den Ewigen Kalender. Diese Komplikation korrigiert das Datum am Monatsende automatisch – auch im Februar und in Schaltjahren. Der Ewige Kalender zählt zu den komplizierteren Stücken der Haute Horlogerie, meist verfügt er zusätzlich über eine Schaltjahresanzeige, zeigt Wochentag, Monat und Jahreszahl an und ist häufig mit einer Mondphasenanzeige kombiniert. So viel Raffinesse hat allerdings ihren Preis. Denn sie ist technisch eine Herausforderung. Warum? Ganz einfach, weil es rein mechanisch passiert – ohne Elektronik, ohne Computer, nur durch Räder, Hebel, Federn und präzise Geometrie. Jede falsche Toleranz oder falsche Spannung würde zu einem fehlerhaften Sprung führen. Von «uhrmacherischen Delikatessen» spricht deshalb Uhrenkenner und -buchautor Gisbert Brunner, und die Internetuhrenplattform Hodinkee sieht es ähnlich: «Der Ewige Kalender ist unbestritten die höchste Komplikation bei Kalenderuhren. Die Fähigkeit, rein mechanisch so viele Zeitanzeigen zu verwalten, ist das Markenzeichen feinster Uhrmacherkunst.»
Einer, der dem nicht widersprechen würde, ist wohl IWC-Uhrmachermeister und Branchendoyen Kurt Klaus. In den frühen 1980er-Jahren erhielt er einen Auftrag, der Uhrmachergeschichte schrieb: Er sollte einen Ewigen Kalender konstruieren, der auch noch einen Chronographenmechanismus enthält. «Manchmal muss man bei solchen Aufgaben sozusagen mit dem Kopf durch die Wand», sagte er später dazu – aber er schaffte es: 1985 präsentierte IWC an der Basler Mustermesse das legendäre Modell Da Vinci, einen der Meilensteine, der das Revival der mechanischen Uhr einläutete. Und damals eine Sensation.
IWC legt noch ein Brikett obendrauf
Es sollte nicht dabei bleiben. Letztes Jahr trieb es IWC auf die Spitze und präsentierte mit ihrer vielsagend Eternal Calendar genannten Neuheit eine Komplikation, die man nur selten antrifft: den säkularen Kalender, auch Jahrhundertkalender genannt (zum Verständnis: Ewige Kalender heissen auf Englisch Perpetual Calendar). Die Besonderheit des Zeitmessers von IWC: Er berücksichtigt sogar die Korrekturen, die Papst Gregor XIII. 1582 dekretierte, um den menschlichen Kalender dem tatsächlichen Sonnenjahr anzupassen. Demnach wird bei Jahren am Ende eines vollen Jahrhunderts, also bei Jahren mit zwei Nullen am Ende, das Schaltjahr übersprungen und kein 29. Februar angezeigt – sofern die Jahreszahl nicht ohne Rest nach dem Komma durch 400 teilbar ist. Wir werden dies nächstes Mal im Jahr 2100 erleben.
Die Mondphasenanzeige ist bei der Uhr rekordverdächtig akkurat – sie weicht erst nach 45 Millionen Jahren um einen Tag ab.
Klingt kompliziert und ist es auch – jedenfalls wenn man es in eine mechanische Uhr implementieren muss. Und beim Eternal Calendar legte IWC noch ein Brikett obendrauf: Auch die Mondphasenanzeige ist bei der Uhr rekordverdächtig akkurat – sie weicht erst nach 45 Millionen Jahren um einen Tag ab (das ist kein Druckfehler). Bei einfacheren Uhren mit Mondphase ist dies nach drei Jahren der Fall, bei komplizierten nach 122 Jahren. Kein Wunder, erhielt die IWC-Preziose 2024 am Grand Prix de l’Horlogerie den Hauptpreis und wurde überdies ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen.
Zu den Platzhirschen der Disziplin gehört von jeher die Genfer Luxusmarke Patek Philippe – auch dieses Jahr hat sie ihren Ruf als leuchtender Fixstern am Himmel der Haute Horlogerie bestätigt: Die Referenz 5308 G kombiniert Minutenrepetition, Schleppzeigerchronograph und springenden Ewigen Kalender in einem Kaliber. Mit springendem Kalender ist gemeint, dass die Scheiben für Datum, Wochentag und Monat innerhalb von 30 Millisekunden, also blitzschnell, an die richtige Position springen – andere brauchen dafür gefühlt eine Ewigkeit.
Im Olymp des Luxus hat seit einigen Jahren auch die Marke Parmigiani Platz genommen – dieses Jahr mit dem eleganten Ewigen Kalender Toric QP. Besonderes Kennzeichen: Das Kalendarium ist sehr puristisch gestaltet und ausgesprochen gut ablesbar. Wer so etwas sucht, braucht allerdings auch eine strapazierfähige Kreditkarte: 92’000 Franken stehen auf dem Preisschild.
Alles in allem bleibt der Ewige Kalender eben eine Spezialität – angeboten von wenigen Marken, darunter Jaeger-Lecoultre (mit dem Master Ultra Thin Perpetual Calendar) oder Audemars Piguet (mit dem Audemars Piguet Royal Oak Perpetual Calendar). Aber auch Breitling (B19 Chronograph Perpetual Calendar) ist dabei. Oder – als Preisbrecher – Frederique Constant, dessen Classic Perpetual Calendar Manufacture für 9995 Franken zu haben ist.
Eine eigenwillige Lösung legt der talentierte Uhrmacher Ludwig Oechslin vor. Sein Credo: Mehr Hirnschmalz, weniger Zahnrädchen. Sein Vorgehen: radikale Vereinfachung in einer verblüffend intelligenten Lösung. Seine Uhr: der Ewige Kalender von Ochs und Junior.
Oechslin, der gelernte Uhrmacher und promovierte Altertumswissenschafter, gilt als origineller Denker unter den Konstrukteuren. Wo andere Marken für einen Ewigen Kalender auf mehrere Dutzend Komponenten setzen, begnügt er sich mit neun zusätzlichen und drei modifizierten Teilen.
Alle Kalenderangaben werden dabei über Punkte oder Perforationen im Zifferblatt dargestellt – es gibt dafür weder Ziffern noch Fenster noch Zeiger. Kein barockes Schnörkelwerk also, sondern ein Muster an Klarheit. Und das passt bestens zum Genre: Am Ende sind Ewige Kalender nichts anderes als der Versuch, das komplexe Meccano des Universums klar lesbar in die Uhr zu bringen.

