Die Elektroroller Niu MQi GT und Uno im Test

Motorroller stellen die Geduld von Stadtbewohnern auf eine harte Probe. Vor allem dann, wenn sie im Sommer knatternd und stinkend durch die Strassen ziehen. Doch inzwischen werden die Zweiräder immer häufiger von Elektromotoren angetrieben und gleiten ohne Abgase und fast lautlos über den Asphalt. E-Roller werden immer beliebter. Für Städte ist das eine echte Entlastung, auch weil die Parkplatzsuche mit dem Auto entfällt. Und langsamer ist man mit den Rollern in der Stadt nicht, auch wenn die Geschwindigkeit auf 45 Stundenkilometer gedrosselt ist. Die Zweiräder kann man mit einem normalen Führerschein fahren. Die WELT AM SONNTAG hat die aktuellen Modelle des Berliner Start-ups Unu Motors und des chinesischen Herstellers Niu getestet. Design Der Niu MQi GT sieht aus wie ein klassischer Motorroller. Der Sitz ist 78 Zentimeter lang, und so passen Fahrer und ein zusätzlicher Fahrgast bequem drauf. Es gibt ein Display am Lenker, das relativ klar in grossen Ziffern Geschwindigkeit, den Ladestand der Akkus, den eingestellten Fahrmodus und die Uhrzeit anzeigt. Am Lenker befinden sich Knöpfe für Licht, Hupe, Lichthupe und Fahrmodus-Auswahl. Sogar einen Tempomaten und ein Warnblinklicht gibt es. Der Roller hat zwar einen Schlüssel, doch der betätigt nur das Lenkradschloss und öffnet die Sitzbank. Gestartet wird der Niu MQi GT mit einer kleinen Fernbedienung, die auch die Alarmanlage ausstellt. In einem kurzen Test gab die allerdings nur leise Töne von sich. Unter dem Lenker gibt es einen USB-Anschluss, über den beispielsweise ein Smartphone geladen werden kann. Die Räder haben einen Durchmesser von 35 Zentimetern, was für einen Roller eher gross ist. Das gibt ungeübten Rollerfahrern auf der Strasse mehr Sicherheit. Mit 115 Kilogramm ist Niu in diesem Vergleich ein Schwergewicht. Der Unu-Roller wiegt hingegen nur gut 92 Kilogramm. Und er ist minimalistisch ausgestattet. Der Lenker hat ein kleines quadratisches Display, das in etwas bescheidenerer Form die Uhrzeit, den Kilometerstand, die Geschwindigkeit und den Akkustand anzeigt. Am Lenker gibt es nur drei Knöpfe zum Öffnen der Sitzbank, für die Hupe und den Blinker. Das war es aber auch schon. Leider stellt sich nach der Kurvenfahrt der Blinker nicht wie beim Niu-Roller wieder aus. Man muss ihn manuell wieder deaktivieren. Es dauert ein wenig, sich daran zu gewöhnen. Der Unu-Roller hat keinen Schlüssel, sondern eine Chipkarte, die kurz an das Display gehalten wird. Dann braucht es allerdings noch einige Sekunden, bis der Roller einsatzbereit ist. Zwar ist der Unu-Sitz mit 73 Zentimetern nicht ganz so lang, aber es passen trotzdem zwei Erwachsene darauf, die Fussstützen für den Fahrgast können eingeklappt werden. Während die erste Generation des Unu-Rollers noch ein Vespa-Retro-Design hatte, sieht die zweite Generation eher futuristisch aus und entfernt sich von einem klassischen Motorroller-Look. Leider gibt es nur einen Seitenständer. Akku und Reichweite Der Niu-Roller wird mit zwei Lithium-Ionen-Akkus unter der Sitzbank ausgeliefert, die jeweils eine Kapazität von knapp 1,5 Kilowattstunden haben. Zwar wiegen sie jeweils elf Kilogramm, aber sie haben einen ausklappbaren Henkel, sodass sie sich gut tragen lassen. In der Wohnung werden sie dann innerhalb von 4,5 Stunden wieder komplett aufgeladen. Im Grossraumbüro ist das nicht zu empfehlen, denn der Lüfter des Ladegeräts ist sehr laut. Alternativ können die Batterien auch im Scooterbeispielsweise in der Garage geladen werden. Beide sind mit dem Scooter über einen Stecker verbunden, sie werden also gleichzeitig entladen. Im Test sind wir mit einer Ladung 75 Kilometer weit gekommen. Danach erreichte der Batteriestand 15 Prozent, was den Scooter automatisch in den e-Safe-Modus schaltet, bei dem die Geschwindigkeit auf 25 Kilometer pro Stunde gedrosselt wird. Dann ist es vorbei mit dem Fahrspass, und man schleicht nach Hause. Uns erwischte das ausgerechnet auf der linken Fahrbahn einer vierspurigen Strasse in Berlin. Im Unu-Roller steckt nur ein knapp elf Kilogramm schwerer Akku mit 1,68 Kilowattstunden, ein zweiter kann aber hinzugekauft werden. Für beide Akkus gibt es Einschübe unter der Sitzbank. Leider ist nur ein Akku tatsächlich mit dem Scooter verbunden. Ist er leer, müssen die Akkus manuell ausgetauscht werden. Das ist zwar schnell gemacht. Besser aber wäre es, wenn beide Akkus zugleich Strom abgeben würden. Wir sind mit einer Akku-Ladung gut 35 Kilometer weit gekommen, Unu gibt eine Reichweite von 50 Kilometer an. Wir wären sicherlich auch weiter gekommen, wenn sich der Akku nicht so schnell im Stand entleeren würde. Im Test hatte er nach sechs Tagen im Stand fast ein Drittel seiner auf dem Display angezeigten Leistung verloren. Nach einem weiteren Ladezyklus fehlten nach drei Tagen Nichtnutzung 20 Prozent der Akku-Ladung. Im Ladegerät ist der Akku nach sieben Stunden wieder voll. Das Aufladen immerhin läuft geräuschlos, es gibt keinen Lüfter. An der Oberseite des Akkus zeigt ein LED-Ring den aktuellen Ladestand. Während der Niu-Roller neben seinen Akkus kaum noch Platz lässt, können im Unu-Roller neben den beiden Batterien sogar noch zwei Helme verstaut werden – oder eben ein vollgepackter Rucksack. Im Alltag ist das ein wirklich grosser Vorteil. Fahrgefühl Beide Roller-Modelle haben einen Bosch-Motor am Hinterrad. Die Dauerleistung des Niu beträgt 3000 Watt, beim Unu sind es 2700 Watt. Damit schaffen beide Modelle eine gute Beschleunigung, auch mit einer Ladung von zwei Personen. Der Unu zieht jedoch etwas härter an, was bei Alleinfahrern nicht unbedingt angenehmer ist. Hier reagiert die Beschleunigung sehr sensibel, während der Niu etwas behäbiger ist, was aber auch an seinem höheren Gewicht liegen kann. Den Unu-Roller gibt es aber auch mit einem schwächeren Motor. Wer meist allein unterwegs ist, dürfte damit gut bedient sein. Insgesamt fährt sich der Niu-Scooter etwas satter als der Konkurrent aus Berlin. Der Niu hat neben seinem langsamen e-Safe-Modus noch einen Dynamic- und einen Sport-Modus. Hier konnten wir aber keinen Unterschied feststellen. Niu verkauft den Roller aber auch in einer Variante, die 70 Kilometer pro Stunde schnell ist. Hier spielen die Modi eine Rolle – der Dynamic-Modus liefert bis zu 55 Kilometer pro Stunde, der Sport-Modus die Höchstgeschwindigkeit. Beim langsameren Niu ist der Motor gedrosselt, sonst sind die Modelle nicht zu unterscheiden. Die Tatsache, dass der Niu auch für eine schnellere Version ausgelegt ist, könnte für den stabileren Eindruck sorgen. Zusatzfunktionen Der Unu-Roller hat technisch die Voraussetzungen für viele Zusatzfunktionen. Leider gibt es sie noch nicht. Der Scooter ist mit einer Vodafone-Karte zwar im Mobilfunknetz eingebucht. Doch sie hat keinen Nutzen, denn die Berliner bieten noch keine Unu-App für das Smartphone. Die soll irgendwann kommen. Ob dies noch in diesem Jahr geschieht, ist unklar. Einige Funktionen hatte Unu schon angekündigt, darunter das Starten des Rollers per App, das Orten des Fahrzeugs, eine Wegenavigation, einen Diebstahlalarm und die Möglichkeit, einen digitalen Schlüssel über die App zu teilen. Die App für den Niu MQi GT hingegen ist ausgereift. Der Roller kann jederzeit auf einer Karte geortet werden. Ablesbar sind auf dem Smartphone auch der Akku-Stand, die geschätzte Reichweite und alle bisherigen Fahrtstrecken, nachvollziehbar auf einer Karte. Ausserdem lässt sich mithilfe der App die Alarmfunktion ein- und ausschalten. Auch das Starten des Rollers sollte eigentlich in der App möglich sein. Im Test hat das jedoch nicht funktioniert. Eine Frage an den Support, die aus der App möglich ist, blieb unbeantwortet. Sollte der Roller eine unerlaubte Bewegung registrieren, bekommt der Nutzer eine Push-Benachrichtigung. Im Test ist das sogar geschehen, als sich ein Rabe auf dem Lenker niedergelassen hatte. Die Sensibilität der Bewegungserkennung kann man aber anpassen. Fazit Insgesamt ist der Niu MQi GT deutlich ausgereifter als der Unu-Roller, auch wenn das Design aus Berlin für viele ansprechender sein dürfte. Doch beim Unu fehlen noch wichtige Zusatzfunktionen, die über eine App zugänglich wären – die es aber eben noch nicht angeboten werden. Der Niu-Scooter ist stabiler, fährt mit seinen grossen Rädern sanfter und bietet für Fahrer und Fahrgast mehr Platz zum Sitzen. Darüber hinaus sind es viele Kleinigkeiten, die dem Niu-Scooter einen Vorteil gegenüber dem Unu-Roller verschaffen: Der Blinker stellt sich nach der Kurvenfahrt automatisch aus, es gibt eine Lichthupe, ein Warnblinklicht, einen Tempomat, eine USB-Ladebuchse für das Smartphone, und das Display ist grösser und besser integriert. Zudem wird der Niu-Scooter mit zwei Akkus und einer Reichweite von 70 bis 80 Kilometer geliefert, die auch wirklich zu schaffen sind. Im Unu-Roller ist nur ein Akku mit maximal 50 Kilometer Reichweite dabei, die wir auch nach mehreren Aufladezyklen nicht erreichen konnten. Trotzdem ist der Unu-Roller mit 3999 Euro - rund 4300 Franken - deutlich teurer als der Niu MQi GT, der 3399 Euro, also rund 3600 Franken, kostet. Ein zweiter Unu-Akku würde den Preis des Berliner Scooters sogar über 5000 Franken heben. Der grösste Vorteil von Unu: Unter der Sitzbank gibt es viel Stauraum. Dieser Artikel erschien zuerst im Bezahlangebot der «Welt» unter dem Titel: Alternative zum Auto? Nur ein E-Roller hat das Zeug dazu

Die Elektroroller Niu MQi GT und Uno im Test

Nur ein E-Roller hat das Zeug zur Auto-Alternative