Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag hat Russland zu rund 50 Milliarden Dollar Schadenersatz an Ex-Aktionäre des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos von Michail Chodorkowski verurteilt.

Die Kläger der Yukos-Aktionäre, die unter anderem vom Schweizer Anwalt Charles Poncet von CMS von Erlach Poncet vertreten wurden, haben damit aber nur ungefähr die Hälfte der von ihnen geforderten Summe zugesprochen erhalten.

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Steuerpflicht umgangen, vom Staat gegängelt

Dies unter anderem darum, weil Yukos Steuerschlupflöcher für benachteiligte russische Regionen missbrauchte, um möglichst wenig dem Staat abzuführen. Mit welchen Methoden dies geschah, beschrieb der Journalist Viktor Timtschenko in seinem Buch «Chodorkowski – Legenden, Mythen und andere Wahrheiten» detailliert.

Andererseits hielt das Gericht fest, dass der erzwungene Verkauf der Yukos-Anteile an Firmen wie Rosneft getürkt war und die horrenden Steuernachforderungen, die zum Untergang von Yukos führten, nur darum zustande kamen, weil das Steuergesetz von den Behörden «extrem formalistisch» angewandt wurde. Das Ziel der Steuerforderungen habe alleine darin bestanden, die Firma zu zerstören.

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow schloss in Moskau nicht aus, dass sein Land das Urteil juristisch anfechten werde, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, heisst das für die Kläger aber noch lange nicht, dass sie ihre Milliarden auch sehen werden. Der russische Staat wird sich auf seine Souveränität berufen.

Die Anwälte von Yukos kündigen bereits an, in diversen Ländern mit Klagen einzufahren. Dabei würden auch staatsnahe russische Firmen, die vom Yukos-Zerfall profitierten, ins Visier genommen. Dazu gehört etwa Rosneft. Gerade für Klagen in den USA sind die Anwälte optimistisch und verweisen auf das kürzlich ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofs, das es Hedgefonds erlaubt, Milliarden Dollar gegenüber dem südamerikanischen Staat Argentinien einzuziehen. 

Yukos-Aktionär mit schwarzer Vergangenheit

Eine Gruppe ehemaliger Yukos-Aktionäre forderte von der Regierung in Moskau ursprünglich gegen 114 Milliarden Dollar Entschädigung, weil sie nach eigenen Angaben durch die Auflösung des einst von Regierungskritiker Michail Chodorkowski kontrollierten Konzerns viel Geld verloren hätten.

Unter den Klägern befindet sich auch Vasily Shakhnovsky, der in der Schweiz lebt. Weiter machte Chodorkowskis Intimus und PR-Chef Leonid Newslin Milliarden geltend – nach dem Urteil hat er 33 Milliarden zu Gute. Newslin lebt inzwischen in Israel und beantragte die israelische Staatsbürgerschaft. Grund: Er wurde in Russland in Abwesenheit in Zusammenhang mit einem Mordfall rechtskräftig verurteilt und international gesucht.

Neues Leben für «Offenes Russland»?

Sollte Newslin die Milliarden einziehen können, so dürfte er die Stiftung «Offenes Russland» wiederbeleben, spekuliert «The American Lawyer». Diese Stiftung gehört zur Legende, dass Chodorkowski mit ihr Russland demokratischer machen wollte. Als Zweck stand, sie sei «der Freiheit und Demokratie verpflichtet» und ihre Tätigkeit auf «den Aufbau der Zivilgesellschaft in Russland gerichtet» sowie politisch neutral und keiner Partei verpflichtet.

In Wahrheit diente die Stiftung dazu, Chodorkowski in der Öffentlichkeit weisszuwaschen, beziehungsweise sein schlechtes Image als Oligarch zu korrigieren und die ihm genehmen Parteien zu unterstützen: «Subjekt der PR-Strategie ist Michail Chodorkowski, geistiger Anführer der russischen Jugend», hiess es in einem internen Strategiepapier.

Auch sollte eine «Anpassung der Bevölkerung an das neue wirtschaftliche Umfeld» erreicht werden – die schummrigen Privatisierungen der 90er-Jahre der Oligarchen unter Präsident Jelzin sollten akzeptiert werden. Unterstützt wurden nur die Parteien Jabloko und SPS. Alles Ziele, die die Stiftung nicht öffentlich erklärte – aber durch veröffentlichte interne Dokumente inzwischen belegt sind.