Die 400 Jahre alte Schweizer Uhrenindustrie steht vor einer ernsthaften Bedrohung. Das gilt, wenn US-Konzern Apple schon in kurzer Zeit 20 bis 30 Millionen Apple-Watches pro Jahr absetzen sollte, wie es Elmar Mock, der Miterfinder von Swatch derzeit prognostiziert.

Das Alpenland exportierte im Jahr 2014 28,6 Millionen Uhren. Die Apple Watch wird ab April zu haben sein, ab 349 Dollar für ein Sport-Modell, 549 Dollar für eine Mittelklasse-Version und 10'000 Dollar für das goldene Spitzenklassmodell Apple Watch Edition.

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Bedrohung unterschätzt

«Apple wird schnell erfolgreich sein», sagt der 61- Jährige, der in den 80er Jahren an der Entwicklung der enorm erfolgreichen Swatch beteiligt war. Das werde die traditionelle Uhrenindustrie und damit die Beschäftigung in der Schweiz unter grossen Druck setzen. Zwar tasten sich manche Schweizer Marken wie Tissot, TAG Heuer oder Montblanc an den Smartwatch-Markt heran, insgesamt aber habe die Branche die Bedrohung unterschätzt, erklärt Mock: «Alle guten Uhren, die irgendwo zwischen 500 und tausend Franken kosten, sind wirklich in Gefahr», sagt er. Er sehe eine «Eiszeit» kommen.

Aus der Schweiz stammt, gemessen am Wert, mehr als die Hälfte der weltweiten Uhren, während es gemessen an der Stückzahl nur ein Bruchteil ist, erklärt Rene Weber, Analyst bei der Bank Vontobel AG. Apple strebe wohl eine ähnliche Position an, sagt Mock, der bei Creaholic arbeitet, einer 1986 gegründeten Beratungsfirma.

Schweizer Uhrenindustrie nicht unverwundbar

Zwar ist «Swiss Made» zum Qualitätssiegel geworden, trotzdem ist die Uhrenindustrie des Landes keinesfalls unverwundbar. In den 70er und 80er Jahren gingen 60.000 Arbeitsplätze verloren, weil die Schweizer Hersteller die Nachfrage nach Quartzuhren von japanischen Herstellern wie Seiko unterschätzt hatten. Der Erfolg der Swatch, einer Plastikuhr für den Massenmarkt, hielt die Fabriken am Laufen und trug dazu bei, dass sich die Branche wieder erholte.

«Es erinnert mich leider zu stark an die Quartzkrise», sagt Mock, «bis jetzt haben die Uhrenmacher die gleichen Fehler gemacht wie damals. Wir haben viel Arroganz in der Schweizer Uhrenindustrie gesehen in den letzten paar Jahren.» Die Smartwatch sei als Spielerei abgetan und nicht ernst genommen worden.

Mock erwartet, dass der neue Wettbewerb die niedrigen und mittleren Preissegmente am stärksten treffen wird. Spitzenmarken werden kurzfristig leiden, aber nur bei den Einsteigerprodukten, prognostiziert er.

Spitzenuhren als sichtbares Zeichen von Reichtum

«Ähnlich wie bei einem Luxusauto werden Spitzenuhren als sichtbares Zeichen von Reichtum gekauft», sagt Deborah Aitken, Analystin bei Bloomberg Intelligence. «Die digitale Revolution hat der Nachfrage nach mechanischen Luxusuhren bislang kaum Abbruch getan.»

Schlimmstenfalls würde die Einführung der Apple Watch den Jahresumsatz der Swatch Group AG, dem grössten Schweizer Uhrenhersteller, um sechs Prozent senken, schrieben Barclays-Analysten. Die 18 Marken des Konzerns decken die gesamte Preis- Bandbreite ab, bis hin zu Uhren von Breguet oder Blancpain, die mehr als 100'000 Dollar kosten können.

Smartwatch-Pläne der Uhrenbranche

Während Spitzenhersteller wie Rolex oder Patek Philippe noch keine Smartwatch-Pläne bekanntgegeben haben, bereiten sich drei börsennotierte Produzenten Schweizer Uhren bereits darauf vor, solche Produkte anzubieten.

Die Swatch Group, zu der auch Marken wie Omega und Tissot gehören, hat mitgeteilt, dass sie dieses Jahr eine Smartwatch vorstellen wird. Das Gerät wird über eine Technologie namens NFC kommunizieren und mobile Bezahlung ermöglichen, hatte CEO Nick Hayek am 5. Februar gesagt.

TAG Heuer, eine Schweizer Marke des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton SA, will noch vor Jahresende eine Smartwatch auf den Markt bringen, die GPS und Gesundheitsüberwachungsfunktionen anbieten wird. Diese wird jedoch laut Jean-Claude Biver, Chef der Uhrensparte von LVMH, keine «Swiss-made»-Kennzeichnung tragen, weil der Hersteller die Technologie nur mir Hilfe von Partnern außerhalb der Schweiz produzieren kann.

Montblanc aus dem Konzern Cie. Financiere Richemont SA hat angekündigt, im Juni ein wechselbares Uhrarmband namens e-Strap herauszubringen. Dieses soll die Aktivitäten seines Trägers verfolgen und helfen, via Bluetooth-Technologie das Handy seines Besitzers zu finden.

«Wir haben die Technologie»

«Grundsätzlich haben wir die Technologie, und die Schweizer Uhrenindustrie hat den Wettkampf nicht verloren», erklärt Mock. «Ich hoffe aber, dass das Top-Management der Firmen richtig reagiert. Apple wird nicht sterben, wenn die Smartwatch nicht erfolgreich ist. Aber in den nächsten zwei bis drei Jahren wird ein Teil des Schweizer Uhrenmarktes stark leiden.»

(bloomberg/ccr)