Der Negativzins der Schweizer Nationalbank (SNB) gilt ab heute. Der Griff von SNB-Präsident Thomas Jordan zu diesem Mittel zeigte bereits Folgen: Credit Suisse und die Privatbank Lombard Odier haben angekündigt, Strafzinsen für ihre Grosskunden einzuführen. Die Migros Bank denkt laut darüber nach, Postfinance, UBS und die Zürcher Kantonalbank halten einen solchen Schritt offenbar ebenfalls für möglich.

Mit der Einführung von Strafzinsen kehrt die SNB zurück zu einem klassischen Werkzeug der Geldpolitik. Der Mindestkurs war ein viel unkonventionellerer  – und umstrittener – Weg, um die Währungsstabilität zu gewährleisten. Die Zinsschraube ist dagegen das übliche Steuerungsinstrument. Dennoch sind die Befürchtungen gross, was die Negativzinsen für Folgen haben.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Was hat die SNB genau beschlossen?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 18. Dezember 2014 angekündigt, Negativzinsen auf den 22. Januar 2015 einzuführen. Inhaber eines Girokontos bei der SNB müssen ab diesem Zeitpunkt einen Strafzins von 0,25 Prozent auf einem Teil ihrer Einlagen zahlen. Am 16. Januar hat die SNB diesen Strafzins auf 0,75 Prozent erhöht.

Wer muss diese Strafzinsen zahlen?

Betroffen von der Massnahme sind alle Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter. Die Nationalbank gewährt ihnen jedoch grosszügige Freibeträge. Einlagen unter zehn Millionen Franken oder das 20-fache der gesetzlichen geforderten Mindestreserven müssen nicht verzinst werden. Diese Freibeträge führen dazu, dass die meisten grösseren inländischen Banken voraussichtlich keine Strafzinsen zahlen müssen.

Bisher haben drei Banken erklärt, von den Strafzinsen betroffen zu sein: ZKB, Postfinance und die Vermögensverwaltung Pictet. Postfinance hat Giroguthaben von 40 Milliarden Franken bei der SNB. Rund vier Milliarden Franken davon sind ab heute zinspflichtig, der Rest fällt unter den Freibetrag. Für ausländische Banken und nicht reservepflichtige Institute wie Versicherungen, internationale Organisationen und andere Zentralbanken gibt es keine Freibeträge. Sie müssen mit zusätzlichen Kosten rechnen.

Warum hat die Nationalbank die Negativzinsen eingeführt?

Die Schweizer Nationalbank kämpft seit der Finanzkrise mit verschiedenen Massnahmen gegen die Aufwertung des Schweizer Frankens. Die Einführung von Negativzinsen ist ein weiteres Mittel in diesem Kampf. Die Zinsschraube zählt zum klassischen Instrumentarium der Geldpolitik. Die Nationalbank setzt neu auf diese Massnahme, weil die Beibehaltung des Mindestkurses gemäss SNB zu einer nicht zu verantwortenden Aufblähung der Bilanz der Nationalbank geführt hätte.

Zur Aufwertung tendiert der Schweizer Franken, weil er als sichere Währung in Krisenzeiten gilt. Aktuell sorgen vor allem die Krise in Russland und die verschiedenen Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die Eurokrise dafür, dass der Schweizer Franken stark gefragt ist. Eine Aufwertung des Frankens schadet der Schweizer Exportwirtschaft und dem Tourismus, weil er ihre Produkte gegenüber der Konkurrenz im Ausland verteuert.

Was bedeutet der Begriff «Guthaben-Kommission»?

Der Begriff «Guthaben-Kommission» ist der Fachausdruck für Negativzins. Gemeint ist damit, dass eine Kommission auf ein Guthaben anfällt, der Kunde also für seine Spareinlagen zahlen muss.

Warum hat die Nationalbank die Negativzinsen nicht per sofort eingeführt?

Um Negativzinsen einzuführen, musste die Nationalbank die allgemeinen Geschäftsbedingungen anpassen. Dies kann sie nur unter der Einhaltung einer Frist von einem Monat. Darüber hinaus dürfte die Datumswahl auch darum auf den 22. Januar gefallen sein, weil an diesem Tag die erste zinspolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) stattfindet. An dieser soll über das Paket einer quantitativen Lockerung beschlossen werden, das geeignet ist, den Schweizer Franken weiter aufwerten zu lassen.

Wie genau sollen diese Strafzinsen wirken?

Die Nationalbank verteuert mit der Erhebung von Negativzinsen die Haltung von Liquidität für Banken und andere Finanzmarktteilnehmer. Für Finanzinstitute wird es damit einerseits unattraktiver, neues Geld in Franken anzunehmen, weil dies die Liquidität erhöht. Andererseits wird es für Banken vorteilhafter, das Geld einer anderen Bank auszuleihen.

Folge davon ist, dass die Zinsen auf dem Interbanken-Geldmarkt sinken, was bereits durch die Ankündigung dieser Massnahme geschehen ist. Der 3 Monats-Libor befindet sich seit dem 18. Dezember im negativen Bereich. Banken zahlen also zurzeit dafür, dass eine andere Banken ihnen Geld abnimmt.

Wie sind die Erfahrungen mit Negativzinsen?

Die SNB hat zwar bereits in den 1960er und 1970er Jahren insgesamt vier Mal Negativzinsen verordnet. Die damaligen Massnahmen sind jedoch nicht mit der aktuellen zu vergleichen. Als erste grosse Notenbank hat die EZB Anfang Juni 2014 Negativzinsen auf Einlagen erhoben. Die Erfahrung damit sind bis jetzt positiv. Unklar ist jedoch, wie sich diese Strafzinsen mittel- und langfristig auswirken.

Verschiedene Ökonomen warnen vor unerwarteten Nebenwirkungen. So sei es zum Beispiel denkbar, dass die Banken ihre Zinsen nicht wie erhofft weiter senken, sondern erhöhen, um die zusätzlichen Kosten zu decken. Das hätte negative Folgen für die Schweizer Konjunktur: Eine Kreditklemme würde die Wirtschaft zusätzlich belasten.

Können Negativzinsen in der Wirkung den Mindestkurs ersetzen?

SNB-Präsident Thomas Jordan zeigt sich davon überzeugt. Die aktuell starke Aufwertung des Frankens bezeichnete er als «massives Überschiessen« der Märkte, das sich im Laufe der Zeit korrigieren werde. Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses gab die Nationalbank auch bekannt, dass sie auch künftig am Devisenmarkt intervenieren wolle, sollte der Franken weiterhin stark von seinem wahren Wert abweichen.

Experten zeigen sich jedoch skeptisch, ob ein solches Eingreifen noch genügend Wirkung zeigen wird. Mit der völlig überraschenden Aufgabe des Mindestkurses habe die Nationalbank nämlich an Glaubwürdigkeit an den Märkten eingebüsst.

Was bedeuten die Negativzinsen für die Schweizer Bankkunden?

Gemäss der SNB müssen die Schweizer Bankkunden nicht damit rechnen, dass auch sie in Zukunft für die Hinterlegung von Geld bei den Banken zahlen zu müssen. Denkbar ist jedoch, dass die Banken die Zinsen auf Sparguthaben weiter senken.

Ebenfalls dürfte der Negativzins dazu führen, dass die Hypothekarzinsen weiterhin tief bleiben. Einschneidender für Schweizerinnen und Schweizer wird jedoch sein, dass mit der weiteren Absenkung des Zinsniveaus auch die Verzinsung der Pensionskassengelder sinken dürfte.

(me/sda/ccr)