Deidre steht auf einem Standup-Paddle-Board inmitten des Lake Tahoe. Da klingelt etwas. Ihr iPhone kann es nicht sein – das liegt am Ufer. Aha: Es ist die Apple Watch. Fröhlich nimmt sie ab. Mit dieser mehr oder minder realistischen Szene hat Apple in Live-Schaltung aufs Paddelbrett die neuste Eigenschaft der Apple Watch 3 präsentiert. Diese ist nach dem dritten Anlauf endlich unabhängig vom iPhone. Wer in tiefen Gewässern steht oder die Hände voller Einkäufe hat, kann also künftig am Handgelenk einen Anruf entgegen nehmen.

So begeistert Deidre auf ihrem Standup-Paddle im Werbeclip wirkt, so wenig entspannt dürfte die Schweizer Uhrenbranche die Neuheit aufnehmen. Denn: Nach Aussage von Apple ist die Apple Watch mittlerweile die meistverkaufte Uhr der Welt – und liegt damit noch vor der bisherigen Nummer eins, Rolex, sowie Fossil, Omega und Cartier. Nur: Stimmt das? Apple nennt dafür nämlich keine konkreten Zahlen, worauf diese Liste basieren soll. Seit Lancierung der Apple Watch hat Apple weder Umsatz- noch Stückzahlen bekanntgegeben – anders als bei vorherigen Produkten.

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Führend bei Smartwatches

Dass die Aufstellung nicht so weit weg von der Realität liegen dürfte, zeigen bisherige Einschätzungen. So soll sich Apple laut «NZZ am Sonntag» im Jahr 2015 bereits von null zum zweitgrössten Uhrenproduzenten der Welt entwickelt haben. Geschätzer Umsatz der Apple Watch lag damals bei 4,5 Milliarden Franken. Den Umsatz von Rolex schätzt die «Bilanz» auf etwa fünf Milliarden Franken. Tag-Heuer-Chef Jean-Claude Biver sagte nach der Präsentation von Apples Geschäftszahlen im Mai diesen Jahres zu handelszeitung.ch: «Ich glaube, dass Apple einen Umsatz von ungefähr 4 Milliarden Dollar mit seiner Uhr macht». Und: «Damit sind sie fast so gross wie Rolex und wären die zweitgrösste Uhrenmarke der Schweiz.»

Inzwischen dürfte Apple den Schweizer Luxusuhren-Hersteller tatsächlich bereits überholt haben. Der Marktforschungsfirma Canalys zufolge hat Apple mit der Apple Watch allein im vierten Quartal 2016 rund 2,6 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Wie klar Apple aufgeholt hat, zeigt auch ein Vergleich des Datenportals Statista: Demnach ist Apple bei Smartwatches weltweit klar führend. Im Frühjahrsquartal hat Apple 3,4 Millionen Apple Watches verkauft – das ist mehr als vier Mal so viel wie der Absatz der Nummer zwei im Smartwatch-Geschäft, Erzrivale Samsung.

Swatch- und Richemont-Aktien geben nach

Ob Nummer eins oder zwei: Die Bedrohung für die Schweizer Uhrenhersteller ist da. Das zeigt sich auch an der Börse. Die Swatch-Aktie fiel am Mittwoch bis kurz vor Börsenschluss um rund 3,5 Prozent auf 376 Franken. Auch die Richemont-Titel gaben um 1,35 Prozent nach – obwohl der Konzern am heutigen Tag bekannt gegeben hatte, seinen Umsatz um in den ersten fünf Monaten um zehn Prozent gesteigert zu haben. Zu Richemont gehören Marken wie Cartier, Piaget, Montblanc und IWC.

Nachdem die erste Version der Apple Watch zunächst keine massiven Wellen geschlagen hatte, rechnen Analysten damit, dass die Apple Watch 3 den Uhrenmarkt endgültig dominieren dürfte: Dass die Uhr unabhängig vom iPhone funktioniert, könnte der Game Changer sein, sagte etwa Jon Cox, Analyst bei Kepler Cheuvreux gegenüber Bloomberg. «Im Kampf um das Handgelenk steht eine super Funktionalität den simplen Quartz-Uhren gegenüber. In vielen Fällen wird die Quartz-Uhr verlieren.»

Biver bietet die Stirn

Die Schweizer Exporte von Quartz-Uhren waren Bloomberg zufolge im letzten Jahr bereits auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gefallen. Am meisten betroffen sind laut Rene Weber, Analyst bei der Vontobel, Uhren im unteren und mittleren Segment. Mechanische Uhren im oberen Segment seien von den smarten Uhren derweil weniger betroffen.

Sich der Konkurrenz des US-Tech-Konzerns stellen, will sich Schweizer Smartwatch-Pionier Jean-Claude Biver. Er kündigte kürzlich an, dass seine intelligente Uhr TAG Heuer Connected auch bald eine neue Telefon-Funktion erhalten soll.

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren