Nachfolger des iPhones oder grosser Reinfall? Die Apple Watch spaltet die Meinungen der Apple-Jünger. Apple nennt zwar weiterhin keine genauen Verkaufszahlen. Marktforscher vom US-Unternehmen IDC gehen aber davon aus, dass der Konzern 2015 – seit dem Launch der Apple Watch am 24. April – rund 11,6 Millionen Exemplare verkaufte. In diesem Jahr rechnet KGI Securities Analyst Ming-Chi Kuo sogar nur mit 11 Millionen verkauften Apple-Uhren.

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Das sind weitere schlechte Nachrichten. Am Dienstagabend enttäuschte der erfolgsverwöhnte Konzern die Anleger: Erstmals seit 13 Jahren machte Apple im abgelaufenen Quartal weniger Umsatz. Und eine kurzfristige Besserung ist angesichts der wachsenden Konkurrenz nicht in Sicht. Die Aktie brach nachbörslich um 8 Prozent ein und fiel erstmals seit Februar unter die Marke von 100 Dollar.

Nachfolgemodell mit Mobilfunk-Chip?

Die schwachen Verkaufszahlen zur Apple-Watch spiegeln die Enttäuschung über das Gadget im Netz: Nutzer nennen die Smart Watch einen «Flop», bemängeln, der Prozessor sei nicht schnell genug, die Stromzufuhr unzureichend, die Uhr nur zusammen mit dem iPhone brauchbar. Scheitert Apples Smartwatch tatsächlich endgültig? Nicht unbedingt – denn gerade die hinderliche Abhängigkeit vom iPhone könnte der Apple Watch bald genommen werden.

Einem Bericht des «Wall Street Journals» zufolge soll die zweite Generation der Apple Watch mit einem eigenen Mobilfunk-Chip und einem schnelleren Betriebssystem ausgestattet sein und damit unabhängig vom iPhone werden. Derzeit können Apps, die eine Internetverbindung brauchen, nur in Verbindung mit dem iPhone benutzt werden. Dasselbe gilt für Anrufe über die Uhr. Sollte die Apple Watch eigenständig werden, könnte man also künftig das iPhone zuhause lassen oder ganz darauf verzichten und würde immer noch Benachrichtigungen über die Smartwatch erhalten.

Die Apple Watch 2 wird im Herbst dieses Jahres erwartet. Andrea Brack, Apple-Sprecherin in Zürich wollte die Gerüchte über eine zweite Generation der Apple Watch nicht kommentieren. Zu neuen Produkten kommuniziere man nicht im Vorfeld, sagte sie handelszeitung.ch. Einen ersten Schritt zur Unabhängigkeit der Uhr machte Apple bereits im September letzten Jahres, als der Konzern bekannt gab, dass alle Apps für die Apple Watch ab Juni 2016 unabhängig vom iPhone laufen müssen.

Misserfolg eigentlich recht erfolgreich

Das «Wall Street Journal» merkt an, dass der Apple Watch vielleicht zu Unrecht ein derart negatives Image anhafte. Die Uhr habe sich im ersten Jahr auf dem Markt immerhin doppelt so gut verkauft, wie das iPhone in seinem ersten Jahr – wenn man die Daten des Marktforschers IDC betrachtet. Ausserdem seien 93 Prozent der Besitzer einer Apple Watch zufrieden mit dem Produkt, wie eine Umfrage der Firma Wristly unter 1150 Apple Watch-Nutzern zeigte.

Auch eine Kolumnistin der Nachrichtenagentur Bloomberg findet es zu früh, die Apple Watch als Misserfolg abzustempeln. Sie findet jedoch, dass der Vergleich zum iPhone hinkt: Der Markt für Smartphones sei heute fast zehn Mal grösser als 2007 und die Produkte würden nach höheren Standards gemessen. Aussagekräftiger sei ein Vergleich der Marktanteile: Verkaufte Apple im ersten Jahr des iPhones nur 8 Prozent aller Smartphones, hält die Apple Watch bereits 15 Prozent Marktanteil in der Kategorie Wearables – die auch Fitbit und andere Fitness-Tracker umfasst.

Höhere Erwartungen

Dennoch habe Apple stets den Anspruch, den Markt komplett zu verändern, anstatt einen möglichst grossen Marktanteil zu ergattern, schreibt die Bloomberg-Kolumnistin. Dies sei immer noch möglich: Apple und seine App-Partner hätten nur noch nicht das richtige Rezept gefunden, den Kunden die Uhr schmackhaft zu machen.

Dem stimmt auch Adam Grossman zu, Erfinder der Wetter-App «Dark Sky». Derzeit gleiche die Apple Watch zwar einem ersten iPod, den die meisten Kunden zu teuer, zu gross und mit zu wenig Speicherplatz ausgestattet fanden. Dennoch glaubt er: «Grossartiges liegt bei der Apple Watch noch in der Zukunft. In sechs Jahren wird es für uns alle komisch sein, keine Smartwatch zu besitzen.»

Grosser Druck lastet auf smarter Uhr

Für Apple ist es wichtig, das Image seiner Smartwatch zu verbessern. Im ersten Quartal diesen Jahres sind zum ersten Mal die Verkäufe von iPhones gesunken. Schrumpfende Absätze beim iPad und stagnierende Nachfrage beim Mac machen dem Unternehmen zu schaffen. Die Apple Watch ist das erste wirklich neue Apple-Produkt, das seit der Einführung des iPads auf den Markt kam. Für das kleinste der Gadgets ist die Bühne frei, sich zu beweisen.

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren