Nun kommt also doch Bewegung in den Steuerstreit zwischen der EU und den Tech-Giganten, der in den vergangenen Jahren für immer grösseren Unmut sorgte. iPhone-Hersteller Apple soll in den kommenden Monaten Steuerschulden in der Höhe von sagenhaften 13 Milliarden Euro an die EU zurückzahlen. Dieser gigantische Betrag ist die von der EU berechnete Steuerschuld des Technologiekonzerns aus dem Silicon Valley, wie die «Financial Times» schreibt. Zum Vergleich: Der Bund hat in der Schweiz im vergangenen Jahr 22 Milliarden Franken an Mehrwertsteuern eingenommen.
Das Geld hätte bereits 2017 transferiert werden sollen, weil Irland Apple unzulässige Steuervergünstigungen gewährt hatte. Diese stammen aus den Jahren 2004 bis 2014. Mit den angefallenen Zinsen könnte sich der Betrag sogar auf bis zu 15 Milliarden Euro erhöhen.
Vorerst auf einem Treuhandkonto
Die EU-Kommission verlangte daraufhin Ausgleichszahlungen vom Technologiekonzern. Diese Anweisung kam bereits vor 19 Monaten. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte in Brüssel bereits mehrmals auf den offenen Betrag hingewiesen und den Druck verstärkt. Nicht nur gegenüber Apple, sondern auch Irland. Dort sei es wegen der Komplexität und der unglaublichen Höhe des Betrags auch zu Verzögerungen gekommen, wie «FT» schreibt.
Apple und Irland haben gegen den Entscheid der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. Deshalb geht das Geld vorerst nicht an den irischen Fiskus und damit an die EU, sondern wird auf einem Treuhandkonto gebunkert. Das Geld wird in der Londoner Niederlassung der Bank of New York Mellon gehalten. Die Bank hat auch in Zürich eine Niederlassung beim Talacker. Dazu werden sich Amundi, Blackrock und Goldman Sachs um die Vermögensverwaltung kümmern. Damit soll die finanzielle Rendite für den Tech-Giganten aus Kalifornien sichergestellt werden – falls die Berufung erfolgreich sein sollte und der Geldbetrag zurückgegeben werden müsste.
Im Rahmen einer am Dienstag in Dublin unterzeichneten Vereinbarung zwischen Apple und dem irischen Finanzminister Paschal Donohoe wird das Unternehmen im nächsten Monat eine grössere Summe zu Anfang überweisen. Bis im September sollen dann jeweils mehrere Raten in der Höhe von 1 Milliarde Euro folgen.
Bis entschieden ist, wem das Geld letztendlich zugute kommt – Irland oder Apple – werden nochmals Monate vergehen. Erst im Herbst sollen die Berufungsverhandlungen beginnen. Dabei stecken Apple und Irland unter einer Decke: Tim Cook hatte den Beschluss der EU-Kommission stark kritisiert, aber auch Irland wehrt sich gegen die Zahlung, da es ein Eingeständnis der Steuererleichterung bedeuten würde.
Steuern sind der Lockvogel von Irland
Irland setzt sich so vehement gegen den Entschluss ein, weil es um seinen Ruf als Wirtschaftsstandort fürchtet. Gerade wegen der tiefen Steuern ziehen es die Internetgiganten wie Amazon, Google, Facebook und eben Apple vor, ihre Europageschäfte von Irland aus zu tätigen. In kleinen Ländern fällt eine niedrige Steuer an, während die Internetkonzerne ihre Geschäfte in den grossen EU-Ländern wie Deutschland oder Frankreich machen. Dort werden dann aber lediglich Mehrwertsteuern fällig. Die EU will das Geld künftig dort einziehen, wo der Umsatz generiert wird. Dafür arbeitet sie unter Hochdruck an Gesetzesinitiativen.
Doch bisher ohne grosse Wirkung, weil es viele Schlupflöcher gibt. Das Vorgehen der Tech-Giganten, aber auch anderer amerikanischer Grosskonzerne wie Nike ist zwar nicht sehr schmeichelhaft, aber legal. Ausser wenn EU-Mitgliedstaaten die Unternehmen bevorzugt behandeln und Steuererleichterungen gewähren - so wie im Falle von Irland oder etwa auch Luxemburg.
Apple müsste dem Bund Millionen zahlen
Auch für die Schweiz ist die Besteuerung der Tech-Giganten ein Thema. Im doppelten Sinne: Denn einerseits gewährt die Schweiz bei der Ansiedlung von internationalen Unternehmen ebenfalls Steuererleichterungen, anderseits entgehen dem Bund Einnahmen beim Verkauf von Apple-Produkten hierzulande. Das Unternehmen aus Kalifornien macht in der Schweiz Umsätze in Milliardenhöhe und müsste demnach Millionen an Steuern zahlen.
Der Apple Store an der Bahnhofstrasse in Zürich gehört beispielsweise zu den umsatzstärksten der Welt. Bereits die Summe, die in diesem einen Shop erwirtschaftet wird, geht in die Millionen. Aber Apple ist in der Schweiz mit Apple Retail tätig. Diese Unternehmen gehört vollständig einer Apple-Holding in Irland. Apple Switzerland ist dabei reine Dienstleistungsgesellschaft für andere Gesellschaften des Konzerns.
Die Schweiz ist gegenüber neuen Besteuerungsformen skeptisch
Als kleines Land ist die Schweiz auf eine internationale Lösung angewiesen. In einem Interview zeigte sich Finanzminister Ueli Maurer aber skeptisch gegenüber den Spezialsteuern-Vorschlägen der EU. Auch der Leiter Finanz und Steuerpolitik beim Wirtschaftsverband Economiesuisse äusserte sich gegenüber der «Handelszeitung» vor einigen Monaten kritisch. «Die EU beschreitet völlig neuartige Wege, wenn sie von der klassischen Firmenbesteuerung zur Umsatzbesteuerung übergeht. Das wäre ein Systembruch, der droht, das internationale Steuergefüge durcheinander zu wirbeln.»
Die Unternehmen einfach zu besteuern, wo sie ihre digitalen Dienstleistungen anbieten, setzt nach Meinung des Steuerexperten am falschen Ort an. Denn die eigentliche Wertschöpfung entstehe nach wie vor dort, wo die Mitarbeiter sitzen, welche die digitalen Daten auswerten oder die Algorithmen entwickeln. Zudem verschärfe die EU mit den neuen Vorschlägen die Unsicherheit in der internationalen Steuerdiskussion. «Das ist Gift für das globale Steuersystem. Für die Schweiz stellt sich die Frage, ob sie dabei mitmacht oder beim alten System bleibt, das zwar Defizite hat, aber nicht schlecht funktioniert,» sagte Marty.
Denn eine solche Neuregelung der Steuern könnte auch die Schweiz mit den international angesiedelten Unternehmen tangieren. Nun zahlt Apple aufgrund dieser Regelungen 13 Milliarden Euro auf ein Konto. Ob das Geld tatsächlich an Irland geht, wird sich zeigen. Falls doch, könnte das eine Signalwirkung für die Tech-Konzerne haben.