Im französischen Bankenverband brach Jubel aus, als im Europäischen Rat in Brüssel das Siegerlos gezogen war. «Paris» stand drauf, nicht «Dublin». Vor dem EU-Austritt Grossbritanniens im März 2019 wird die Europäische Bankenaufsicht (EBA) von London in Frankreichs Hauptstadt umziehen. «Das ist ein sehr grosser Tag für den Finanzplatz Paris», frohlockte Marie-Anne Barbat-Lavani, Generaldirektorin der Fédération Bancaire Française. Dass bei der EBA lediglich knapp 200 Menschen arbeiten und diese Aufseher noch dazu recht wenig zu sagen haben, erwähnte sie nicht.

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Die European Banking Authority hat zwar einen klangvollen Namen, sie legt jedoch lediglich die Standards für die Kontrolle der Banken fest. Die eigentliche Aufsicht ist Sache der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Aufsichtsbehörden.

Es geht ums Prestige

Doch auf solche Feinheiten kam es für Frankreich diese Woche nicht an. Es ging ums Prestige. Endlich hatte sich Paris einmal gegen den grossen Rivalen Frankfurt im Kampf um den Titel des führenden Finanzplatzes in einer EU ohne Grossbritannien durchgesetzt. Dass Deutschland diesen Erfolg gerne für sich verbucht hätte, steht ausser Frage. Doch die Abstimmungsniederlage ist leicht zu verkraften.

Denn vergleicht man die grössten Brexit-Profiteure unter Europas Finanzplätzen, schneidet Frankfurt knapp eineinhalb Jahre vor Grossbritanniens EU-Austritt überraschend gut ab. Zwölf Finanzdienstleister, darunter grosse US-Banken wie Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley, haben angekündigt, ihre bereits in der Stadt am Main vorhandenen Geschäftsbereiche auszubauen oder sich dort ganz neu anzusiedeln. Für Dublin zählt die Unternehmensberatung EY 13 Neuzugänge. Paris rangiert dagegen mit gerade einmal vier Namen – darunter ist die britische Grossbank HSBC – noch hinter Luxemburg.

Drei Schwergewichte aus der Bankenwelt

Die schlechte Zwischenbilanz entspricht keineswegs Frankreichs Selbstverständnis. Das Land kann deutlich mehr Grossbanken von Weltformat vorweisen als Deutschland. Mit BNP Paribas, Société Générale und Crédit Agricole stehen gleich drei französische Namen auf der in dieser Woche veröffentlichten Liste systemrelevanter Banken.

Gemeint sind Institute, die aufgrund ihrer Grösse niemals ausfallen dürfen – sonst droht die nächste Finanzkrise. Auch London kann drei solcher Banken vorweisen. An Deutschlands wichtigstem Finanzplatz Frankfurt gibt es dagegen lediglich die systemrelevante Deutsche Bank – und damit nicht mehr als beispielsweise in Amsterdam, wo die ING Groep ihren Sitz hat.

Deutschland hat mehrere Trümpfe

Auch bei der Zahl der Menschen, die bislang im Finanzbereich arbeiten, hat Paris unter den grossen Standorten auf dem Kontinent die Nase vorn. 147’000 sollen es dort sein. Frankfurt kommt mit knapp 75’000 gerade einmal auf die Hälfte. Paris profitiert dabei davon, dass nicht nur Schwergewichte der Bankenszene in der Stadt sitzen, sondern auch viele Versicherer. In Deutschland finden sich die Zentralen der Versicherer Allianz und Munich Re dagegen in München.

Dass Frankfurt trotz dieser Grössenunterschiede bei ausländischen Geldhäusern so beliebt ist, hat mehrere Gründe: In Deutschland, der grössten Volkswirtschaft Europas, versprechen sich die Institute den direkten Zugang zu vielen Kunden. Die kurzen Wege – der Flughafen ist nur 15 Minuten mit der S-Bahn von der Innenstadt entfernt – und die vergleichsweise niedrigen Büromieten sind wichtige Kriterien. In Paris betragen die Spitzenmieten 65 Euro pro Quadratmeter, in Frankfurt sind es keine 40 Euro.

Vor allem aber steht in Frankfurt das Hochhaus der EZB, jener Behörde, die tatsächlich über Wohl und Wehe der Banken entscheiden kann.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Der Kampf um Europas Finanzmacht beginnt».