Eine bewegte Firmenchronik ist um ein Kapitel reicher. Die Firma: Bindella, grösster privater Gastrobetreiber im Land. Der Chef: Rudi Bindella, promovierter Ökonom mit patronalem Führungsstil. Schliesslich der designierte Nachfolger: Adrian Bindella, ebenfalls HSG-Absolvent, 30-jährig. Das jüngste Kapitel: Die geplante Nachfolgeregelung ist gescheitert. Adrian Bindella ist bereits vor Monaten aus dem Unternehmen ausgezogen und hat sämtliche operativen Funktionen niedergelegt, diesen Sommer ist er auch aus Verwaltungsräten der Bindella-Gruppe ausgetreten. Der Junior wechselte sogar die Branche. Seit Anfang Jahr fungiert er als Geschäftsführer der Uhren- und Schmuckfirma Zett-Meyer in Zürich. Statt Carpaccio verkauft Adrian Bindella nun Colliers und Chronos. Branchenfremd. Ein Abgang mit Wehmut, wie er in einer E-Mail an die Bindella-Belegschaft schrieb. Bindella senior und seine langjährige Ehefrau und Geschäftspartnerin, Christa Bindella-Gschwend, sind seit zwei Jahren getrennt, Anfang Jahr liessen sie sich scheiden, seit diesem Frühling ist der Patron wieder verheiratet. Adrian Bindella, der designierte Firmenchef, wechselte ins Familienunternehmen mütterlicherseits. Christa Bindella-Gschwend stammt aus der Gründer- und Besitzerfamilie von Zett-Meyer, einer über 70 Jahre alten Firma für Uhren und Schmuck. Nach dem Tod des Bruders, der als Geschäftsleiter wirkte, war die Führung verwaist. Adrian Bindella, wiewohl branchenfremd, war zum Wechsel bereit – zu einer Firma, die ungleich kleiner ist als die Bindella-Firmengruppe mit 1000 Mitarbeitern und 210 Millionen Franken Umsatz. Das Familienunternehmen Bindella ist ein Leader in der Schweizer Gastrobranche. Man betreibt in dritter Generation 33 Gaststätten zwischen Winterthur und Genf. Santa Lucia, Spaghetti Factory und Contrapunto sind die Restaurants, wo sich täglich Heerscharen von Geschäftsleuten verköstigen. In den auf Italianità ausgerichteten Lokalen werden täglich rund 10  000 Menus aufgetragen. Die Gastrogruppe liegt im Krisenjahr 2009 fast auf Vorjahresniveau, die Umsatzrendite soll sich bei sieben Prozent bewegen. Zuoberst im umtriebigen Reich thront Rudi Bindella, der «Spaghetti-König» («Tages-Anzeiger»). Sohn Adrian hatte neben ihm Grosses vor. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium hängte er eine Spezialausbildung an einer Gastrouniversität bei Bologna an. Dann stieg er zur Freude des Vaters und der Belegschaft im Familienunternehmen ein. «Je früher man die Nachfolgeregelung angeht, desto weniger kommt man unter Druck», meinte der Chef vor drei Jahren in einem Firmenporträt in der BILANZ, wo erstmals der Junior ins Rampenlicht rückte. Die Fachpresse echote: «Die vierte Generation macht sich bereit zur Übernahme.» Adrian Bindella bezog sein Büro neben dem Vater am Hauptsitz in Zürich Höngg, war voller Ideen und Ambitionen. «Am besten gefällt es mir an der Front als Geschäftsführer», meinte er damals. Sein erster Wurf war das Gastrokonzept Terroir, das voll auf Schweizer Exklusivität setzt. Anfänglich war der Vater skeptisch, schliesslich liess sich der Anhänger italienischer Tafelkultur doch noch von «Pure Swiss» überzeugen. Kein Nachfolger in Sicht. Das «Terroir» am Zürcher Pfauen sollte die Referenz für weitere Betriebe sein, im Visier waren Bern, Basel und Luzern. Mit dem Abgang des Promotors aber scheint die Expansion ins Stocken geraten zu sein, ein zweites «Terroir» ist jedenfalls noch nicht lanciert. Offenbar hat man die Aufbauarbeit unterschätzt. Derzeit werde das Konzept optimiert, ab 2011 expandiert, sagt Rudi Bindella. Das ist ganz nach seinem Gusto. An ein Kürzertreten denkt der 61-Jährige ohnehin noch nicht. Beruf wie Hobby ist die Gastronomie, die Passion das Sammeln von Kunst. Beides hat Bindella überaus effizient vereint: Wirbelt er am Gruppensitz durch die Gänge, lachen ihm Hundertschaften von Ölbildern, Gipsskulpturen und Eisenplastiken entgegen, und in den Nischen funkeln, quasi als kulturelles Kontrastprogramm, alte, auf Hochglanz polierte Mortadella-Schneidmaschinen der Marke Berkel. In diesem wildwüchsigen Biotop hält Bindellas Ex-Frau weiterhin ihr Büro. Trotz Scheidung ist sie mit der Firmengruppe, in der sie mehr als dreissig Jahre engagiert war, vielfältig verbunden. Sie kennt jeden im Haus, kümmerte sie sich doch jahrzehntelang ums Personal. Nun gilt ihr Augenmerk dem Immobiliengeschäft. Einflussreich ist Christa Bindella-Gschwend zum Beispiel in der Bindella Immobilien-Dienstleistungen, wo sie gemäss Orell Füssli Wirtschaftsinformationen Mehrheitsaktionärin ist. Zentral ist sie auch bei der Immobilien-Werte und der Rhombus Partner Immobilien. Rhombus Partner hiess letztes Jahr übrigens noch Rhombus Bindella, und Rudi Bindella war ihr Präsident, dann übernahm er das Vizepräsidium. Am 15.  Juli 2009 erklärte er «mit sofortiger Wirkung» seinen Austritt aus der Firma. Der Abgang gründe auf einer strategischen Neuausrichtung, sagte Bindella, künftig brauche es dort sein Mitwirken nicht mehr. Dafür bleibt ihm nun noch mehr Zeit fürs Kerngeschäft. Aus der vierten Bindella-Generation ist nach dem Abgang von Adrian ohnehin kein Nachfolger in Sicht. Der älteste Sohn, Rudi junior, beschäftigt sich mit dem Zürcher Musiklokal Casa Bar und taucht ab und zu in Begleitung von Missen in den Klatschspalten auf, der dritte ist Musiker, der vierte rundet sein HSG-Studium an der Bocconi-Universität in Mailand ab. Mittelfristig freilich setzt der Patron gleichwohl auf den Nachwuchs. Allerdings ist der Zeitfaktor nun kein vordringliches Thema mehr. Viel wichtiger ist ihm, dass sich die Söhne ausserhalb der Familienfirma die Sporen abverdienen. Konkret: Filius Adrian möge nun bei Zett-Meyer seine «Meisterprüfung» ablegen. «Wenn Adrian später den Wunsch hat, sich in der Familienunternehmung zu engagieren, stehen ihm die Türen offen.»
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