Nach dem Debakel um Vioxx nun das: Vergangene Woche zogen die Biotech-Unternehmen Biogen Idec und Elan das Multiple-Sklerose-Medikament Tysabri vom Markt zurück, nachdem bei zwei damit behandelten Patienten eine seltene tödliche Krankheit diagnostiziert wurde. Die Börse reagierte heftig: Innert Wochenfrist halbierte sich der Kurs der Biogen-Aktie nahezu (auf 38,65 Dollar), und vom American Depositary Receipt der irischen Elan ist noch rund ein Viertel übrig (8 Dollar). Der Amex-Biotech-Index verlor dagegen nur 6,4%, obwohl Biogen zu Beginn dieser Woche noch das drittgrösste US-Biotech-Unternehmen nach Marktkapitalisierung war.

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Lücken in der Pipeline

Biotech-Gesellschaften fokussieren auf «innovativere» Medikamente als Pharma-Unternehmen. Gemäss den Analysten von Goldman Sachs verfügen Erstere oft nicht über das Kapital, um mehrere Wirkstoffe in fortgeschrittenen Zulassungsphasen gleichzeitig zu entwickeln. Selbst bei den Branchengrössten wie Amgen oder Biogen sind mehrjährige Lücken in der Produktepipeline die Folge. Wenn ein neues Produkt aber vor der Markteinführung steht, schiessen die Gewinnerwartungen und die Kurse in die Höhe. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Neuentwicklung einen namhaften Anteil am Umsatz ausmacht. Ursprüngliche Schätzungen von UBS gingen beispielsweise davon aus, dass Tysabri 2007 38% zum Umsatz von Biogen Idec beiträgt. Nach dem Kurssturz ist die Aktie wieder dort, wo sie vor der Bekanntgabe der Daten für Tysabri (2003) notierte.

Die Mehrheit der Analysten geht davon aus, dass Tysabri nach der Auswertung neuer Untersuchungen und einer erneuten Prüfung durch die US-Gesundheitsbehörde (FDA) in diesem Jahr wieder auf den Markt kommt, wenn auch mit eingeschränkter Anwendung. Die Erwartungen wurden stark reduziert. Bear Stearns geht von einem Umsatzpotenzial von noch 750 Mio Dollar aus nach bis zu 3 Mrd Dollar zuvor. Die Hoffnung auf eine Wiederzulassung gründet auf früheren FDA-Entscheiden, in denen Medikamente nur vorübergehend vom Markt genommen wurden.

Ähnlich wurde bei Vioxx entschieden. Ausserdem befinden sich Medikamente auf dem Markt, die massive und teilweise ebenfalls tödliche Nebenwirkungen zeigen können, bei einer Mehrheit der Patienten jedoch die Krankheit lindern. Für die Branche ist wichtig, dass die FDA ihrem Vorgehen treu bleibt. Mit steigendem Druck der Öffentlichkeit kommen daran jedoch Zweifel auf, und viele Analysten sehen die FDA als Risikofaktor für die Kurse der Biotech-Titel. Nach zwei Jahren mit steigenden Kursen zeichnet sich in diesem Sektor eine ruhigere Gangart ab. Goldman Sachs schätzt, dass sich 2005 das Gewinnwachstum merklich verlangsamt. Ab Mitte Jahr dürfte zudem die zwingende Verbuchung von Mitarbeiteroptionen als Aufwand auf den Gewinnen lasten.