Die Verhandlungen der Schweiz mit der EU über ein Rahmenabkommen seien beendet, sagte Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis am Montagabend im Anschluss an einen Vortrag in Basel. Die Verhandlungsdelegation sei «am Ende der Arbeit». «Dieses Jahr haben wir geklärt, wo wir waren, geklärt, was wir wollen, geklärt, was wir nicht wollen», sagte Cassis vor der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Basel.

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Unter Ausnützen der Handlungsspielräume sei man zu einem Ergebnis gekommen, das Cassis mit «85 Prozent» beschreibt. «Ich glaube wir sind tatsächlich am Schluss dessen, was verhandelbar war. Was offen bleibt, sind Differenzen, die wir nicht diskutieren wollen.» Die «berühmten roten Linien», so Cassis.

Cassis: «Dann beginnt das Schwitzen»

Nun gebe es zwei Varianten. Entweder, die EU akzeptiere, mit 85 Prozent leben zu können. «Dann ist die Sache gemacht.» Das Abkommen werde unterschrieben und gehe anschliessend ins Parlament und in eine Volksabstimmung.

Oder die EU sagt nein. Was mache man, fragt Cassis, wenn der EU die 85 Prozent nicht reichen? «Dann müssen wir uns überlegen: 86, vielleicht 87? Dann beginnt das Schwitzen!» Die Schweiz sei jetzt langsam in dieser Phase.

Fixierte Termine seien «Fake News»

Cassis sagt, «bis ungefähr Ende Jahr» wolle man ein Ergebnis haben, um gleichzeitig zu betonen, es gebe keine Fristen. «Lassen Sie sich nicht über Termine in den Medien beeindrucken», riet er den in Basel versammelten Wirtschaftsführern und Politikern. «Es gibt keine fixierten Termine. Die wurden erfunden, um Druck zu machen. Das wurde von Journalisten falsch verstanden oder als Fake News im Raum gelassen, um ein wenig damit zu spielen.»

Die Liste der Stolpersteine, die einer Einigung zwischen der Schweiz und der EU beim Rahmenabkommen im Wege stehen, ist lang. Ein Streitpunkt sind die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit. Brüssel fordert eine Änderung der Acht-Tage-Regel, die bislang vorschreibt, dass ausländische Gewerbebetriebe acht Tage warten müssen, ehe sie einen Auftrag in der Schweiz ausführen. Die Gewerkschaften jedoch stellen sich mit aller Kraft gegen eine solche Flexibilisierung. 

Streitpunkt Unionsbürgerschaft

Ein weiterer Streitpunkt ist die sogenannte Unionsbürgerrechtslinie. Sie regelt seit 2004 den freien Personenverkehr von Unionsbürgern in der EU und geht in gewissen Punkten wie der Sozialhilfe und dem Bleiberecht weiter als die bilaterale Freizügigkeitsregelung mit der Schweiz. Konkret fordert Brüssel, dass EU-Bürger nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz Sozialhilfe beziehen dürfen und deshalb nicht wie heute eine Ausweisung befürchten müssen. Das kommt für die Schweiz nicht in Frage. Ebenfalls bestehen dem Vernehmen nach offene Fragen, welche die staatlichen Beihilfen betreffen.

Kommt es zu keiner Einigung beim Rahmenabkommen, drohen der Schweiz Nadelstiche. So könnte die EU der Schweiz für das kommende Jahr die Börsenanerkennung verweigern. Ebenfalls blockiert bliebe das Stromabkommen.