BILANZ: Herr Franz, die Weltluftfahrtorganisation IATA prognostiziert für 2008 einen branchenweiten Verlust von mehr als fünf Milliarden Dollar. Wie viel davon entfällt auf die Swiss?

Christoph Franz: Nichts. 2008 wird für die Swiss insgesamt ein gutes Jahr. Sorgen bereitet uns jedoch der Blick auf das kommende Jahr. Dann werden viele Effekte auf das Geschäft durchschlagen, wie die nach wie vor hohen Treibstoffkosten und die spürbare Konjunkturabkühlung, die bereits in einigen Marktsegmenten erkennbar wird. Die Frage ist, wie stark sich diese Unsicherheiten und Risiken auf die Nachfrage auswirken werden.

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Wie also wird 2008 für die Swiss enden? Wird die Auslastung sinken?

Der Geschäftsverlauf 2008 entspricht insgesamt unseren Erwartungen. Die Auslastung hat in diesem Jahr weiter leicht zugenommen, obwohl wir – auch im Branchenvergleich – stark gewachsen sind, also das Angebot ausgeweitet haben.

Aber können Sie das Niveau halten?

Das ist schwierig vorauszusagen, da muss man auch realistisch bleiben. Aber wir sind, absolut gesehen, heute auf einem sehr hohen Niveau.

Gilt das auch für die Finanzergebnisse?

Was wir im Volumen sehen, spiegelt sich grundsätzlich auch in den Umsatzzahlen. Nach neun Monaten weisen wir immer noch ein solides Ergebnis aus. Klar ist: An das ungewöhnlich gute Vorjahr werden wir 2008 nicht herankommen. Aber das erwartet, glaube ich, auch niemand. 2007 war ein Ausnahmejahr.

Immerhin sinkt der Preis fürs Flugbenzin.

Da haben wir in der Tat eine Entlastung. Andererseits sind wir jetzt auf dem Niveau, das wir vor etwa einem Jahr hatten. Es ist bei weitem nicht so, dass historische Zustände der Jahre 2003 oder 2004 zurückgekommen wären. Anfang 2004 lag der Ölpreis bei 25 Dollar pro Barrel, jetzt sind es 70, der Ölpreis ist also noch fast dreimal so hoch. Er wird also nach wie vor die mit Abstand grösste Kostenposition einer Airline bleiben. Deshalb und aus Umweltbewusstsein wird die Swiss auch nicht aufhören, wo immer möglich den Treibstoffverbrauch zu senken. Der Ölpreis bleibt ein Sorgenthema, keine Airline kann ihn ganz auffangen durch die Treibstoffzuschläge.

Die Entlastung bei den Spritkosten kompensiert den Konjunkturabschwung nicht?

Nein. Die Belastungen aus der schwächeren Nachfrage wiegen deutlich schwerer als die Entlastungen durch den fallenden Kerosinpreis. Auch die IATA-Prognose zeigt ja, dass für 2009 ein Verlust für die gesamte Branche erwartet wird, der dem hohen Minus von 2008 entspricht.

Westliche Airlines wie Swiss verdienen ihr Geld vor allem im Langstreckengeschäft. Hier gibt es seit einigen Jahren gefährliche Konkurrenz durch Golfstaaten-Airlines wie Qatar oder Emirates mit ihren hochfliegenden Wachstumsplänen. Sind diese Wettbewerber jetzt eingebremst?

Am Ende des Tages wird überall auf der Welt mit richtigem Geld gerechnet, auch am Golf. Dort sprudelt derzeit weniger Ölgeld, und auch ihre Airlines werden spüren, dass die Nachfrage in anderen Teilen der Welt zurückgeht. Die leben ja praktisch ausschliesslich von der auswärtigen Nachfrage, weil die Heimatmärkte relativ klein sind. Aber um das ganz klar zu sagen: Ich gehe nicht davon aus, dass radikale Änderungen in den Wachstumsszenarien anstehen. Diese Airlines haben die Kraft, eine Expansion auch in schwierigen Jahren durchzufinanzieren.

Das ist keine gute Nachricht für die europäischen Gesellschaften.

In der Tat. In Europa üben die Billigflieger einen starken und weiter wachsenden Preisdruck aus, und nun bekommen wir auch im Interkontinental-Segment – auf den Langstrecken – einen zunehmenden Preiswettbewerb. Das wird Druck auf die Ticketpreise und auf unsere Kosten ausüben.

Die Passagiere werden das begrüssen.

Natürlich. Es hat sich für die Billigflieger allerdings gezeigt, dass ihr Geschäftsmodell bei hohen Kerosinpreisen nicht mehr so gut funktioniert. Viele Kunden sind sehr preissensibel, und bei steigenden Preisen verzichten viele auch einmal auf den Wochenend-Trip mit dem Flieger. Davon sind Lowcost-Carrier stärker betroffen. Ausserdem haben sich die klassischen Carrier wie Swiss inzwischen auch besser auf preisbewusste Kunden eingestellt, wir sind jetzt auch in diesem Segment wettbewerbsfähiger aufgestellt. Neuer ist jedoch die Entwicklung des steigenden Preisdrucks auf der Langstrecke.

Ihr Fazit?

Luftfahrt bleibt eine richtig spannende Branche – und «spannend» meine ich auch so. Wir werden nach wie vor viele Umwälzungen, Veränderungen haben. Wir werden auch sehen, wie die Konsolidierung in dieser Situation wirklich vorankommt.

Kommt jetzt die grosse Bereinigung in der Branche?

Ja, vielleicht ist die Krise auch eine Chance. Manche Fantasien, dass man in dieser Industrie leicht Geld verdienen kann, verflüchtigen sich vermutlich. Historisch ist das in der Airlinebranche ohnehin nie der Fall gewesen – aber wider jede Empirie gibt es ja immer noch einige Leute, die sich dafür begeistern, in neue Luftfahrtgesellschaften zu investieren.

Sprechen Sie von den diversen neuen Billigfluglinien? Von Langstrecken-Billigfliegern wie Oasis? Von Lufttaxi-Diensten à la JetBird? Oder von der Helvetic?

In Billigfluglinien wird auf jeden Fall investiert. Erstaunlich ist zudem, dass viele auf Newcomer setzen. Es ist erschreckend, wie niedrig etablierte Airlines an der Börse bewertet sind, wenn man sich deren Substanz mal vor Augen hält. Nein, man hat auf neue Karten gesetzt, auf Leute, die mit viel Enthusiasmus antreten. Aber diese Branche ist zu professionell, als dass man mit reiner Begeisterung Erfolg haben könnte. Dafür ist das Geschäft zu hart.

Wie steuern Sie die Swiss durch die Krise? Die Airline ist saniert, die Kostenbasis im Branchenvergleich niedrig. Die ganz grossen Sprünge bei der Profitabilität dürften vorbei sein.

Wir sind bei der Swiss ja erfreulicherweise nicht mehr in einer Krisensituation. Deswegen ist bei uns kein klassisches Krisenmanagement angesagt. Im Unterschied zu vielen anderen Carriern halten wir beispielsweise an unserem Flugplanprogramm fest, bauen es punktuell sogar weiter aus. Wo wir in neue Märkte eingetreten sind, bleiben wir drin, auch wenn wir wie erwartet gewisse Anlaufverluste in Kauf nehmen müssen. Wir schauen uns natürlich auch in Zukunft immer alles an, und wenn wir das Gefühl haben, der Markt entwickle sich in eine andere Richtung, dann muss man auch mal adjustieren.

Bisher ist die Swiss stark gewachsen. Wie sind da Ihre weiteren Pläne?

In der aktuellen Phase der Konjunkturabkühlung mit den steigenden Risiken und Unsicherheiten gehen wir sehr, sehr zurückhaltend mit zusätzlichem Wachstum um. Wir hatten aber ohnehin nicht vor, weiter zu wachsen, weil wir gerade eine Phase mit starkem Wachstum hinter uns haben. Wir sind nun drei Jahre zweistellig gewachsen. Da ist es durchaus auch sinnvoll, eine Pause einzulegen, zu konsolidieren. So können auch Engpässe im Personalbestand ausgeglichen werden.

Zum Ende des Jahres 2010 wird der Chefsessel der Lufthansa frei, dann hört Wolfgang Mayrhuber auf. Sie gelten als potenzieller Nachfolgekandidat.

Für mich ist das kein Thema. Mein Job hier in der Schweiz macht mir nach wie vor viel Spass, und auch an Herausforderungen mangelt es nicht.

Sie klingen, als ob Sie diese Frage nicht mögen …

… weil das für mich kein Thema ist!

Also, Themenwechsel. Wie geht es weiter mit der Konsolidierung in der Luftfahrt?

Wir gehen zwar immer davon aus, dass die Konsolidierung in den nächsten drei bis fünf Jahren stattfindet – aber das schon seit 15 Jahren. Für mich ist es eigentlich überraschend zu sehen, wie lange es dauert. Erst mitten in einer Phase von neuen Herausforderungen kommen offensichtlich solche Dinge auf den Tisch. Und selbst jetzt hat man den Eindruck, dass es langsam vorangeht.

Finden Sie? Im Moment ist doch so viel in Bewegung wie noch nie! Siehe Brussels, Austrian, Alitalia.

Viele dieser Themen werden seit Jahren diskutiert. Aber nur in einem einzigen Fall, bei Brussels Airlines, ist es jetzt zu einer Unterschrift gekommen. Also, zwischen theoretischem Vordenken und dem, was in der Praxis passiert, besteht eine enorme Diskrepanz.

Sie sind jetzt nicht mehr Sanierer, sondern steuern eine stabilisierte Airline durch die Krise. Ein anderes Gefühl?

Es ist viel angenehmer. Sanieren ist emotional wesentlich belastender. Der Inhalt meiner Aufgabe hat sich massiv verändert. Ein Unternehmen nicht nach Erfolg, sondern nur nach Liquidität zu steuern, wie ich das in den ersten Monaten machen musste, Mitarbeitern zu sagen, dass sie keine Weiterbeschäftigung haben oder weniger Gehalt bekommen – das ist alles sehr belastend.

Und wie verhält es sich jetzt?

Jetzt sind Fragen zu klären wie: Wo finden wir Mitarbeiter? Oder dass Kollegen klagen, sie kriegten ihre Ferien nicht so gelegt, wie sie es haben möchten. Dazu sage ich: Ich verstehe die Kritik, und das kann auch kein Dauerzustand sein. Aber das sind im Grunde Wachstumsschmerzen, und mit solchen Problemen gehe ich viel lieber um.

Die Swiss ist jetzt drei Jahre lang gewachsen. Wie wird sie nach der Wirtschaftskrise aussehen?

Finanziell geht es uns jetzt so, dass wir mit wetterfester Kleidung in diese Turbulenzen reingehen können. Auch wir werden durchgeschüttelt werden. Aber ich bin mir sicher, dass wir daraus nicht geschwächt, sondern gestärkt herauskommen werden.

Dirk Ruschmann
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