Wenn sich die Büronachbarn von der Börsenstrasse 26 an der Kaffeemaschine treffen, kommen Dekaden an MarktKnow-how zusammen. Hier, in einem unscheinbaren Bürogebäude im Herzen des Zürcher Finanzzentrums, residieren gleich mehrere ehemalige Schwergewichte der Grossbank Credit Suisse. Und die haben sich einiges vorgenommen: Zusammen mit Topbankern von Julius Bär wollen sie mit Finanzwetten und Investments an der Börse ganz gross zuschlagen.

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Der jüngste Zuzüger in der Bürogemeinschaft ist der ehemalige Handelschef und spätere Private-Banking-Chairman Walter Berchtold, der die Credit Suisse im letzten Sommer verliess. Er ist Untermieter von Thomas Amstutz, einem alten Weggefährten, der vor dreissig Jahren seine Karriere zusammen mit Berchtold bei der CS in Genf begann und seit 2004 hier residiert. An gleicher Adresse ist mit Moez Jamal ein weiterer langjähriger Weggefährte und Freund eingemietet, der 21 Jahre bei der CS war.

Firmenjäger. Von der Börsenstrasse ist es nur ein kurzer Fussweg zur Bank Julius Bär an der Bahnhofstrasse 36. Dort residieren drei Banker mit engen Beziehungen zu den CS-Mannen: Verwaltungsratspräsident Daniel Sauter, Ehrenpräsident Raymond Bär sowie Michel Vukotic, ehemaliger Handelschef und heute Betreuer für Spezialkunden bei Julius Bär – alle drei haben mit den Ex-CS-Bankern auf einer gemeinsamen Plattform zusammengefunden. Sie heisst Alpine Select und investiert in unterbewertete Firmen und Börsenperlen. Präsident von Alpine Select ist seit April 2013 Raymond Bär, der langjährige Familienvertreter und Julius-Bär-Präsident. Bis 2012 war sein Bär-interner Nachfolger Sauter Präsident bei Alpine Select, doch dieser gab das Amt bei der Investmentgesellschaft nach seiner Wahl zum Bär-Präsidenten wegen möglicher Interessenkonflikte ab. Im Jahr bis zum Antritt von Raymond Bär hielt Thomas Amstutz als Präsident die Stellung.

Sauter ist allerdings indirekt als Grossaktionär weiter an Bord: Seine Familie und jene von Bär-Kadermann Vukotic halten über die gemeinsame Gesellschaft Trinsic rund 20 Prozent der Aktien von Alpine Select.

Nach einem Vierteljahrhundert bei Julius Bär sei die Zeit gekommen, «ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen», begründete Bär damals seinen Rücktritt. Nach einer Denkpause wolle er neue Aufgaben definieren. Nun offenbart sich, wofür das Herz des langjährigen Private Bankers auch noch schlägt: Börsenanlagen – sonst eher die Spielwiese von Investment Bankern.

Richtungsgebende Kraft von Alpine Select ist allerdings Thomas Amstutz, der mit Bär im Verwaltungsrat von Alpine Select Einsitz hat. Bürokollege Berchtold soll an der Generalversammlung vom 26. Mai als neues Mitglied des Verwaltungsrates dazustossen und dann auch ins Investment Committee eintreten, das aus den Verwaltungsratsmitgliedern bestückt wird. CS-Weggefährte Jamal hat zwar keine offizielle Funktion, soll aber als Aktionär unter der Dreiprozentschwelle beteiligt sein, wie Insider berichten. «Er ist in einer Bürogemeinschaft mit Herrn Amstutz und für uns beratend tätig», sagt Raymond Bär.

Aktive Aktionäre. Ein wichtiger Schritt für die Neupositionierung von Alpine Select war die vollständige Übernahme der wichtigsten Tochterbeteiligung, des einst von der Credit Suisse an die Börse gebrachten Hedge-Fund-Vehikels Absolute Invest, das nun ebenfalls zur Umsetzung der Investmentstrategie eingesetzt werden kann. Am 29. November konnte die Firma vermelden, die Mutter Alpine sei im Besitz von 98,84 Prozent der Aktien. Nachdem an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 23. Dezember die letzten personellen und organisatorischen Veränderungen abgesegnet worden sind, können die Bankveteranen nun voll loslegen. Als Präsident der Hedge-Fund-Tochter wirkt fortan Raymond Bär.

Laut Bär will Alpine Select wie bisher auf Aktien setzen, bei denen ein Discount besteht – und als aktiver Aktionär Druck machen. Zudem sollen zukünftig mit aktivem Agieren am Markt Börsenchancen genutzt werden: «Der Markt ist ineffizient, weil die Banken keinen Risikoappetit mehr haben», so Bär, «in diese Lücke wollen wir stossen.» Rund 230 Millionen Franken hat Alpine Select zum Investieren zur Verfügung. «Wir wollen das Vermögen so verwalten, wie wir unser eigenes Geld verwalten würden», sagt Bär.

Die Macher von Alpine Select sind auch persönlich stark engagiert: Das Management und die Partner halten heute rund 25 Prozent der Aktien, Bär alleine um 4 Prozent – beim heutigen Kurs ein Investment von ungefähr neun Millionen Franken. Bär glaubt, dass die Erfahrung des Teams den Unterschied ausmache und an der Börse besondere Chancen biete: «Wir sind alles Leute mit einigen Dekaden Anlageerfahrung.»

Auch Berchtold sieht hier Chancen: «Die Idee ist schon, das gebündelte Know-how von Börsen und Märkten einzubringen.» Für ihn sei auch wichtig, dass das Umfeld stimme: «Ich kenne die Keyplayer, die dabei sind, sehr gut – es sind langjährige Weggefährten.» Wie stark er sich selber als Aktionär einbringen will, will er nicht verraten. Laut Raymond Bär könnte der Kapitalerhöhung vom Vorjahr in diesem Jahr eine weitere folgen, was eine Erhöhung der Anteile ermöglichen würde. Zu stark will man sich aber nicht öffnen: «Wir wollen es klein und fein behalten.»

Bär wie Berchtold sind reiche Männer: Das Vermögen der Bär-Familie wird auf über 400 Millionen Franken geschätzt, Berchtold hat in seinen langen Jahren in der obersten Führungsetage der Credit Suisse Dutzende von Millionen verdient, allein etwa 34 Millionen Franken im Rahmen des PIP-Vergütungsprogramms, das 2010 zur Auszahlung gelangte.

Händler-Approach. Die Strategie der Beteiligungsgesellschaft geht zurück auf den heutigen Bär-Präsidenten Sauter, der lange für die Rohstoffgiganten Glencore und Xstatra tätig war. 2001 machte er sich selbständig und stieg bei Alpine Select ein. Zusammen mit Partner Vukotic agierte er als angriffiger Investor bei Industrieunternehmen wie Tornos oder Schweizerhall und Anlagevehikeln wie Private Equity Holding oder BB Biotech. Das Gespann machte knallhart Druck aufs jeweilige Management und drängte auf höhere Renditen: «Wir haben Lust am Streiten», liess sich Sauter einmal zitieren. Man habe einen «Händler-Approach», pflichtet Vukotic bei. Der Bär-Mann erklärte es mit ihrem Werdegang: er als Handelschef bei Bär, Sauter als Ex-Finanzchef von Glencore, dem grössten Rohstoffhändler der Welt. Bis heute wird diese Strategie weiterverfolgt, wie die Investments von Alpine Select in Firmen wie HBM oder Altin zeigen, wo man ebenfalls gegen die Unterbewertung anging.

Welche Firmen und Aktien die Bankertruppe im Auge hat, will Bär nicht verraten: «Wir haben unsere Vorstellungen – geben diese aber sicher nicht preis.» An Selbstbewusstsein mangelt es den Machern nicht: «Alpine Select ist bekannt dafür, Ziele zu verfolgen – und sie in der Regel auch zu erreichen.»

Alpine Select hat eine Zielrendite beim heutigen Zinsniveau von 6 bis 8 Prozent angegeben und seit 2003 eine Durchschnittsrendite von 6,8 Prozent erreicht. 2013 konnte diese Zahl mit 12 Prozent übertroffen werden, allerdings in einem Umfeld günstiger Börsen: Der SPI legte rund 20 Prozent zu – stärker noch als Alpine Select (siehe Grafik).

Kein Interesse, bei der illustren Truppe mitzumachen, hat der berühmteste Resident der Börsenstrasse 26, Ex-CS-Chef Oswald Grübel, als dessen Ziehsöhne Berchtold, Amstutz und Jamal gelten. Er sei in Alpine Select nicht involviert, lässt er auf Anfrage ausrichten.

Erik Nolmans
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