Im Frühsommer versprach der Zementbaron Thomas Schmidheiny den LafargeHolcim-Aktionären ein sattes Kursplus. Auf bis zu 100 Franken sah er die Aktie seinerzeit «relativ zügig» steigen. Seit Mitte Juli kennt das Papier aber nur noch eine Richtung: nach unten. Die Aktie stürzte von fast 75 auf nunmehr weniger als 50 Franken. Damit ist rund ein Drittel des Wertes verloren.

Der Kurs notiert gerade einmal bei der Hälfte dessen, was Schmidheiny nach der Ankündigung der Grossfusion von Holcim und Lafarge in Aussicht gestellt hat. Für den Zementhersteller Holcim ist es der grösste Kursrutsch seit Jahren. Zuletzt waren die Titel 2012 günstiger zu haben. Gestern schloss der Titel mit einem Minus von fast vier Prozent schlechter als fast alle anderen wichtigen Papiere an der Schweizer Börse.

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Schwache Weltkonjunktur

Zwar haben Aktien rund um den Globus in den vergangenen Wochen auf breiter Front an Wert eingebüsst. Doch LafargeHolcim entwickelt sich weit schlechter als der Gesamtmarkt: Der SMI hat im gleichen Zeitraum knapp zehn Prozent verloren. Und auch die Konkurrenz – allen voran HeidelbergCement – kann die schlechte Performance des französisch-schweizerischen Konzerns locker toppen.

Den ersten Baustein zur Erklärung dieser Malaise liefert Finanzanalyst Martin Hüsler von der Zürcher Kantonalbank (ZKB): «LafargeHolcim ist ein typischer Konjunkturtitel», sagt er. Das heisst: Boomt die Weltwirtschaft, steigt der Kurs. Läuft es schlechter, sinken die Titel in der Gunst der Anleger. Und derzeit bereiteten laut Hüsler vor allem die Schwellenländer sorgen. Deren Ausblick hat sich jüngst derart verschlechtert, dass die Chefin des Internationalen Währungsfonds von einem geringeren globalen Wachstum ausgeht.

Zinswende mit Folgen

Für LafargeHolcim sind das besonders schlechte Nachrichten, arbeiten doch sieben von zehn Zementanlagen in aufstrebenden Schwellenländern. «Kaum ein Zementkonzern ist so exponiert wie LafargeHolcim», so ZKB-Experte Hüsler. Ähnlich sieht es Muriel Fellous von der französischen Grossbank Société Générale: Erst vor wenigen Tagen empfahl die Analystin die Titel zum Verkauf, sie rechnet mit einem Kursziel von lediglich 43 Franken. Ein wichtiger Grund: Die starke Abhängigkeit von den kriselnden Schwellenländern.

Richtig turbulent könnte es für LafargeHolcim werden, wenn die US-Notenbank Fed in den kommenden Monaten erstmals seit neun Jahren den Leitzins anhebt. Als Folge des Zinsschrittes könnten Milliarden von Dollar aus den Schwellenländern zurück in die USA fliessen, erwarten Experten. Der brasilianische Real, die indische Rupie und andere Schwellenlandwährungen dürften dann noch stärker als in den vergangenen Wochen schon an Wert verlieren.

Ölpreis-Flaute trifft LafargeHolcim

Das wäre für die volkswirtschaftliche Erholung in den betroffenen Ländern problematisch – und für den Grosskonzern LafargeHolcim. Das Wachstum in diesen Regionen könnte sich abschwächen, Investitionen in die Infrastruktur aufgeschoben werden. Das wiederum würde die Baubranche hart treffen. Auch diese Aussichten bewegte Anleger zuletzt dazu, die Titel massenhaft zu verkaufen.

Erschwerend kommt dazu, dass sich Holcim mit Lafarge in eine Vielzahl von Ländern eingekauft hat, die stark vom Öl abhängig sind – darunter Nigeria, Irak oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Weil aber der Preis für das schwarze Gold seit einem Jahr im Tief ist und die Einnahmen dieser Länder belasten, ist eine Vielzahl an staatlichen Bauprojekten auf Eis gelegt oder sogar abgeblasen. Auch das belastet den Umsatz des fusionierten Kolosses.

«Merger-Idiotie»

Neben der schwachen Weltwirtschaft und dem Ölpreistief kämpft LafargeHolcim mit hausgemachten Problemen. Experten rätseln noch immer über die Gründe des Zusammenschlusses. Der Merger sei wertvernichtend, heisst es. Die Rede ist von «Merger-Idiotie» oder davon, dass Schmidheiny «nicht mehr zurechnungsfähig» sein müsse. Der grösste Kurssturz seit Jahren sei die «Quittung für eine Dummheit», urteilen Beobachter unter vorgehaltener Hand.

An einen schnellen Turnaround glaubt kaum jemand, zahlreiche Fachleute haben ihr Kursziel – wie Fellous von der Société Générale – nach unten geschraubt. Allgemein wird damit gerechnet, dass der Konzern schon bald eine Schocknachricht absetzen dürfte. «Die operative Gewinnschätzung könnte weiter nach unten angepasst werden», spekuliert etwa ZKB-Analyst Hüsler. Baader-Helvea-Analyst Patrick Appenzeller erwartet dagegen einen grösseren Abschreiber beim Goodwill.

Silberstreifen am Horizont

Alles schlecht also? Gehen die Kurse noch weiter in den Keller? Ist der Boden erreicht? Mit Spannung erwarten Analysten die Ergebnisse für das dritte Quartal, die in wenigen Wochen vorgelegt werden. Anfang Dezember folgt dann die erste Bewährungsprobe für den neuen Geschäftsleiter Eric Olsen. Am Investorentag muss er das Vertrauen wieder zurückgewinnen.

ZKB-Experte Hüsler sieht für die Zukunft des Zementriesen jedenfalls einen Silberstreif am Horizont: «Die Börse hat in einer Baissephase die Tendenz, Risikofaktoren stärker zu gewichten als längerfristiges Chancenpotenzial, weshalb Aktienkurse oftmals auch unterschiessen können.»