Nach dem plötzlichen Rücktritt der Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt sorgt eine Meldung über Verkaufsgespräche für neue Verunsicherung bei den rund 17.000 Mitarbeitern. Eigentümer Nicolas Berggruen verhandele mit der österreichischen Finanzgruppe Signa des Unternehmers Rene Benko über einen Verkauf der Warenhaus-Kette, berichtete die «Bild»-Zeitung am Freitag. Möglich macht dies eine Option, die Berggruen dem Immobilieninvestor und dem Diamantenhändler Beny Steinmetz eingeräumt hat, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Sie können demnach für einen Euro 75,1 Prozent der kriselnden Karstadt-Stammgesellschaft übernehmen, die die verbliebenen 83 klassischen Warenhäuser betreibt. Sollte es dazu kommen, wäre Karstadt fast gänzlich in der Hand des Österreichers, der bereits die Mehrheit an Filetstücken hat - dem operativen Geschäft von Karstadt Sports und den drei Luxuswarenhäusern in Berlin, Hamburg und München. Auch gehören Benko zahlreiche Karstadt-Immobilien.

Ob und wann Benko die Option zieht, blieb zunächst unklar. Sowohl Karstadt, als auch Berggruen und Benko waren zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Signa lehnte eine Stellungnahme ab. Beim Bundeskartellamt ist nach Aussage eines Sprechers keine Übernahme von Karstadt-Warenhäusern angemeldet.

Handelsexperte Thomas Roeb von der Universität Bonn glaubt nicht, dass Benko die Option ziehen wird. Es würde keinen Sinn für den österreichischen Immobilienmogul machen, dem 17 Karstadt-Häuser bereits gehören, die Verluste zu übernehmen oder die Sanierung zu betreiben, geschweige denn, sich die Finger mit einer Insolvenz schmutzig zu machen, sagte Roeb.

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Noch hat Karstadt Geld

Karstadt schreibt seit Jahren rote Zahlen und hatte 2009 Insolvenzantrag gestellt. Berggruen erwarb den Warenhauskonzern 2010 für den symbolischen Preis von einem Euro. Seither versucht der defizitäre Kaufhof -Konkurrent, wieder auf Kurs zu kommen. Zuletzt wurde die frühere Ikea-Managerin Sjöstedt für das verbliebene Warenhausgeschäft geholt. Die Hoffnungsträgerin hatte erste Vorschläge für die Neuaufstellung ausgearbeitet. Doch am Montag warf sie nur knapp fünf Monate nach ihrem Amtsantritt das Handtuch. Ihr fehle die Unterstützung Berggruens für ihre Strategie und Investitionspläne, die Voraussetzungen für eine Sanierung seien nicht mehr gegeben, begründete die Schwedin ihren Rücktritt. Laut «Bild»-Zeitung steht die Aufgabe Sjöstedts im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Berggruen und Benko.

Die Verunsicherung im Unternehmen sei groß, sagte Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt. Informationen seitens der Eigentümer gebe es nicht. «Ich will wissen, was sind die Hintergründe des Rücktritts von Frau Sjöstedt und was kommt auf uns zu», sagte Patzelt, der zugleich auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist. «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Antworten zu bekommen. Ich muss wissen, was das für die Mitarbeiter heißt.» Er erwarte, dass die Arbeitsplatzsicherheit im Vordergrund stehe.

Ungeachtet aller Spekulationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist das Geschäft Insidern zufolge zunächst gesichert. Branchenkreisen zufolge konnten die Verhandlungen mit den Warenkreditversicherern erfolgreich abgeschlossen werden. Verabredungsgemäß fließen zudem in den nächsten Wochen weitere Mittel von Benko, wie eine mit Karstadt vertraute Person sagte. «Diese Tranche spielt eine entscheidende Rolle und sichert das Weihnachtsgeschäft ab», sagte der Insider. «Karstadt ist ein Sanierungsfall aber nicht pleite.» Allerdings ist sich Handelsexperte Roeb sicher: «Wenn Karstadt keine finanzielle Unterstützung für die Sanierung von den Eigentümern erhält, ist die Zukunft sehr ungewiss.»

Dass sich kurzfristig ein neuer Vorstand finden lasse, bezweifelte der Insider. Möglicherweise werde auf der Aufsichtsratssitzung Ende Juli darüber entschieden, einen neuen Sanierungsexperten zu verpflichten.

(reuters/ccr)