Es fällt schwer, dem Grauen des «Islamischen Staates» nach den Paris-Attentaten mit rationalen Kategorien zu begegnen. Doch gerade das ist wichtig, um die Terrororganisation nicht zu mystifizieren. Denn es ist Realität: Der IS mag für junge Männer anziehend sein, weil er ihnen Sinn stiftet und Macht verleiht. So mancher syrische Frontkämpfer reihte sich aber aus profanem Grund in die Terrorfront ein: Der IS zahlt besser.

Zum Vergleich: Die Freie Syrische Armee gewährt ihren Soldaten umgerechnet 60 US-Dollar im Monat, ausländische Kämpfer bekommen beim IS dagegen zwischen 400 und 1200 US-Dollar Gehalt. Es sind mehrere Wechsel zwischen den Fronten dokumentiert.

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«Historisch einmaliger Geschäftssinn»

Christina Schori Liang stellt fest: «Isis ist darum effektiv, weil er ein kriminelles beziehungsweise terroristisches Unternehmen ist mit einem historisch einmaligen Geschäftssinn.» Die Expertin für Sicherheitspolitik hat für den globalen Terrorismusindex vom Londoner Institut für Wirtschaft und Frieden die Finanzströme des IS zusammengefasst.

Der «Islamische Staat» ist die reichste Terror-Organisation, die es je gegeben hat. Auf gut 2 Milliarden Dollar wird ihr Vermögen geschätzt. Der Geschäftssinn zeigt sich auch in der Planung: Der IS hat festgelegt, wie Nachwuchs rekrutiert wird, hat strategische Ziele in einer «Vision 2020» formuliert und 14 Indikatoren benannt, um monatlich Investment und Performance von Region zu Region zu erfassen und zu bemessen.

Als Finanzquellen setzen die Islamisten laut den Daten von Wissenschaftlerin Schori Liang auf mehrere Standbeine:

Steuern und Schutzgelder

Der IS erhebt diverse Steuern und Abgaben. In den von ihnen beherrschten Gebieten werden 10 Prozent Einkommenssteuer und 10 bis 15 Prozent Umsatzsteuer fällig. Die Mehrwertsteuern wurden um 2 Prozent erhöht, dazu kommen Mautgebühren und Zölle.

Wer auswandern möchte, muss für die Erlaubnis bis zu 1000 US-Dollar bezahlen. Christen werden ausserdem gezwungen, Schutzgeld – Jiza – zu bezahlen. Dieser können sie nur entgehen, indem sie zum Islam konvertieren.

Antiquitäten

Der Islamische Staat zerstört die einzigartigen Kulturgüter im Irak und Iran nicht nur, sie verkaufen sie auch. Allein mit Gegenständen aus der Region Al-Nabuk sollen die Terroristen 36 Millionen US-Dollar verdient haben.

Auch Stücke aus Nimrud, Ninive und Hatra tauchen immer häufiger auf dem Schwarzmarkt oder bei Ebay auf. Laut internationaler Handelskammer der USA hat sich das Gewerbe mit Antiquitäten aus dem Irak seit 2014 vervierfacht.

Kidnapping und Menschenhandel

Der Erlös durch Kidnapping und Sklaverei ist eines der schmutzigsten Kapitel des Islamischen Staates. Mit Entführungen haben die Islamisten 2014 ganze 45 Millionen US-Dollar verdient. Der Handel mit Sklaven – vor allem weiblichen – floriert. Kinder und Jugendliche werden für die Organisation rekrutiert und ebenfalls zu Soldaten gemacht.

«Der Bruch der Menschenrechte ist ein Werkzeug des Terrors und eine Einkommensquelle zugleich», schreibt Schori Liang in ihrem Bericht. Ähnlich folgen auch die Anschläge einer ökonomischen Logik – maximale Aufmerksamkeit mit minimalem Aufwand.

Haupteinnahmequelle Öl

Die wichtigste Einnahmequelle bildet nach wie vor das Öl. Gut 1,5 Millionen Dollar verdient die Terror-Organisation täglich mit dem schwarzen Gold. Stand September 2015 verfügt sie über zehn Ölfelder in Syrien und im Irak.

Der Rohstoff gelangt dabei auf etablierten Schmuggelpfaden auf den Weltmarkt. Diese wurden oft bereits verwendet, um die Sanktionen gegenüber dem Irak zu umgehen. Und gelingt dem  Westen tatsächlich, die Lieferwege abzuschneiden, gibt es immer noch genug Abnehmer vor Ort. Teils kaufen das Öl tatsächlich die Gegner der IS, weil sie darauf angewiesen sind.

80 Prozent mehr Opfer durch Terror

Laut den Zahlen des Terrorindex hat die Macht des IS im vergangenen Jahr zugelegt. Demnach forderten Terroranschläge 2014 fast 33'000 Todesopfer. Damit starben 80 Prozent mehr Menschen durch Anschläge als noch ein Jahr zuvor. Das ist der höchste Anstieg, der je gemessen wurde. Zugleich nahmen die Kosten: Den wirtschaftlichen Schaden durch Terrorismus bezifferte die Organisation 2014 auf 53 Milliarden Dollar. Das ist zehnmal  so viel wie noch 2000.