Best Workplaces France hat Decathlon 2018 zum besten Arbeitsort Frankreichs gekürt, doch das sah Matthieu Leclercq anders. Der Verwaltungsratspräsident und Sohn von Decathlon-Gründer Michel Leclercq hat das Unternehmen Anfang Juli Knall auf Fall verlassen. Ein Brief an die Unternehmensspitze zeugt von einem zerrütteten Verhältnis zwischen Leclercq, dessen Familie das Unternehmen zu 40 Prozent gehört, und der Mehrheitsaktionärin, den ebenfalls zur Verwandtschaft gehörenden Mulliez. Er sei bei der Wahl seiner Berater nicht frei gewesen, beklagt sich Leclercq.

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Der abrupte Abgang zählt zu den wenigen Momenten, in denen es sich auch für eine auf Diskretion bedachte Unternehmerfamilie wie die der Mulliez nicht vermeiden lässt, Schlagzeilen zu machen. Ansonsten aber meidet der 500 bis 700 Mitglieder zählende und geschätzte 40 Milliarden Euro schwere nordfranzösische Clan die Öffentlichkeit, wenn immer es geht.

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Gérard Mulliez: Er hat das französische Firmenimperium geschaffen.

Quelle: Sasha Mordovets/Getty

40 Ketten, 90 Milliarden Euro Umsatz

Dabei zählt die fast schon amerikanisch anmutende Selfmade-Story zu den erstaunlichsten französischen Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahrzehnte. 1961 gründete Gérard Mulliez (gesprochen: «Mullié») in einer stillgelegten Fabrik in Roubaix seinen ersten Supermarkt. Das Terrain kommt von Papa, ebenfalls einem Gérard, einem Textilfabrikanten, doch um den Rest muss sich der Sohn selber kümmern. Benannt wird das Geschäft, ungewöhnlich im sprachverliebten Frankreich, ganz einfach nach dem Quartier, in dem es steht: Auchan, von Hauts-Champs.

Der Rest ist Geschichte. 2017 machte Auchan mit 3778 Verkaufsstellen in 17 Ländern mehr als 53 Milliarden Euro Umsatz, die separate Immobiliengesellschaft Ceetrus-Immochan zählt mit gegen 400 Einkaufszentren zu den grössten, auf Ladenflächen spezialisierten Liegenschaftsgesellschaften Europas.

Zum Imperium der Mulliez gehören mittlerweile fast 40 Ketten, darunter die Baumärkte Leroy Merlin, die etwas elegantere französische Alternative zu Hornbach, die Elektronikkette Boulanger oder die Kleiderketten Pimkie, Kiabi und Phildar. 90 Milliarden Euro Umsatz werden in der Galaxie jedes Jahr gemacht, 40 Milliarden davon in Frankreich.

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Decathlon: Die Spezialität sind günstige Eigenmarken.

Quelle: Cristina Arias/Getty

Masse, Masse und nochmals Masse

Die Sportkette Decathlon, die sich nun mit der Übernahme der 24 Athleticum-Filialen in der Schweiz installiert, machte 2017, nach vier Jahren im Plus, einen Umsatz von 11 Milliarden Euro. Das ist nur noch minimal weniger als der Schweizer Weltmarktführer Intersport.

Das Erfolgsrezept von Decathlon sind Eigenmarken und Masse, Masse und nochmals Masse. In diesen Tagen ist an der Mittelmeerküste eine spezielle Tauchermaske von Decathlon tausendfach im Einsatz, mit der das Unternehmen Millionen an Euro verdienen dürfte. Der Clou: Easybreath, so der Name, bedeckt nicht nur die Augen, sie geht übers ganze Gesicht, der lästige Schnorchel im Mund fällt weg, geatmet wird wie über Wasser mit Mund oder Nase. Der Preis für die Eigenentwicklung: ab 26.95 Franken.

Erfolg mit Tiefstpreisen

Das Prinzip von Decathlon – eine Einsteigerlinie, bei welcher der Konkurrenz die Spuke wegbleibt. Rücksäcke für 3.50 Franken, Kinder-Velohelm für 5.90. Dann eine zweite und dritte Gamme, bei der Preis und Leistung stimmen. «Die Produkte zum Einsteigerpreis sind liebloser Schrott», so der Befund von Reto Stamm, Inhaber des Winterthurer Sportfachgeschäfts Total Sport und Betreiber des Online-Shops Sportliquidation.ch, der die – noch vor der Übernahme der Athleticum-Filialen eröffnete – Filiale von Decathlon in Marin-Epagnier NE vor einem Jahr zusammen mit der «Handelszeitung» besuchte. Doch der «Schuss aus der zweiten und dritten Preisreihe» sitze, preislich und qualitativ.

Intersport: Der Konkurrent Decathlon setzt den Schweizer Anbieter unter Druck.

Sportsgeist hingegen sucht man bei Decathlon vergebens. Die Verkaufsflächen gleichen eher einem Baumarkt und auch mit der Beratung ist es nicht weit her. Wer als Fachhändler für Emotionen sorge im Laden, Personal ausbilde, seine Kunden kenne, der müsse nicht zittern vor Decathlon, sagt Reto Stamm. Zudem werde es wohl noch wichtiger werden, sich auf bestimmte Sportarten zu konzentrieren. «Wir haben das schon vor einiger Zeit gemacht, wir konzentrieren uns heute auf Ski im Winter und auf Velo im Sommer.»

Schweizer Konkurrenz unter Druck

Für die verbleibenden Schweizer Platzhirsche wie Sport XX, Ochsner Sport und Intersport hat die Übernahme zwei Nachrichten bereit. Die gute, dass bei Nike, Adidas und Co. ein Konkurrent mehr oder weniger wegfällt. Vor allem den Deutschschweizern müssen die Decathlon-Eigengebräue wie Kalenji (Schuhe), Kipsta (Funktionswäsche), Fouganza (Bergsport), Artengo (Tennis) und Domyos (Yoga und Gymnastik) aber erst noch nähergebracht werden. Die schlechte Nachricht ist, dass das Rennen bei den Sportartikeln noch enger wird, sollten die Mulliez und Leclercqs auch diese Partie gewinnen.