Schräges Design zu kleinen Preisen: Mit diesem Konzept feiert die dänische Kette Tiger Erfolge. Am 9. März eröffnet in Luzern die erste Filiale in der Schweiz. «Halloj Luzern» grüsst bereits jetzt ein Plakat die Kundschaft. Die 1995 in Kopenhagen gegründete Ladenverbund ist mittlerweile in 27 Ländern verbreitet, ihre Produkte haben zahlreiche Designpreise gewonnen. Xavier Vidal leitet das Unternehmen seit 2015 – und erklärt im Gespräch, warum zur Aufnahme eines Plüsch-Flamingos ins Sortiment viel Sorgfalt gehört.

Herr Vidal, am 9. März eröffnet in Luzern die erste Tiger-Filiale. Retail-Profis fällt es schwer, die Kette zu beschreiben. Einige nennen sie Ikeas exzentrische Cousine, andere einen edlen 1-Euro-Laden. Wie beschreiben Sie Ihr Geschäft?
Xavier Vidal: Ich mag die Definition der US-Medien. Wir haben kürzlich eine Filiale in New York eröffnet. Die Medien beschrieben unser Geschäft wie folgt: Wenn Ikea ein Kind mit einem Dollar-Store hätte, wäre das Tiger. Das finde ich grossartig. Tiger ist ein Ort, an dem sich Kunden amüsieren. In den Läden sieht man Leute tanzen, lachen, Selfies machen, lustige Hüte anprobieren. Es ist ein Ort, an dem wir alltägliche Produkte verkaufen, die aber gleichzeitig überraschend sind – Tiger ist wie eine grosse Schatzsuche.

Tiger verkauft alles von der Zahnbürste über den Plastik-Schnurrbart bis hin zum Plüsch-Flamingo. Steckt da ein Konzept dahinter?
Wir geben uns bei der Auswahl unserer Produkte viel Mühe. Und wir haben dabei immer unsere Mission vor Augen: Wir wollen unsere Kunden inspirieren, neue Dinge auszuprobieren und möchten, dass sie die Produkte, die sie bei Tiger entdecken, mit ihren Freunden und ihrer Familie teilen. Hinter unseren Produkten stecken sieben Designer mit grossen kommerziellen Teams, die ständig auf der Suche nach neuen Produkten sind. So können wir jeden Monat 300 Neuheiten auf den Markt bringen.

Haben alle Produkte dänisches Design?
Wir verkaufen San-Pellegrino-Wasser, das hat definitiv kein dänisches Design. Aber die meisten unserer Produkte sind durchaus Tiger-Produkte. Eines, auf das ich sehr stolz bin, ist die dänische Keksdose auf meinem Tisch – die hat sogar den IF Designpreis erhalten. Wir haben auch unsere eigene dänische Königin entworfen – mit ihrem Hund, einer Flagge und einem Hotdog. Dänischer geht’s kaum.

Sie sind mittlerweile in 27 Ländern mit 592 Läden vertreten. Warum kommen Sie erst jetzt in die Schweiz?
Wir warten immer, bis wir den richtigen Partner gefunden haben. Vor einem Jahr lernte ich unseren Schweizer Chef, Ramon Stauffer, kennen. Er passt sehr gut in unsere Kultur und zu unseren Zielen und kennt den Schweizer Markt. Wir waren bisher mit jedem Markteintritt sehr erfolgreich. Ich erwarte, dass es in der Schweiz dasselbe sein wird.

Sie wollen 30 Läden in der Schweiz eröffnen. Wieso starten Sie in Luzern?
Viele meinen, dass Zürich die offensichtliche Wahl gewesen wäre. In den meisten Ländern haben wir unseren ersten Laden aber nicht in einer der grössten Städte eröffnet. Unser Erfolgsrezept ist, dass wir einen lokalen Partner suchen und ein Joint Venture zu bilden – 50/50. In Luzern haben wir die perfekte Lage und den richtigen Partner gefunden. Wenn dieser erste Laden gut läuft, eröffnen wir den nächsten – vermutlich in einer grösseren Stadt wie Zürich, Basel, Genf. Und wir wollen in Shopping Malls präsent sein.

In New York werden 90 Prozent der Produkte für unter 15 Dollar (rund 15 Franken) verkauft. Werden die Preise in der Schweiz ebenso niedrig angesetzt?
Preise sind nicht unsere Priorität, die Kunden sollen primär eine gute Shopping-Erfahrung haben. Unser oberstes Ziel auf allen Märkten ist, dass Kunden unsere Produkte mögen – wenn sie zusätzlich überrascht sind, sobald sie das Preisschild sehen, ist es umso besser. Nicht alle unsere Produkte sind jedoch so niedrigpreisig. In New York ist zum Beispiel ein Teppich aus Nepal ein Verkaufsrenner – obwohl dieser 100 Dollar kostet. Und trotzdem sind die Kunden überrascht: Denn anderswo würde dieser das Doppelte kosten.

Die Preise sind vergleichbar – vom hochpreisigen Norwegen bis zum preissensiblen Spanien. Wie geht das?
Wir diktieren unseren lokalen Partnern keine Preise. Wir geben ihnen einen Maximalpreis an – welchen Preis die Partner schlussendlich verlangen, entscheiden sie aber selbst. Darum unterscheiden sich teilweise die Preise sogar auf demselben Markt. Wir wollen unsere Produkte schnell verkaufen, darum reduzieren viele Läden die Preise, um das saisonale Lager zu leeren – das hat aber nichts mit Discounter-Preisen zu tun. Wir wollen unsere Kunden mit Preisen überraschen, darum könnte ein Preis in Norwegen und Spanien gleich sein.

Drücken die niedrigen Preise auf die Produktionsbedingungen?
Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles, was wir angehen, korrekt tun. Wir halten uns an die Gesetze und durchlaufen die Tests, die verlangt werden. Wenn es nicht möglich ist, ein Produkt zu beziehen, ohne unsere Unternehmensverantwortung wahrzunehmen, beziehen wir es nicht. Wir wollen den Kunden ein tolles Produkt zu einem tollen Preis bieten – aber wir kompromittieren die Herstellungsbedingungen nicht für den Preis.

Der Franken ist stark, viele Menschen kaufen im Ausland ein. Gefährdet das Ihr Geschäft?
Der Einkaufstourismus ist für Tiger kein Problem. In der Nähe der Schweizer Grenze gibt es keinen Tiger. Ausserdem geht es bei Tiger um das Shopping-Erlebnis, das haben sie in anderen Läden nicht. Es kann zudem sogar sein, dass einige unserer Produkte günstiger sind als jene in Deutschland oder Frankreich, weil wir grosse Mengen absetzen.

Es gibt in der Schweiz bereits Ikea, Depot oder Butler, die auf Einrichtungswaren spezialisiert sind. Hat Tiger überhaupt Platz auf dem kleinen Markt?
Obwohl wir wie die anderen Läden auch Gläser, Stifte oder Schalen anbieten, ist unser Design und die Art, wie wir die Produkte verkaufen, ganz anders. Viele Ikea-Kunden kommen auch zu Tiger für das Erlebnis. Bevor ich bei Tiger angefangen habe zu arbeiten, konnte ich selbst nie einen Laden betreten, ohne etwas zu kaufen.

Sie sind seit knapp über einem Jahr im Amt und haben ein gut laufendes Geschäft übernommen. Geht das so weiter?
Ich bin sehr zufrieden mit unserem Geschäftsgang. Jedes Mal, wenn ich einen unserer Kunden lächeln sehe, denke ich: Es ist wirklich ein grossartiges Geschäftsmodell. Die Wachstumsmöglichkeiten für Tiger sind riesig – auch auf den bereits bestehenden Märkten – und wir wollen weiter wachsen. Es gibt noch viel Platz für weitere Läden und neue Regionen, in die wir expandieren können.

Haben Sie Pläne, an die Börse zu gehen?
Das müssen Sie den Verwaltungsrat fragen. Ich habe genug mit dem Business zu tun. Für dieses würde es im Übrigen keinen Unterschied machen, ob wir an der Börse kotiert sind oder nicht.

Was ist Ihr Lieblingsprodukt?
Bei Tiger kann man jeden Monat ein neues Lieblingsprodukt haben. Diesen Monat – Sie werden lachen – ist meins eine Kollektion von Gartenzwergen. Diese sind aber nicht normale Gartenzwerge, sondern man kann sie anmalen. Letzte Woche waren meine drei kleinen Söhne im Büro und haben je einen dekoriert. Die Zwerge erinnern mich jetzt an meine Kinder, wenn ich nicht zu Hause bin. Das ist das Schöne an Tiger: Man findet immer etwas, das für einen einzigartig ist.

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Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren