Die Position der Bündner Ems-Chemie ist im Vergleich zu jener von Ciba und Clariant zu beneiden. Daran werden auch die Halbjahreszahlen des Unternehmens nichts ändern, die Ems am 11. Juli vorlegt.
An der Börse hat die Ems-Aktie seit Anfang 2003 um mehr als 45% zugelegt, während der Titel von Ciba mehr als 70% und jener von Clariant mehr als 50% abgestürzt sind. Die «Pole-Position» der Bündner zeigt sich auch an den Bewertungen: Ems weist laut Bloomberg für 2009 ein geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,3 aus, während sich jenes von Ciba bloss auf 7,5 und das von Clariant auf 6,6 beläuft.
Dabei ist das Umfeld für alle Anbieter der Branche garstig. Dem kann sich auch das Unternehmen im Mehrheitsbesitz und unter der Leitung von Magdalena Martullo-Blocher – der Tochter von SVP-Politiker Christoph Blocher – nicht entziehen. Die Abschwächungs-tendenzen der Weltwirtschaft trüben die Aussichten der gesamten Branche. Dazu kommen die hohen Ölpreise, die in der Chemiebranche besonders stark auf die Kosten drücken.
Innovative Nischenprodukte
Dieser Doppelbelastung kann Ems besser widerstehen, weil sie im Gegensatz zu Clariant und Ciba mit innovativen Nischenprodukten dem Anspruch nach «Spezialitätenchemie» besser gerecht wird: Das Unternehmen setzt auf sogenannte Hochleistungspolyamide, die Metalle oder Glas ersetzen können, sich durch Beständigkeit unter grosser Hitze ausweisen und die in enger Zusammenarbeit mit den Kunden aus der Industrie entwickelt werden. «Damit folgt das Produktportfolio von Ems gleich mehreren Megatrends», sagt Martin Schreiber, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank ZKB. Diese Nischenprodukte binden die Kunden ans Unternehmen. Das schützt Ems besser vor Absatzeinbrüchen und die höheren Kosten können über die Preise an die Kundschaft abgewälzt werden. So ist Ems über das gesamte Geschäft mehr als doppelt so profitabel wie Ciba oder Clariant. Das zeigt sich an den Margen: Die Bank Vontobel schätzt jene auf Stufe Ebit für Ems 2008 auf 16,4%, verglichen mit 6,9% bei Clariant und 7,6% bei Ciba.
Und Ems will weiter fokussieren. So hat CEO Magdalena Martullo-Blocher bereits früher erklärt, sich vom Segment Feinchemikalien/Engineering trennen zu wollen. Hier werden Härter und Lacke hergestellt sowie Zünder für Airbag-Gasgeneratoren. Das Segment hat einen Anteil von etwa 8% am Gesamtumsatz.
Im dann verbleibenden Segment Polymere Werkstoffe stellt Ems neben den erwähnten Polyamiden auch Klebstoffe, Abdichtmaterialien und Beschichtungen her. Hauptabnehmer der Produkte ist die Autoindustrie. Auf ganze 55% wird ihr Anteil am Gesamtumsatz geschätzt – im Vergleich zu 10% bei Ciba und nur 5 % bei Clariant. Die wichtigsten Kunden von Ems sind laut ZKB-Analyst Martin Schreiber BMW, Audi und Mercedes.
In diesem Kundenkreis liegen für Ems die grössten Risiken. Autobauer leiden unter den Folgen des Konjunkturrückgangs (siehe auch Seite 8). Besonders dramatisch sieht es in den USA aus.
Laut Schätzung von Martin Schreiber von der ZKB beläuft sich der US-Umsatzanteil von Ems jetzt auf rund 14%. Die neu voll konsolidierte Tochter EFTEC hat diesen Anteil um 5% erhöht. An der Bedeutung der Autobranche liegt es, dass die Ems-Aktie seit April fast 15% nachgegeben hat.Im Vergleich zu Ems ist das Sortiment von Ciba und Clariant weniger fokussiert. Die Produkte beider Unternehmen sind zudem früher in der Wertschöpfungskette angesiedelt und damit im Vergleich zu den Bündnern mehr «Massen-» als «Spezialitätenchemie».
Das schränkt ihre Möglichkeit ein, ohne Umsatzverluste höhere Kosten über die Preise an die Kundschaft weiterzugeben, was beide Unternehmen allerdings im Einklang mit der ganzen Branche zunehmend versuchen.
Ciba gelobt Besserung
Dabei wird Clariant mehr Preismacht zugetraut als Ciba. Letztere hat laut Martin Schreiber von der ZKB bisher mehr den Fokus auf das Generieren von Mengenwachstum gerichtet.
Immerhin hat Ciba-CEO Brendan Cummins am Montag in einem Reuters-Interview Besserung gelobt: 40% der Produkte sollen aus dem Angebot verschwinden und bloss noch Geschäfte fortgeführt werden, die zumindest die Kapitalkosten decken. Diese werden vor allem im Papier und Druckfarbengeschäft kaum mehr erwirtschaftet.
Deshalb droht Ciba weiteres Ungemach. Immerhin hat das Unternehmen noch einen Goodwill von 1,5 Mrd Fr. in den Büchern – 45% des Eigenkapitals – 1,2 Mrd allein im Segment Water & Paper Treatment. Das sind die Spätlasten von überteuerten Akquisitionen der Vergangenheit. Schon beim Jahresabschluss 2007 schrammte Ciba haarscharf an einer Wertberichtigung vorbei. Die weiterhin schlechten Aussichten im Bereich könnten einen solchen nun erzwingen. Ebenso dann, wenn Teile daraus verkauft werden – zu einem Preis, der kaum den hohen Werten in den Büchern entsprechen dürfte.
Solche Probleme kennen weder Clariant noch Ems. Wegen ihrer Bilanz braucht sich Ems ohnehin weniger Sorgen zu machen. Der Anteil an flüssigen Mitteln und Wertpapieren belief sich beim letzten Abschluss noch auf mehr als 1 Mrd Fr., was den gesamten Fremdkapitalbestand übersteigt. Bisher nutzt das Blochersche Unternehmen die Mittel vor allem für Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen. Auch deshalb ist das Unternehmen bei Anlegern derart beliebt.