Die Wissenschaftler von De Beers können im Labor nahezu makellose Diamanten herstellen, doch das 127 Jahre alte Unternehmen würde die Steine niemals verkaufen.

Die De Beers-Sparte Element Six, benannt nach der Ordnungszahl von Kohlenstoff im Periodensystem, stellt Edelsteine her, die so perfekt wie die Juwelen in den Läden von Tiffany & Co. sind. Ihr Bestimmungsort ist allerdings ein Bürokomplex aus den 1980er Jahren in der Nähe von London. Dort nimmt ein 62-köpfiges Team die Gebilde unter die Lupe und entwickelt Prüfmaschinen für Diamanthändler, um unter den echten Steinen die synthetischen Varianten herauszufischen.

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Auch wenn künstliche Diamanten weiter nur einen geringen Teil des Markts ausmachen, werden sie mittlerweile massenproduziert, und Einzelhändler wie Wal-Mart verkaufen solche Klunker an Kunden, die eine günstigere Alternative wollen. Da die Synthese-Steine von den natürlich vorkommenden Diamanten fast nicht zu unterscheiden sind, versuchen einige Verkäufer, sie als geschürfte Steine durchgehen zu lassen. In indischen Bearbeitungszentren wurden Pakete mit einer Mischung aus echten und synthetischen Diamanten gefunden.

Fälschungen schaden dem Ruf der Branche

Für den Diamantkonzern De Beers, der früher beinahe eine Monopolstellung im Handel einnahm und den Markt sowohl beherrschte als auch versorgte, stellen die Betrüger eine Bedrohung für das Kundenvertrauen in die weltweit 80 Milliarden Dollar (71 Milliarden Euro) schwere Branche dar.

«Wir sind sehr auf die Entdeckung solcher Steine fokussiert», sagt Simon Lawson, Leiter von Technologies U.K. bei De Beers. «Das untermauert die Reinheit natürlicher Diamanten und gewährleistet, dass Verbraucher nicht getäuscht werden und ungewollt einen synthetischen Diamanten kaufen.»

Die illegale und als «Peppering» bezeichnete Praxis, künstlich hergestellte Diamanten mit denen aus der Erde geholten zu vermengen, bedroht die Anstrengungen der Produzenten, das Image natürlicher Diamanten zu verteidigen und zu fördern, die teurer sind als ihre synthetischen Pendants. De Beers stellt zwar Synthese-Steine her, die aber zu 99 Prozent für industrielle Zwecke verwendet werden – beispielsweise auf Bohrköpfen in der Ölbranche. Die Stücke in Edelsteinqualität sind aber allein dazu bestimmt, dem Unternehmen zu helfen, künstliche Konstrukte aus Laboren zu identifizieren.

Branche kämpft mit sinkenden Preisen

Einzelhändler verkaufen künstliche Diamanten mit einem Abschlag von 30 Prozent bis 40 Prozent. Die Steine, die im Labor in bis zu zehn Wochen hergestellt werden können, finden besonders unter jüngeren Käufern Anklang. Das bereitet Diamantkonzernen weiteres Kopfzerbrechen, da sie ohnehin schon unter Druck stehen, Angebot und Preise zu verringern. Die Händler, Schleifer und Polierer kämpfen bereits inmitten einer Kreditklemme und nachlassender Schmuckverkäufe um ihren Gewinn. Ein Preisindex für polierte Diamanten fiel im vergangenen Monat auf ein Fünfjahrestief.  

De Beers nutzt nun Wissenschaftler und Technologie, um den Schwindeleien auf die Schliche zu kommen. In den De Beers-Büros in Maidenhead in Grossbritannien, in der Nähe des ehemaligen Hauses von Milliardär und Diamant-Magnat Harry Oppenheimer, werden neue Edelsteine geschaffen, die Erkennungsgeräte täuschen können. Dadurch will sich das Unternehmen einen Eindruck verschaffen, womit man es in den nächsten paar Jahren bei den Synthese-Steinen zu tun bekommen könnte, erklärt Lawson.

Mit Spezialmaschinen gegen Betrug

Die Wissenschaftler haben drei Maschinentypen entwickelt, die jeweils bis zu 55'000 Dollar (48'800 Euro) kosten und normalerweise von Diamantbörsen rund um die Welt gekauft werden. Eine davon braucht etwa vier Sekunden, um den atomaren Aufbau eines Steins nach Verunreinigungen abzusuchen. Die 2 Prozent der Diamanten, die durch den Test fallen, werden dann mit ultraviolettem Licht bestrahlt und in einem anderen Gerät betrachtet. Inkonsistenzen in Fluoreszenz und Phosphoreszenz können dem Bediener der Maschine zeigen, dass es sich wahrscheinlich um ein von Menschen geschaffenes Produkt handelt.  

«Wenn man einen Edelstein poliert, gibt es einen Hinweis auf seine Entstehungsgeschichte», sagt Philip Martineau, Physik-Chef im Forschungszentrum von De Beers. «Sie ahmen die Natur nicht nach. Das ist der Unterschied, der uns Anhaltspunkte gibt.»

Falsche Diamanten zerstören das Vertrauen

De Beers ist nicht der einzige Hersteller solcher Aufspürgeräte. Das Gemological Institute of America (GIA) stellt seine eigenen Prüfmaschinen her und kündigte im vergangenen Monat an, mit der Herstellung synthetischer Diamanten zu beginnen, um die Erkennung solcher Steine im Hause zu verbessern.

Die grossen Diamantzentren sind der Sache bereits auf den Leim gegangen. Im Jahr 2012 wurden nach Angaben des International Gemological Institute 600 Synthese-Edelsteine zwischen 0,3 und 0,7 Karat in Antwerpen und Mumbai gefunden, die nicht als solche ausgewiesen waren, sowie weitere im Jahr 2013 und diesem Jahr. Im Februar wurde ein Paket mit 110 künstlichen Diamanten in Indien abgefangen, wie die Surat Diamond Association mitteilte. Auch wenn nur wenige Daten über die Menge an synthetischen Steinen vorliegen, die als echt ausgegeben wurden, werden Organisationen wie GIA zufolge immer mehr aufgespürt. 

Die von Unternehmen wie De Beers und GIA unternommenen Schritte, der Täuschungen vorzugehen, kommen den Einzelhändlern zugute, erklärt Daniel Rosen, Eigentümer des Schmuckverkäufers 4Cs Diamonds im Londoner Diamantviertel Hatton Garden. «Das ist eine Branche, die auf Vertrauen aufgebaut ist», sagt er. «Wenn man das Vertrauen bricht, ist es vorbei. Das muss bloss einmal passieren.»

Künstliche Diamanten stark nachgefragt

Etwa 360'000 Karat synthetischer Diamanten wurden im vergangenen Jahr hergestellt, verglichen mit 126 Millionen Karat natürlich geschürfter Diamanten. Die synthetische Produktion wird im Zuge einer steigenden Nachfrage der Einzelhändler nach billigeren Alternativen wahrscheinlich im Jahr 2018 auf zwei Millionen Karat und bis 2026 auf 20 Millionen Karat hochschnellen, erwartet der Marktforscher Frost & Sullivan.

Trotz des zunehmenden Wettbewerbs hat De Beers nicht die Absicht, Synthese-Steine zu verkaufen. «De Beers’ Fokus liegt auf natürlichen Diamanten», erklärt Lawson. «Wir würden nichts unternehmen, das die Branche kannibalisieren würde.»

(bloomberg/jfr)