Vorschusslorbeeren gab es keine. Stattdessen herrschte Skepsis, als Erik Fyrwald 2016 von der neuen Eigentümerschaft in China an die Spitze des Basler Agrochemiekonzerns Syngenta geholt wurde.

Viel Spielraum werde der neue Konzernchef nicht haben mit den neuen Besitzern, prophezeiten die Kritiker. Die neuen Besitzer in den Chefetagen des chinesischen Staatskonzerns Chemchina und die Herren im kommunistischen Partei-Establishment hätten nun das Sagen, und das verheisse nichts Gutes.


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Fast vier Jahre später ist die Realität eine andere. Gewiss, ohne Chemchina-Chairman Frank Ning, den starken Mann des chinesischen Staatskapitalismus, geht bei Syngenta nichts. Und: Syngenta muss bluten, um die horrende Schuldenlast zu reduzieren, die ihrer chinesischen Muttergesellschaft unter anderem durch die Übernahme entstanden ist. Eine erste Tranche über 4,7 Milliarden Dollar wurde 2018 abgesogen.

In den nächsten Jahren soll jährlich 1 Milliarde Dollar an Dividenden anfallen.
Unternehmerisch aber hält der heute sechzigjährige Fyrwald die Zügel in der Hand. Der gebürtige Norweger und ehemalige amerikanische Chemiemanager geniesse das volle Vertrauen der chinesischen Besitzer und sitze fester denn je im Sattel, heisst es aus dem Umfeld der Firma.

Syngenta ist neu Nummer eins

Jüngster Beweis dafür ist die Beförderung Fyrwalds zum Chef einer Syngenta-Gruppe, der nebst Syngenta (13,5 Milliarden Dollar Umsatz) auch die von Chemchina kontrollierte israelische Adama (3,9 Milliarden) und das Düngergeschäft des zweiten chinesischen Chemieriesen Sinochem (3,5 Milliarden) gehören.

Der mit wenig Kredit gestartete Fyrwald gebietet damit über ein Agro-Imperium, das vom Saatgut über Pestizide bis zum Fertilizer alles im Angebot hat, was die Landwirtschaft braucht. Mehr noch: Mit einem konsolidierten Umsatz von 23 Milliarden Dollar und 48 000 Angestellten lässt der Amerikaner mit norwegischen Wurzeln die Konkurrenz in Deutschland (BASF und Bayer) und in den USA (Dupont und Dow Chemical) weit hinter sich.

Position in China stärken

Die industrielle Logik dabei: die Position der Gruppe in China zu stärken, damit die chinesischen Bauern im noch immer extrem fragmentierten chinesischen Agrarmarkt auch wirklich Zugang zu den Produkten von Syngenta und Adama bekommen.

Immerhin war das ja der Grund, weshalb Chemchina damals 43 Milliarden auf den Tisch legte. Zudem soll der Zusammenschluss über die nächsten fünf Jahre Synergien im Umfang von 1 Milliarde bringen.

«Im Vordergrund stehen Synergien beim Vertrieb», sagt Erik Fyrwald in einem Gespräch am Rande des WEF; «die Verkaufsteams von Syngenta schauen, welche Adama-Produkte sie in ihre Palette aufnehmen können und umgekehrt.» Zudem verspricht der neue starke Mann im chinesischen Agro-Universum, dass die Erweiterung um das Generikageschäft von Adama nicht auf Kosten der Innovationskraft gehen werde.

Im Gegenteil: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung – mit 1,3 Milliarden Dollar bereits heute bedeutend – sollen dank des Zusammenschlusses «signifikant steigen». Zudem: Der Schweizer Syngenta-Forschungsstandort im aargauischen Stein werde auch künftig eine zentrale Rolle spielen. «Unsere Forschungschefin Camilla Corsi wird weiterhin in Stein sein und wir werden weiter hier an neuen Produkten forschen».

Fyrwald gibt die Richtung vor


Der Konzernchef sagt, wohin die Reise gehen wird – trotz chinesischen Besitzern. In der Hotellobby in Davos erzählt er von einem Digitialisierungsprojekt in China, bei dem es darum gehe, Erdbeeren möglichst schnell zu den Konsumenten zu bringen.

Pure Red Strawberry, so der Name des Programms, für das Syngenta mit den Lebensmittelgeschäften von Alibaba zusammenspannt, macht es möglich, dass die Konsumenten mithilfe eines QR-Codes auf den Verpackungen alles erfahren können, was sie wissen wollen: Wann und wo die Erdbeeren gepflückt wurden, wer sie angebaut hat. Der Bauer wird sogar in einem Bild gezeigt.


Zwei Milliarden Dollar will Fyrwald über die nächsten fünf Jahre in die Entwicklung digitaler Tools stecken. Drohnen, die es ermöglichen, den Pestizideinsatz zu reduzieren, Tools, welche die Produkte nachverfolgbar machen: Syngenta, das Tech-Powerhause – der CEO gibt den Weg vor.

Um eine Hürde kommt aber auch Fyrwald nicht herum: Die chinesische Eigentümerschaft bleibt der grösste Schwachpunkt, wenn es darum geht, die Gruppe 2022 wie geplant teilweise wieder an die Börse zu bringen.