Der Glaube an Fortschritt gehört bei den Silicon-Valley-Grössen wie Google oder Facebook zum Geschäftsmodell. Werte wie Gleichberechtigung oder Demokratie werden offiziell besonders grossgeschrieben. Erst einmal an der Börse, sind die Standards dann weit weniger hoch. Die Mitsprache der Investoren ist offenbar nicht erwünscht.

So verliert die etablierte Regel «Eine Aktie, eine Stimme» bei den IT-Grössen zunehmend an Gültigkeit. Facebook-Chef Mark Zuckerberg besitzt zwar nur 14 Prozent der Aktien, kontrolliert jedoch über eine nur ihm zugängliche Aktienklasse 60 Prozent der Stimmrechte und damit das gesamte Unternehmen. Die umstrittene Doppelrolle des CEO und Verwaltungsratspräsidenten kommt noch dazu.

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Laut Zuckerberg könne sich Facebook «wirklich glücklich schätzen», von einem einzigen Aktionär kontrolliert zu werden. Bis zum vergangenen Herbst hatte Zuckerberg gar die Einführung einer dritten, gänzlich stimmrechtslosen Aktienkategorie geplant. Kurz bevor der Fall vor Gericht ging, zog sich Zuckerberg zurück.

Facebook-Stand bei den Online Marketing Rockstars

Facebook wird von Mark Zuckerberg kontrolliert.

Quelle: Keystone .

Voreiter Alphabet

Vorreiter ist Alphabet. Bei der Google-Mutter haben sich die Gründer Larry Page und Sergey Brin mit Hilfe einer stimmgewaltigen Aktienklasse, der B-Shares, im April 2014 die Macht gesichert. Jede dieser Aktien hat zehn Stimmen. Im Gegenzug verzichten Anleger, die in C-Shares investieren, auf ihre Mitsprache.

Dem Vorbild der Google-Gründer ist nicht nur Facebook, sondern auch LinkedIn, Groupon, Zynga, Fitbit oder Snap gefolgt. Mittlerweile beschneidet jede zehnte börsenkotierte US-Technologiefirma über eine zusätzliche Aktiengattung die Rechte ihrer Aktionäre. Es ist zu befürchten, dass Airbnb und Uber bei ihren geplanten Börsengängen keine positiven Ausnahmen bilden.

Larry Page Google

Diente als Vorbild: Google-Gründer Larry Page.

Quelle: Justin Sullivan/Getty Images

Weltweit auf dem Vormarsch

Befeuert wird der Trend von den Börsen. An der Wall Street, dem grössten Kapitalmarkt der Welt, sind verschiedene Aktiengattungen kein Problem. Alibaba hat nicht zuletzt aus diesem Grund nicht Hongkong, sondern New York als Handelsplatz gewählt.

Um im weltweiten Wettbewerb der Börsen nicht unter die Räder zu kommen, hat Hongkong jetzt Pläne zur Zulassung von stimmrechtslosen Aktien verkündet. In Singapur ist das bereits passiert. Auch in London wird über das Thema diskutiert. In der Schweiz sind verschiedene Aktienkategorien seit langem erlaubt.

Namen- und Inhabertitel werden etwa von der Swatch Group begeben. Traditionell versuchten Familienkonzerne so ihre Macht zu erhalten. Einige Firmen gehen vorbildlich voran. EMS-Chemie hat seit 2003 nur noch einheitliche Namenaktien nach dem Prinzip «eine Aktie ist eine Stimme».

Widerstand wächst

Auf Investorenseite wächst der Widerstand. Norwegens Staatsfonds spricht sich offen gegen eine Ungleichbehandlung aus. Druck wird über die Indexhersteller gemacht. S&P Dow Jones und FTSE Russell schliessen inzwischen stimmrechtslose Aktien aus ihren Kursbarometern aus. Somit müssen passive Fonds nicht mehr in diese Valoren investieren.

Während die Befürworter unterschiedlicher Aktiengattungen mit der Unabhängigkeit vom Quartalsdenken argumentieren, bringen die Gegner Microsoft ins Spiel. Gründer Bill Gates setzte seine Vision um, auch ohne die Rechte der Investoren mittels einer eigenen Aktiengattung zu beschneiden.

Erich Gerbl
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