Zeit ist Geld. Das gilt ganz besonders in der Biotechnologiebranche. Eine Verzögerung kann über Sein oder Nichtsein entscheiden. Das musste am 19. Mai Santhera erfahren. Das Liestaler Unternehmen hat bei einer Studie zu seinem Hoffnungsträger Catena gegen eine seltene neuromuskuläre Erbkrankheit in den USA das gesetzte Ziel zum Wirksamkeitsnachweis nicht erreicht.
Damit ist das Projekt wie auch das ganze Unternehmen gefährdet. Immerhin bleibt CEO Klaus Schollmeier zuversichtlich. Die Chancen blieben intakt, doch werde Santhera dadurch um mindestens zehn Monate zurückgeworfen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters und kündigte Sofortmassnahmen an: «Wir müssen uns jetzt unseren Geschäftsplan anschauen und falls nötig angemessene Massnahmen ergreifen, um so viel Geld zu erhalten, wie wir brauchen.»
Ihre bisher einzige Zulassung hat Santhera für Catena in Kanada erhalten. Und selbst diese wurde nur unter der Auflage erteilt, dass das Unternehmen weitere Studienergebnisse zur Wirksamkeit des Produkts nachliefert. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA hat sich schon im November 2008 zum zweiten Mal gegen das Medikament ausgesprochen. An der Börse hat der neuerliche Rückschlag daher wenig Gnade gefunden, die Santhera-Aktie hat unmittelbar darauf die Hälfte ihres Werts verloren.
Immer mehr Firmen betroffen
Die Anleger haben das Schicksal von Arpida im letzten Jahr oder kürzlich jenes von Bioxell noch plastisch vor Augen. Die beiden Unternehmen sind mit ihren Hoffnungsträgern ebenfalls gescheitert. Im Fall von Bioxell war es ein Rückschlag in einer klinischen Studie, Arpida ist bei den US-Zulassungsbehörden abgeblitzt. Beide Unternehmen hatten kein Produkt auf dem Markt. Beide stehen vor dem Aus und können nun nur noch auf ein Wunder hoffen oder einen Käufer für die verbliebene Pipeline.
Die Unternehmen können nicht länger auf einen möglichen späteren Durchbruch ihrer Produkte warten, weil ihnen dazu das Geld fehlt. Der globale Biotechreport und jener für die Schweiz des Beratungsunternehmens Ernst & Young zeigt, dass der mangelhafte Zugang zu den Kapitalmärkten das grösste Problem für die Branche darstellt. In der Schweiz haben die Biotechunternehmen 2008 zwar insgesamt den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 7% auf 8,7 Mrd Franken zu steigern vermocht, doch gleichzeitig brach der Zufluss an Kapital im gleichen Zeitraum um 75% auf noch 228 Mio Fr. ein. Für kleinere Unternehmen, die nach wie vor Verluste schreiben, ist der Kapitalmarkt praktisch geschlossen. Was bleibt, sind letztlich nur noch Privatplatzierungen. So hat immerhin Ernesto Bertarelli auf Santhera gesetzt. Der Ex-Serono-Inhaber hat sich über das Investmentvehikel Ares Life Science seiner Familie im letzten Herbst mit 15,9 Mio Fr. am Unternehmen beteiligt.
Im Fokus steht zunehmend auch Basilea. Noch vor kurzem hatte Basilea unter den Schweizer Biotechunternehmen als Hoffnungsträger gegolten. Immerhin ist das Unternehmen bereits mit zwei Medikamenten auf einzelnen Märkten vertreten: Mit Zeftera gegen schwere Haut- und Weichteilinfektionen und mit Toctino gegen schwere Handekzeme. Doch seit Anfang Jahr hat auch die Aktie von Basilea mehr als 40% verloren.
Ein Schnäppchen für Big Pharma
Ursache des herben Absturzes des Basilea-Titels ist die Verzögerung der Zulassung von Zeftera in den wichtigen Märkten der USA und Europas. Sie hat nichts mit der Wirksamkeit des Medikaments zu tun und wird allein mit Mängeln im Zulassungsprozedere begründet, für die allerdings nicht Basilea, sondern deren Partnerin Johnson & Johnson verantwortlich ist. Der US-Pharmakonzern ist als Lizenznehmer von Basilea für die Zulassung zuständig und hat hier geschlampt. Die Folgen haben allerdings die Basler zu tragen.
Mit der Meilensteinzahlung für Zeftera von Johnson & Johnson im Umfang von 100 Mio Dollar, die jetzt wegen der durch diesen Konzern verschuldete Verzögerung ausbleibt, wäre Basilea gut über die Runden gekommen (siehe «Nachgefragt»). Die Basler haben ein Schiedsgericht angerufen, um doch an das Geld zu kommen.
Dass der Börsenkurs von Basilea seit dem Tiefpunkt Anfang Februar wieder um 70% zugelegt hat, liegt an der Hoffnung der Anleger, dass das Unternehmen von einem Pharmakonzern übernommen werden könnte. Schliesslich liegt der Börsenwert des Biotechunternehmens noch immer drastisch unter dem inneren Wert, den Analysten aus dem Potenzial der Basilea-Pipeline errechnen. Helvea hat dafür ein Kursziel von 248 Fr. errechnet, am 18. Mai notierte der Titel um 90 Fr. Als möglicher Käufer käme Johnson & Johnson selber in Frage. Das Basilea-Management will zwar selbstständig bleiben, würde sich aber bei einem Angebot möglichst teuer verkaufen wollen.
NACHGEFRAGT Anthony Man, CEO Basilea, Basel
«Auch J & J steht unter Druck und braucht unser Medikament»
Wegen Johnson & Johnson (J & J) verzögert sich die Zulassung Ihres Medikaments Zeftera. Jetzt gehen Sie rechtlich gegen den Konzern vor.
Anthony Man: Es kann nicht sein, dass wir deswegen leiden müssen. Da wir uns mit J & J nicht einigen konnten, haben wir nun ein Schiedsgericht eingeschaltet.
Wann erwarten Sie eine Entscheidung?
Man: Nicht in diesem Jahr.
J & J kann es sich leisten, Sie warten zu lassen.
Man: Auch J & J ist unter grossem Druck und braucht unser Medikament als mögliche Nachfolge seines Levofloxacin. Dieses Medikament generiert für den Konzern mehr als 1,3 Mrd Dollar Umsatz im US-amerikanischen Markt und dessen Patent läuft bald ab. J & J braucht daher Zeftera dringend.
Sie haben auch ein Mittel gegen Pilzinfektionen in Spitälern in der Pipeline. Da Sie hier die gleichen Vertriebskanäle wie bei Zeftera nutzen könnten, wäre J & J doch der ideale Partner.
Man: Wir sind hier grundsätzlich offen für eine Kollaboration. Es gibt auch andere Unternehmen, die im Spitalbereich für Antipilzmittel tätig sind und auch über eine sehr hohe Expertise verfügen. Bei J & J konzentrieren wir uns darauf, Zeftera rasch zur Zulassung zu bringen.
Ihre finanzielle Lage ist angespannt, wie gehen Sie damit um?
Man: Ende 2008 hatten wir mehr als 293 Mio Fr. flüssige Mittel. Hätten wir auch die 100 Mio Fr. Meilensteinzahlungen von J & J zeitgerecht erhalten, wäre unsere Lage komfortabel. Wir gehen mit unseren Mitteln sehr konservativ um und haben bereits verlauten lassen, dass wir mit einem monatlichen Verlust von 12 bis 13 Mio Fr. in diesem Jahr rechnen.
Reduzieren Sie Beschäftigte?
Man: Nein. Im Vertrieb kreieren wir sogar Jobs.
Der Kapitalmarkt steht Ihnen momentan kaum offen. Wie stellen Sie Ihre Finanzierung sicher?
Man: Zum Glück haben wir werthaltige Assets und verdienen Geld. Zudem könnten wir Partnerschaften für das Pilzmittel finden. Auch für unser Medikament Toctino sind Partnerschaften für den Vertrieb ausserhalb der europäischen Kernländer möglich. Wir haben zudem vorübergehend alle Aktivitäten gestoppt, die nicht unmittelbare Werttreiber sind. Sehr frühe Entwicklungsaktivitäten führen wir vorübergehend nicht weiter.
Ihr Aktienkurs ist tiefer als der innere Wert Ihrer Produkte und der Pipeline. Damit wären Sie ein attraktiver Übernahmekandidat.
Man: Tatsächlich reflektiert der aktuelle Börsenkurs das Potenzial unserer Pipeline in keiner Weise. Wir haben keine Schutzklauseln und keine entsprechende Kapitalstruktur gegen eine mögliche feindliche Übernahme. Wenn uns jemand feindlich übernehmen will, werden wir uns nach dem höchsten Angebot richten.