Wer es allen Leuten recht tun will, übt sich in einer Kunst, die bekanntlich niemand kann. Mit diesem Satz begann der am Sonntag im hohen Alter von 99 Jahren verstorbene Bankier Hans Vontobel seinen letzten Essay, veröffentlicht in der 2015 erschienenen Jahrespublikation «Portrait» der Bank. Man müsse sich entscheiden, schrieb der legendäre Zürcher Finanzexperte – die Frage sei nur, nach welchen Kriterien.

Die Fähigkeit, im beruflichen wie im privaten Leben zu entscheiden, die richtigen Weichen zu stellen, sich an den Erfolgen zu freuen und aus den Misserfolgen zu lernen, sei eine Kunst. Diese könne man sich bis zu einem gewissen Grad aneignen. Vollendet wird diese Kunst aber erst durch Glück, so Vontobel: «Es braucht Glück, damit sich die meisten Entscheide − wenn auch längst nicht alle − im Nachhinein als richtig erweisen und dazu beitragen, ein langes Leben erfolgreich zu meistern.»

Seines Glücks bewusst

Er habe das Glück gehabt, mitten in Europa in einem Land zu leben, das vom Schrecken des Zweiten Weltkriegs weitestgehend verschont blieb. «Ich hatte das Glück, die von meinem Vater gegründete Bank zusammen mit treuen Wegbegleitern und vielen tüchtigen Mitarbeitenden zu einer weltweit angesehenen, gesunden und erfolgreichen Bankengruppe entwickeln zu können. Und ich hatte das Glück, selbst jene Situationen, in denen mir das Glück zunächst abhold war, insgesamt schadlos zu überstehen.»

Das von ihm hochgehaltene Credo «Quand même» – das er eigenen Worten zufolge eigentlich nur als Lebenseinstellung verstanden haben wollte – war offenbar auch mehr als ein Erfolgsrezept: «Als ehemaliger Oberst im Generalstab bin ich sogar geneigt zu sagen, es war eine Geheimwaffe.»

«Quand même» und manchmal doch nicht

«Quand même» – trotzdem, jetzt erst recht – sagte er sich beispielsweise, schrieb Vontobel, als ihm die in einem Syndikat organisierten Gross- und Kantonalbanken Ende der 1950er Jahre den Zugang zum Emissionsgeschäft mit Obligationen verwehren wollten. «Wir gründeten zusammen mit anderen Instituten die Gruppe Zürcher Privatbankiers und fassten so im Emissionsgeschäft erfolgreich Fuss.»

Man müsse aber auch erkennen, wann das Bestehen auf ein «Quand même» unangemessen sei. So nennt Vontobel die Aufgabe des Standorts an der Bahnhofstrasse 3 und den Umzug an die Gotthardstrasse 43 im Jahr 2007. Vontobel wusste zwar aus eigener Erfahrung, dass vor allem die ausländische Kundschaft die Bank sehr gerne an der Bahnhofstrasse besuchte. Gleichwohl machte er den Umzug in die Räumlichkeiten an der Gotthardstrasse mit. «Für mich persönlich war der Abschied von der Bahnhofstrasse zwar mit Wehmut verbunden, doch ich wusste auch, dass unsere Kunden den Wechsel verstehen würden und es letztlich nicht so wichtig war, wo sich mein Büro befand.»

Ohne Veränderung droht der Niedergang

Zudem betonte Vontobel seinen Willen zu Veränderungen – selbst wenn sie unangenehm sein können. «Die Trennung von Liebgewonnenem ist vielleicht schmerzhaft. Doch der Verzicht auf Anpassungen, auf das Anstossen neuer Ideen, auf den Willen, sich immer wieder neu zu erfinden, ist der sichere Weg in den Niedergang.» Entsprechend habe seine «angeborene Neugier» ihn motiviert, Veränderungen a priori positiv zu sehen.

Auch seine Einstellung zum Geld offenbarte Vontobel. Diese sei «offen und unverkrampft». Als Bankier sei Geld wichtig, als Mensch indes «nicht alles». Bereichernd sei Geld vor allem dann, wenn man es so ausgeben könne, dass es anderen einen Nutzen verschaffe oder Freude bereite. «Geld ist Mittel zum guten Zweck.»

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