In einem Jahr kann viel passieren, vor allem, wenn es um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten geht. Anfang November 2011 führte ein gewisser Herman Cain in Umfragen das Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber an. Der frühere Pizza-Unternehmer schien sich wenig um seine Wissenslücken in der Weltpolitik zu scheren, nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung zog er sich dann aber zurück. Ein Jahr später trat Mitt Romney für die Republikaner an – und verlor gegen Amtsinhaber Barack Obama.

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Auch das Bild, das sich ein Jahr vor der nächsten Wahl im US-Präsidentschaftsrennen bietet, ist bestenfalls vorläufig. Doch zumindest bei den Demokraten spricht sehr viel dafür, dass Ex-Aussenministerin Hillary Clinton für Obamas Demokraten in den Wahlkampf gehen wird. Der Präsident selbst darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Clinton bisher souverän und mit wenig Konkurrenz

Der Verzicht von Vizepräsident Joe Biden vergangenen Monat auf eine Präsidentschaftsbewerbung hatte Clinton einen weiteren Schub gegeben. Die Ehefrau von Ex-Präsident Bill Clinton machte einen souveränen Eindruck in der jüngsten Fernsehdebatte und hielt dem Druck der Republikaner bei einer Anhörung zu ihrer Rolle in der Affäre um den Anschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi stand.

Der Website realclearpolitics.com zufolge führte die 68-Jährige das Feld in jüngsten Umfragen mit einer Zustimmung von durchschnittlich knapp 55 Prozent an. Ihr ärgster Rivale, der linksgerichtete Senator Bernie Sanders, kam auf gut 32 Prozent. Von den krassen Aussenseitern ist nur noch der Ex-Gouverneur Martin O'Malley dabei, Meinungsforscher sehen ihn bei knapp 2 Prozent.

Ein weiterer Bush im Weissen Haus ist eher unwahrscheinlich

Bei den Republikanern erheben dagegen noch immer 14 Männer und Frauen Anspruch auf das Weisse Haus. An der Spitze der Umfragen stehen mit deutlichem Abstand zum Rest zwei Bewerber, die als politische Seitensteiger aus dem Frust an der konservativen Basis über das Establishment in Washington Kapital schlagen: der Immobilienmilliardär Donald Trump und der frühere Neurochirurg Ben Carson.

Als Zeichen, dass sie als Anwärter auf das Weisse Haus durchaus ernst genommen werden müssen, erhielten beide am Donnerstag Schutz durch den Secret Service.

Auf dem dritten und vierten Platz sehen Meinungsforscher aktuell die Senatoren Marco Rubio und Ted Cruz. Der anfänglich als Favorit gehandelte Ex-Gouverneur von Florida, Jeb Bush, liegt laut realclearpolitics.com mit nur knapp 6 Prozent an fünfter Stelle – obwohl oder vielleicht gerade weil dessen Vater und Bruder bereits Präsident waren.

Spitzenkandidat mit überraschenden Ansichten

Politikbeobachter in Washington überrascht, dass sich Trump schon so lange an der Spitze halten kann. Der 69-jährige Geschäftsmann dominiert die Umfragen seit dem Sommer. Die Kritik an abwertenden Äusserungen über illegale Einwanderer und frauenfeindlichen Kommentaren perlte an ihm ab, viele Wähler scheinen das brüske Auftreten des einstigen Reality-TV-Stars sogar zu goutieren.

Carson ist vor allem bei evangelikalen Christen beliebt, bringt die wissenschaftliche Fachwelt aber regelmässig zum Staunen. Zuletzt tauchte ein Video auf, in dem der pensionierte Neurochirurg erklärte, die Pyramiden in Ägypten seien anders als von Archäologen behauptet keine Grabstätten für Pharaonen.

Stattdessen habe Josef, der alttestamentarische Stammvater Israels, die Bauwerke als Getreidelager errichten lassen.

Ernsthafte Themen lassen auf sich warten

«Es hat immer einen Teil der Wählerschaft gegeben, die von Aussenseitern angezogen wurden», sagt der republikanische Politikberater Brian McClung. «Die Politiker in Washington zu hassen ist eine alte amerikanische Tradition.» Allerdings gibt es in diesem Wahlkampf noch keine Anzeichen dafür, dass die Anti-Establishment-Welle abebbt.

«Die Wahlkampf-Saison ist immer ein bisschen eine verrückte Saison», kommentierte Obama diese Woche im Fernsehsender NBC die Lage bei der Konkurrenz. Allerdings sei im Vorwahlkampf noch nicht der Zeitpunkt erreicht, zu dem die Bewerber zu «ernsthafteren» politischen Debatten gezwungen würden. «Ich vermute, das wird sich über die Zeit ändern.»

(sda/jfr)