Herr Harding, Sie sind Brite und Europa-Chef von Qatar Airways. Wie bewerten Sie den Brexit-Entscheid?
Jonathan Harding*: Wir müssen abwarten, was als Nächstes passiert. Die politische Situation in Grossbritannien ist sehr spannend, um es milde zu formulieren. Ich war – wie die Mehrheit der Briten – vom Ausgang des Entscheids überrascht. Aber das britische Volk hat so entschieden.

Was sind die Folgen für die Luftfahrtbranche?
Wir müssen abwarten, wie sich das Verhältnis zwischen Grossbritannien und der Europäischen Union entwickelt. Da ist gerade sehr viel im Wandel.

Der europäische Luftfahrtmarkt ist hart umkämpft, besonders durch die Billigflieger. Ändert sich das?
Wir sind als globaler Langstreckenanbieter von der neuen Situation sicherlich weniger betroffen als etwa die Billigflieger in Europa, die primär auf der Kurzstrecke unterwegs sind. Die Billigflieger schauen nun genau darauf, wie die neuen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa sind. Bisher werden Luftverkehrsabkommen bilateral zwischen Ländern ausgehandelt. Aus europäischer Sicht besteht ein Interesse, dies zentral durch die EU auszuhandeln. Wie das ausgehen wird, lässt sich jetzt nur schwer absehen.

Was sind die Brexit-Konsequenzen für Qatar Airways?
Wir sind eine globale Airline und Europa ist der grösste und wichtigste Markt für uns. Aber Europa ist eben auch nur eine Region unter vielen auf der Welt. Wir fliegen zu mehr als 150 Destinationen, davon ist Grossbritannien ein wichtiger Teil. Wir haben einen genauen Blick auf die Währungsentwicklung, das beeinflusst unser Geschäft natürlich. Sicher ist: Es gibt enge wirtschaftliche Verbindungen zwischen dem Staat Qatar und Unternehmen in Europa, das wird sich bestimmt nicht ändern.

Erwarten Sie nach dem Brexit-Entscheid einen globalen wirtschaftlichen Abschwung, der sich negativ auf Ihr Geschäft auswirken könnte?
Das ist immer ein Risiko, gilt aber für alle Branchen. Interessant ist, dass sich die Finanzmärkte mittlerweile wieder etwas entspannt haben.

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Qatar Airways ist mit einem Anteil von 15 Prozent der grösste Aktionär von IAG, der Muttergesellschaft von British Airways. Wird Qatar Airways nun den Anteil erhöhen, nachdem der Börsenwert von IAG zuletzt erheblich gesunken ist?
Dazu gibt es bisher keine Pläne, es ist ein strategisches Investment, das beide Seiten glücklich macht. Es hilft Qatar, Zugang zur One-World-Allianz zu haben. Dort sind wir der einzige Anbieter der drei Golfairlines.

Was sind nun die grössten Herausforderungen für Ihr Geschäft in Europa?
Für Qatar Airways geht es darum, unser Wachstum weiter fortzusetzen, und dabei den hohen Standard unseres Produkts beizubehalten. Wir haben die jüngste Flugzeugflotte der Welt und wollen sicherstellen, dass unser Network weiter wächst. Dazu gehört auch, dass wir nun mit unseren Boeing 787 Dreamliner nach Genf fliegen. Bisher waren wir dort mit dem Typ Airbus A320 vertreten.

Wie wichtig ist der Schweizer Markt für Sie?
Die Schweiz ist besonders wichtig für uns. Sei es für Geschäftskunden, aber auch für Touristen: Die Nachfrage in der Schweiz wächst. Kein Wunder, dass wir nun unsere Kapazität auf der Strecke Genf-Doha fast verdoppeln.

Auch andere Airlines wie zum Beispiel Emirates und Etihad haben ihre Präsenz in der Schweiz stark ausgebaut. Wie reagieren Sie?
Die Konkurrenz ist sicherlich gross, das stimmt.

Was heisst das für die Ticketpreise hierzulande? Wird es für Kunden billiger?
Die Preise sind stabil.

Wie kann das sein? Das Angebot wächst, zudem ist der Ölpreis stark gesunken: Ticketpreise müssten sinken.
Wir sind überzeugt, ein sehr gutes Angebot zu haben, und Kunden scheinen es gerne zu nutzen.

Wie soll Ihr Wachstumsplan aufgehen, wenn Sie nicht die nötigen Flieger bekommen? Qatar Airways wartet auf die A350-1000 von Airbus, doch der Flugzeugbauer schiebt das Auslieferungsdatum weiter nach hinten. Zudem wurde die Order für die Airbus A320 Neo von Qatar sogar storniert.
Das sind leider die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Wir arbeiten schon lange mit Airbus und haben sehr gute Beziehungen, aber drängen natürlich darauf, dass die Flugzeuge so schnell wie möglich zu uns kommen.

Wollen Sie stattdessen verstärkt auf Airbus-Konkurrent Boeing ausweichen?
Nein, damit ist nicht zu rechnen.

Der Vorwurf an die Golfairlines lautet, dass sie staatlich gestützt werden und wie im Fall von Qatar bisher keine Geschäftszahlen offengelegt haben. Was sagen Sie dazu?
Wir werden demnächst erstmals Geschäftszahlen veröffentlichen. Und zum Vorwurf der staatlichen Hilfen: Diese Debatte gibt es schon lange, besonders gerne wird sie von unseren europäischen und US-amerikanischen Konkurrenten geführt. Aber wir werden nicht subventioniert. Europäische und US-amerikanische Airlines wollen verhindern, dass es durch uns mehr Wettbewerb auf der Strecke USA-Europa gibt.

* Jonathan Harding ist als Senior Vice President Europe für das Geschäft in Europa bei der Golfairline Qatar Airways verantwortlich. Die Fluggesellschaft wurde 1997 gegründet, betreibt 185 Flugzeuge (Airbus und Boeing) und fliegt weltweit mehr als 150 Destinationen an.