Die Bewohner der Feldstrasse im zürcherischen Herrliberg hatten es schon ruhiger. Ganz am Ende der Strasse, leicht versetzt, wird derzeit ein neues, stattliches Einfamilienhaus mit Aussenschwimmbad hochgezogen. Bauherrin auf den 866 Quadratmetern Grundstückfläche mit einem geschätzten Wert von drei bis dreieinhalb Millionen Franken ist eine junge Schweizer Managerin: Martina Ludescher, Jahrgang 1977. Eine Frau im Zenit ihres Erfolgs.

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Zu verdanken hat sie ihn ihrem Chef, Jörg Wolle, dem erfolgreichen CEO und Verwaltungsratsdelegierten des DKSH-Konzerns, eines Dienstleisters, der Unternehmen hilft, in Asien Fuss zu fassen. Er machte Ludescher von der Assistentin zum Konzernleitungsmitglied bei DKSH und zu seiner wichtigsten Vertrauten. Und er verhalf der ambitionierten Jungmanagerin sowie rund 35 Kollegen an der DKSH-Spitze beim Börsengang der Firma 2012 zu einem wohligen Geldregen.

Das oberste Management profitierte im Rahmen des Aktienprogramms «IPO Execution and Retention Award». Ludescher sollte gemäss einem Dokument, das BILANZ vorliegt, maximal 160 000 Aktien bekommen. Am Ende waren es gemäss Recherchen 155 733 Aktien, aufgeteilt in drei Tranchen. Marktwert per Zuweisungsdaten: rund 10,5 Millionen Franken. Konzernchef Jörg Wolle wurde mit 1,168 Millionen Aktien in drei Tranchen belohnt. Wert des Pakets: Fast 80 Millionen Franken, zusätzlich zu seinem Jahreslohn von fünf bis sechs Millionen Franken. Damit verdiente er in den letzten drei Jahren mehr, als jeder andere Schweizer Manager ausgewiesen hat.

Zwölf Jahre an der Spitze

Aus Sicht von Wolle der wohlverdiente Lohn für harte Arbeit. Aus Sicht von ehemaligen Managern und Beobachtern eine etwas gar üppige Vergütung. Selbst im DKSH-Verwaltungsrat, der den Aktienregen durchwinkte, rieb man sich die Augen, als man das Ausmass realisierte. Als «kleiner Brady Dougan» soll Wolle von einem Mitglied des Verwaltungsrats bezeichnet worden sein, in Anspielung auf den 71-Millionen-Bonus, den der CS-Chef einst kassierte.

Wolle sieht das etwas anders. Seit vielen Jahren verdiene er unverändert fix 1,8 Millionen Franken, sagte er letztes Jahr gegenüber der «SonntagsZeitung». «Alles andere ist echte Gewinnbeteiligung.» Tatsächlich ging Wolle bereits bei der DKSH-Gründung ein Risiko ein, verschuldete sich stark und übernahm für «meine Vermögensverhältnisse ein substanzielles Aktienpaket», schreibt er in seinem Buch «Expedition in fernöstliche Märkte», das vorwiegend in der Ich-Form gehalten ist.

Das Risiko hat sich ausbezahlt. Der Mann, der in der DDR aufgewachsen ist, steht mit 57 Jahren ganz oben in der kapitalistischen Marktwirtschaft. Zwölf Jahre schon hält sich der Deutsche mit Schweizer Pass an der Spitze des Konzerns. Zwölf Jahre, in denen er Macht, die treue Gefolgschaft der Hauptaktionäre und gute Zahlen akkumuliert hat: Unter seiner Führung kletterte der Umsatz von DKSH von 3,5 Milliarden auf fast 10 Milliarden hoch, und der Betriebsgewinn verfünffachte sich auf 282 Millionen Franken. Darauf verweist der CEO gerne, wenn er interviewt wird.

Weniger auskunftsfreudig ist Wolle, wenn es darum geht, seine Bezüge für diese Leistung zu erklären. Zu einem umfangreichen Fragenkatalog von BILANZ wollte er nicht öffentlich Stellung nehmen – ein ungewöhnliches Gebaren für ein kotiertes Unternehmen.

Unzulässiger Arbeitsvertrag

Ungewöhnlich ist vieles am Unternehmen im Zürcher Seefeld – aber besonders Wolles Machtfülle. Er sitzt als CEO sowohl im Verwaltungsrat von DKSH als auch im Aufsichtsgremium des Hauptaktionärs. Die Machtfülle scheint vom Verwaltungsrat so gewollt. Er stattete den Konzernchef kurz vor der Abstimmung über die Abzocker-Initiative mit einem Langfristvertrag bis 2017 aus. Bloss: Nach dem Ja an der Urne sind solche Arbeitsverträge nicht mehr zulässig – auch nicht jene, die vor der Abstimmung abgeschlossen wurden. «Weshalb braucht ein CEO einen solch langfristigen Vertrag?», fragt Gregor Greber, Chef des Aktionärsberaters zRating. «Solche Verträge sind längst nicht mehr zeitgemäss und können für eine Gesellschaft zur Belastung werden.» So muss Wolles Arbeitsvertrag bis Ende des nächsten Jahres überarbeitet werden.

Entgegen dem «höchsten Standard von Integrität und Transparenz», den das Unternehmen unter dem Stichwort «Governance» für sich reklamiert, werden die Bezüge durch das IPO-Bonusprogramm nicht sofort ersichtlich. Für die Jahre 2012 und 2013 weist DKSH Wolles Salär mit 5,6 beziehungsweise 6,1 Millionen Franken aus. Doch unter dem Punkt «Fair value of restricted shares» stehen 2012 keine Aktien, 2013 wurde der Passus komplett gestrichen. Die zugeteilten Aktien sind kein Thema. Diese entdeckt der aufmerksame Leser erst, wenn er nach hinten blättert und die Liste der wichtigsten Aktionäre studiert. Per Ende 2013 hielt er 1 188 888 Aktien mit einem aktuellen Wert von rund 81 Millionen Franken.

Nicht sehr aktionärsfreundlich

Obwohl das Obligationenrecht vorschreibt, dass Entschädigungen an die Geschäftsleitung bei börsenkotierten Unternehmen offengelegt werden müssen, ist diese Darstellung erlaubt, jedoch nicht sehr aktionärsfreundlich. Einzig darauf gab DKSH eine Antwort – wenn auch eine ungelenke. «Im Rahmen der Überführung einer langjährig privat gehaltenen Gesellschaft in eine Publikumsgesellschaft war es ein Anliegen aller Aktionäre, das Management am unternehmerischen Erfolg dieses etwa fünfjährigen Transformationsprozesses teilhaben zu lassen sowie, risikomindernd, für die Zukunft einzubinden. Dies war im Sinne sämtlicher Aktionäre, und die Kosten wurden fast ausschliesslich von den Altaktionären vor dem IPO getragen», sagt DKSH-Verwaltungsratspräsident Adrian Keller. «Die laufenden Kosten für die Management-Entschädigung können dem jeweiligen Jahresbericht entnommen werden und sind im branchenüblichen Rahmen.» Ansonsten hätten die Buchprüfer von EY ihren Segen versagt.

Kritik gibt es trotzdem. «Tatsächlich besteht in der Schweiz eine Transparenzlücke für solche Fälle», sagt Vergütungsexperte Michael Kramarsch, geschäftsführender Partner von HKP. «Die dem Management zugeteilten Aktien müssen bei kotierten Gesellschaften einmal, zum Zeitpunkt der Einräumung, ausgewiesen werden. Danach erscheinen die erzielten Gewinne durch die Verkäufe der jeweiligen Aktien nicht mehr im Jahresbericht, obwohl es faktisch ein Lohnbestandteil ist.» Heisst konkret: Da DKSH im IPO-Prospekt die Anzahl der zuzuteilenden Aktien auswies, entfällt auch die Veröffentlichungspflicht der Aktien für die Folgejahre. Von der BILANZ befragte Wirtschaftsprüfer und Juristen raten indes, die Zuteilung der Aktien als Lohnbestandteil zu deklarieren. «DKSH hat den Wandel vom Familienunternehmen zum börsenkotierten Konzern noch nicht wirklich vollzogen», sagt einer von ihnen.

Rasche Verkäufe

Mit seinem ausgewiesenen Lohn ist Wolle stetiger Gast auf den Listen der bestverdienenden Schweizer Manager – addierte man die Aktienzuteilungen, stünde er ganz oben. 2012 hätte er gemäss damaligem Kurs rund 23 Millionen Franken bekommen, ein Jahr später gar 39 Millionen. Zum Vergleich: Die Konzernchefs der ähnlich grossen Unternehmen Schindler und Syngenta bekamen letztes Jahr inklusive Aktien 3,7 beziehungsweise 6,7 Millionen Franken.

Ein Fragezeichen muss auch hinter die Nachhaltigkeit des Aktienprogramms fürs Management gesetzt werden. Nachhaltig sollte es nämlich sein: Die substanzielle Beteiligung der Aktionäre durch das IPO-Beteiligungsprogramm stelle sicher, dass man einen Anreiz schaffe für ein erfolgreiches IPO wie auch für ein langfristiges, nachhaltiges und profitables Wachstum, schrieb der Vorsitzende des Nominations- und Vergütungskomitees, Andreas Keller, im Geschäftsbericht 2012.

Was das Management unter langfristig verstand: sofort verkaufen! Während für die erste Tranche der Aktien noch eine Haltefrist von 180 Tagen galt, gab es für die zweite und dritte Tranche keine Verkaufsrestriktionen – was prompt zu einem sofortigen Wiederverkauf nach Zuteilung führte. Jörg Wolle warf die erste Tranche auf den Markt, kaum war die Lock-up-Periode abgelaufen. Die lockeren Verkaufsbedingungen sind ungewöhnlich. Als sich 2011 der Rohstoffhändler Glencore dem Publikum öffnete, bekamen die Manager eine fünfjährige Verkaufssperre aufs Auge gedrückt.

Nicht dem Bild einer modernen Public Company entspricht auch das strikt hierarchische Führungsverständnis, welches DKSH pflegt. Die Kultur Asiens, wo das Unternehmen hauptsächlich tätig ist, ist tief verankert. Fleiss, Disziplin und Selbstaufgabe für die Firma, lautet das Dogma. Der Chef selbst lebt es vor. «Work-Life Balance ist für mich ein Unwort», sagte Jörg Wolle einst in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Vertrautes Duo

Wolle tourt die Hälfte des Jahres durch die fernöstlichen Länder. Der eloquente Manager – intern mit JW bezeichnet – hat hohe Ansprüche und erwartet bedingungslosen Einsatz. In Martina Ludescher, die als Corporate-Development-Chefin unter anderem die Bereiche HR, Kommunikation, Investor Relations und Strategie verantwortet, hat er eine Vertraute gefunden, die seine Philosophie eins zu eins vertritt. So zierlich sie ist, so grob ist zuweilen ihr Auftritt. Interne Mails, die der BILANZ vorliegen, oft spätnachts verschickt, fangen nicht selten mit einer Belehrung an, sei es über missliebige Formulierungen oder unkorrekte Englisch-Ausdrücke selbst von sprachlich sattelfesten Mitarbeitern.

Danke sagt sie so selten, wie sie Freizeit geniesst, und die blonde Managerin nimmt stets schon vorweg, was JW mutmasslich zu diesem und jenem sagen würde. Zwischen Machtmensch Wolle, der sie seit Jahren stark fördert, und Ludescher besteht ein enges Verhältnis. Viele Mitarbeiter wundern sich über diese Nähe. Die beiden gehen zusammen auf Geschäftsreise, und die junge Businessfrau wurde schon in Wolles hellblauem Bentley-Cabrio gesichtet.

Als wäre es sein eigenes Unternehmen

Wolle führt DKSH mit einem Selbstverständnis und Gebaren, als wäre es sein eigenes Unternehmen. Deshalb sieht er auch kein Problem in der engen Verbundenheit mit der Kollegin an der Spitze. Dabei ist der CEO nur Minderheitsaktionär mit rund 1,8 Prozent. Ankeraktionär des ehemaligen Handelshauses ist die von der Gründerfamilie Keller beherrschte Diethelm Keller Holding. Weitere Anteile halten die Familie Peugeot und Investor Rainer-Marc Frey.

Adrian Keller präsidiert den Verwaltungsrat. Jörg Wolle ist Delegierter und CEO zugleich. Doch die Macht liegt bei Letzterem, die Hauptaktionäre lassen ihn gewähren. Schliesslich haben sie dem Manager ein prosperierendes Unternehmen zu verdanken. Der Börsengang vor zwei Jahren war die Krönung seines Werks. Er verkaufte den neuen Investoren eine faszinierende Wachstumsstory in Fernost. Auch hier profitierte die Besitzerfamilie Keller (Vermögen gemäss BILANZ-Reichstenliste: 3 bis 3,5 Milliarden Franken) vom unermüdlichen Einsatz des Konzernchefs. Mit einem Kursanstieg von knapp 30 Prozent schlug DKSH den SPI im Jahr des Going public deutlich.

Das Vertrauen der Besitzer in den Deutschen, der mit 30 Jahren aus der DDR flüchtete, geht so weit, dass Wolle auch im Verwaltungsrat der Familienfirma Diethelm Keller Group sitzt, die die DKSH Holding kontrolliert.

Mehr geduldet als geliebt

Wolles Karriere ist tatsächlich beachtlich. 1991, wenige Jahre nach seiner Flucht aus der DDR – seine Frau reiste später nach –, holte ihn die DKSH-Vorgängerin SiberHegner an Bord. Wolle ging für das Traditionshaus nach Hongkong. Wenig später brachte die Asienkrise das Unternehmen an den Rand des Kollapses. Der Verwaltungsrat berief den ambitionierten Spartenchef Wolle an die Spitze einer Task Force. In Windeseile stellte er einen Masterplan zusammen. In seinem Buch erinnert er sich: Wenn nur ein einziger Kreditgeber aussteige, könne dies das definitive Aus bedeuten. «In diesem Bewusstsein gehe ich in die entscheidende Verwaltungsratssitzung, die kurz nach den Feiertagen stattfindet. Meine Präsentation stellt eine schonungslose Ist-Analyse dar.»

Mit welcher Entschlossenheit er SiberHegner rettete, beeindruckte das Aufsichtsgremium. Es bugsierte den smarten Manager an die Konzernspitze – eine Empfehlung für die spätere Besetzung des Chefpostens bei DKSH. Er habe ein Unternehmen aus der Agonie wiederbelebt, sagt Wolle. Heute ist der ehemalige Flüchtling, verheiratet und Vater einer Tochter, da, wo er immer hinwollte: an der Spitze eines internationalen Konzerns und Honorarprofessor für Interkulturelle Kommunikation an der Fachhochschule Zwickau.

Die Position und sein rasch wachsendes Vermögen haben ihm Zugang zum Wirtschaftsestablishment verschafft, in dem er allerdings mehr geduldet als geliebt wird. Das liegt an Wolles Verhältnis zum Geld. «Er lebt seinen Luxus auf extrovertierte Art und Weise», sagt einer, der ihn gut kennt. Teure Uhren (etwa eine goldene Breitling for Bentley), ein ansehnlicher Wagenpark (ein blaues Bentley-Cabrio für die warmen, ein roter Bentley für die kalten Tage), Harley-Davidson, eine grosszügige Villa in Erlenbach, dem Nachbarort von Ludeschers neuer Wohngemeinde Herrliberg, und ein eleganter Auftritt gehören zum Selbstverständnis des Topmanagers. Sein Image geht ihm über alles, das Haar ist stets akkurat gekämmt, sein Anzug sitzt perfekt, die Pochette passt. Wenn Bilder von ihm veröffentlicht werden, berichten Mitarbeiter, muss sein Teint ab und an in Feinarbeit am Schirm retouchiert werden.

DKSH, so scheint es, ist im Wesentlichen eine One-Man-Show des allmächtigen CEO, auf die auch im Börsenprospekt 2012 hingewiesen wurde: «Es gibt Risiken in Zusammenhang mit DKSHs Abhängigkeit von Personen im Topmanagement», heisst es da. Expansion und die Implementierung der Strategie hingen wesentlich von den Fähigkeiten und dem Effort von Dr. Jörg Wolle ab.

Das passt nicht allen im Hause DKSH. Ausgerechnet im Topmanagement gab es in den letzten Monaten Unruhe. Drei der vier Business-Unit-Chefs sind letztes Jahr abgetreten (siehe «Gewichtige Abgänge» auf Seite 33). Der wichtige Consumer-Goods-Chef Somboon Prasitjutrakul ging in Pension: mit 55 Jahren. Adrian Eberle, Chef der Geschäftseinheit Technology, räumte den Platz im letzten Sommer. Performance-Materials-Chef Mario Preissler ist ebenfalls weg. Der Abgang wurde öffentlich nie kommuniziert. Und Konzernleitungsmitglied Marcel Schmid, Head Corporate Affairs, verabschiedet sich wegen einer Reorganisation im Juni 2015. Weiter unten in der Hierarchie sagt der Head Legal in wenigen Wochen ebenfalls Adieu. «Er will seine Karriere ausserhalb von DKSH fortsetzen», steht in der internen Mitteilung.

Mikromanagerin

Aber auch im Reich von Wolles Statthalterin Ludescher rumort es. In der Corporate-Communications-Abteilung haben seit 2011 zwei Kommunikationsverantwortliche den Konzern verlassen sowie weitere Mitarbeiterinnen auf subalterner Stufe. Auf dem Posten des Investor-Relations-Chefs gab es innerhalb von zwei Jahren ebenfalls zwei Wechsel. Und auch auf dem im Rahmen des IPO 2012 neu geschaffenen Posten des Head Compensation & Benefits gaben sich die Leute die Klinke in die Hand. Vielfach wird geklagt, dass ein reibungsfreies Arbeiten unter der dominanten Martina Ludescher schlicht unmöglichsei. Wer auf die Job-Bewertungsplattform Kununu klickt, sieht sich bestätigt: «Sehr gute Karrierechancen aufgrund der hohen Personalfluktuation im Bereich Communication», schreibt ein User zynisch. «Die Leute brennen nach kurzer Zeit aus, besonders im Bereich Kommunikation und HR», schreibt ein anderer.

Ludescher gilt als Mikromanagerin. Alles und jedes will sie mehrmals überprüft haben. «Man kann es ihr nie recht machen, egal wie sehr man sich anstrengt», sagt eine frühere Mitarbeiterin. Wer einmal einen Fehler macht, ist bei der unermüdlichen Chefin abgeschrieben. Das gilt ebenso für Zulieferer, die Ludeschers Anspruchsdenken zu spüren bekommen. «Früher oder später überwirft sich jeder mit ihr», sagt der Chef einer Agentur, die einst für das Unternehmen arbeitete.

Aussenstehende und ehemalige Mitarbeiter sehen ein ernsthaftes Problem im Bereich Governance. Durch die enge Zusammenarbeit mit Konzernchef Wolle und die Tatsache, dass sie ausgerechnet für den sensiblen HR-Bereich verantwortlich zeichnet, könnten Checks and Balances im Bereich der Führung tangiert sein. Seit elf Jahren ist Ludescher bei DKSH, der sie mit 26 Jahren beitrat. Vorher hat die MBA-Absolventin (HSG) lediglich eine Station als Financial Auditor bei Credit Suisse First Boston im Lebenslauf. Bei DKSH verweist man dagegen auf ihren erfolgreichen Aufbau der Investor Relations und des Personalwesens.

Der Verwaltungsrat scheint sich an der Konstellation nicht zu stören. So hat Wolle nichts zu befürchten. Er wollte schon immer sein eigener Chef sein. «Ich möchte freie Hand haben im Tagesgeschäft, aber einen einstimmigen Entscheid des Verwaltungsrats zu meiner Wahl zum CEO und die Unterstützung von allen drei Aktionärsgruppen», schrieb er in seinem Buch zu seiner Berufung auf den Chefsessel bei SiberHegner im Jahr 2000.

Rendite ohne Glanz

Ob die Erfolgsgeschichte von DKSH und damit auch Wolles Höhenflug weiter anhalten, ist indes fraglich. Die Aussichten im politisch instabilen Hauptmarkt Thailand trüben sich ein und dürften Spuren hinterlassen. Das Wachstum in Asien kühlt sich ab. Analysten erwarten bei der Präsentation der Halbjahreszahlen im August kein berauschendes Ergebnis. «Der Handel und das Auftragswesen leiden», sagt Safra-Sarasin-Analyst Oskar Schenker. «Die Betriebsgewinnmarge ist mit drei Prozent tief.» Bis 2017 will DKSH die Marge um zehn Basispunkte erhöhen. «Es gibt sicher ambitiösere Zielsetzungen», meint Schenker. Und auch wenn sich DKSH rühmt, dass Umsatz und Gewinn über Jahre zweistellig gewachsen sind, so verweisen Analysten gerne auf die Rendite auf dem investierten Kapital. Die wichtige Kennzahl weist DKSH zwar nicht aus. Doch Analystenstudien zeigen, dass DKSH der Peer-Gruppe hinterherhinkt.

Offenbar, so heisst es im kleinen Kreis, habe Wolle den Aufwand unterschätzt, den ein kotiertes Unternehmen mit sich bringt. 2013 schuf er daher den Posten des operativen Chefs, auf den er den ehemaligen Panalpina-Mann Bruno Sidler setzte. Er gilt als potenzieller Nachfolger Wolles. Für die Machtkonstellation bei DKSH wäre das kein schlechter Schritt.