Swiss rüstet in Genf mit neuen Fliegern auf. Wie reagieren Sie?
Carolyn McCall*: Die Schweiz ist ein wichtiger Markt für uns. Dabei hat Genf eine besondere Bedeutung. Nicht nur was den Einzugsbereich angeht, sondern auch für Reisen in die Region. Wir haben in Genf ein sehr grosses Routenangebot, wie übrigens auch in Basel. Für Swiss ist es sehr schwer, das zu kopieren.
 
Spüren Sie die Swiss-Mehranstrengungen?
Swiss kämpft in Genf schon lange. Doch wir sind dort Marktführer, wie auch in Basel. Ich glaube, diese Situation ist für einen schweizerischen Anbieter wie Swiss schwierig. Doch wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit. Wenn Swiss es mit uns auf unseren Strecken aufnehmen will, dann werden wir hart kämpfen.
 
In Zürich ist Ihnen Swiss weit überlegen. Dort haben Sie Ihr Angebot kürzlich erweitert. Werden Sie weiter ausbauen?
Wir wollen in Genf und Basel unsere Marktführerschaft weiter festigen. Aber auch Zürich ist ein sehr interessantes Ziel. Zum Beispiel ist es für Geschäftskunden aus Amsterdam wichtig, eine Direktverbindung mit uns nach Zürich zu haben.
 
In Hamburg zieht sich Easyjet stark zurück. Welche Folgen hat das für Zürich? Immerhin bedienen Sie die Strecke ZürichHamburg mit einer Crew aus Hamburg.
Wir bauen in Hamburg Kapazitäten ab, werden dort aber weiter eine starke Präsenz haben. Es ändert sich auf jeden Fall nichts vor nächstem Sommer. Für die Zeit danach müssen wir das Netzwerk noch finalisieren.
 
Wie steht es eigentlich um die Gespräche mit traditionellen Airlines bei der Frage, ob Easyjet deren grosse Hubs als Zubringer füllt?
Es gibt dazu noch keinen Deal. Klar ist, warum andere Airlines gerne möchten, dass wir ihren Hubs helfen. Aber es gibt viele Detailfragen. Ein Beispiel sind Flugverspätungen: Wir würden nicht auf verspätete Passagiere warten. Doch sehen die anderen Airlines das auch so? Und was wäre mit dem Gepäck? Wenn alles so einfach wäre, hätten wir es schon gemacht. Hinzu kommt: Unser Geschäftsmodell funktioniert. Wir sind längst an den grossen Hubs gut vertreten.
 
Wie ist die Lage in der europäischen Luftfahrt: Kosten, Kosten, Kosten und dabei noch konsolidieren?
Es geht um Kunden, nichts anderes. Im Kostensenken sind wir als Billigfluggesellschaft immer gut gewesen. Das ist unser Alltag. Natürlich darf das nie zum Nachteil der Kunden sein. Tiefe Kosten helfen, niedrige Ticketpreise anzubieten. Zur Konsolidierung: Mit Blick auf Alitalia und Airberlin zeigt sich, dass schwächere Airlines wohl nicht in der Lage sind, zu überleben. Kapazitäten werden vom Markt verschwinden.
 
Derweil ist Easyjet wegen des Brexit-Votums unter Druck.
Die Schwäche der britischen Währung hilft sicherlich eher den im Euro-Raum beheimateten Airlines. Doch die Brexit-Unsicherheit trifft alle europäischen Anbieter, nicht nur uns aus Grossbritannien.
 
Kommt es zum Brexit, brauchen Sie eine Luftverkehrsbewilligung der EU. Das schafft Zusatzkosten. Müssen Passagiere wegen dem Brexit mehr zahlen?
Das Prozedere um ein EU-Luftverkehrsbetreiberzeugnis würde Easyjet über zwei Jahre verteilt rund 10 Millionen Pfund kosten, das ist geringfügig. Hundert Easyjet-Flieger würden statt in Grossbritannien in der EU registriert werden. Unsere Kunden werden aber sicherlich nicht mehr für Tickets zahlen.
 
2016 war kein einfaches Jahr für Easyjet. Im ersten Halbjahr 2017 gab es einen Verlust. Wie steuern Sie dagegen?
In 21 Jahren Firmengeschichte haben wir nur zweimal in der ersten Jahreshälfte – unserem Wintergeschäft – einen Gewinn verbucht. Doch am Jahresende sah es stets wieder positiv aus. Wir investieren in Routen, Flugzeuge, Infrastruktur und die Kundenbindung. Wir haben gerade unseren ersten Airbus A320neo erhalten. Er senkt den Lärm um 50 Prozent, verbraucht 15 Prozent weniger Kerosin. Zudem sinken die Kosten pro Sitzplatz um 8 Prozent.
 
Was sagen Sie Aktionären, die sich fragen, warum die Easyjet-Aktie schlechter läuft als die Ryanair-Aktie?
Die Anleger sorgen sich nicht. Nach dem Brexit-Votum war der Kurs innerhalb eines Tages um 14 Prozent gefallen. Das war ein guter Zeitpunkt, um nachzukaufen. Wir, aber auch unsere Aktionäre, sind langfristig orientiert. Traditionelle Airlines bleiben teuer und bürokratisch. Billigflieger wie Easyjet und Ryanair werden als Sieger in Europa hervorkommen.
 
Wie sieht die Zukunft im Billigflugmarkt aus? Wo sind die Disruptionen?
Wir sind schon immer der Disrupter gewesen. Wir sind zwar eine Airline, betrachten aber alles durch die E-Commerce-Brille. Dafür holen wir uns Leute, die nicht aus der Airline-Branche kommen, sondern etwa von Amazon. Für unsere Kunden muss alles einfach funktionieren, mit wenigen Klicks per Mobile-App. Flug buchen, das Hotel plus Ferienaktivitäten wie Tickets für einen Themenpark.
 
Nun mischen Sie auch noch im Geschäft der Privatjets mit. Was soll das?
In London-Luton können Easyjet-Kunden gegen eine Gebühr von 475 Pfund statt durchs normale Terminal im Privatjet-Terminal einchecken, die Lounges nutzen und werden direkt zum Easyjet-Flieger gefahren.
 
Also das Luxuserlebnis vorab, dann aber doch in den Billigflieger steigen?
Wenn sie bei uns in den ersten sechs Reihen sitzen, fühlt es sich an wie in der Business-Klasse.
 
Das meinen Sie doch nicht im Ernst?
Natürlich ist Easyjet kein Privatjet. Aber für einen Europaflug brauchen Sie keinen Business-Klasse-Sitz, der sich zum Bett ausfahren lässt. Wir haben mit dem Privatjet-Terminal-Zugang ein Angebot für Passagiere, die sich etwas Besonderes leisten möchten.

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*Carolyn McCall ist seit Sommer 2010 Chefin von Easyjet. Die Airline ist einer der führenden Billigflieger in Europa. Sie transportiert rund 75 Millionen Passagiere im Jahr, davon sind 20 Prozent Geschäftsreisende. Easyjet bedient 138 Flughäfen in 31 Ländern. In Genf und Basel ist Easyjet Marktführer. McCall wuchs in Indien und Singapur auf, studierte Geschichte und Politik. Die Managerin ist verheiratet und hat drei Kinder.

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