Vor gut drei Jahren war die Schweizer Wirtschaft schon einmal mit einem stark steigenden Franken konfrontiert. Dies stelle viele Betriebe vor existenzielle Herausforderungen, stellte Economiesuisse im August 2011 klar. Um diesem Missstand zu begegnen, forderte der Wirtschaftsdachverband seinerzeit: Allein die Schweizerische Nationalbank (SNB) sei in der Lage, «die Situation massgeblich zu entschärfen.»

Heute indes klingen die gleichen Wirtschaftsexperten ganz anders. Economiesuisse-Präsident und SNB-Bankrat Heinz Karrer stärkt der Nationalbank mit einem Mal den Rücken. Er stehe klar hinter der SNB, sagte er heute bei der Vorstellung des neuen Grundlagenpapiers. Statt die Notenbanker in die Pflicht zu nehmen, pocht Economiesuisse nun auf Kulanz bei den Sozialpartnern.

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Kosteneinsparungen als einzige Therapie

«Die Unternehmen brauchen vor allem den nötigen Handlungsspielraum, um mit der schwierigen Situation umgehen zu können», heisst es im neuen Bericht. Die Anpassungen müssten in jeder Firma individuell getroffen werden. Und weiter: Um der Frankenstärke zu begegnen, bleibe nur der «harte Weg der Kosteneinsparung». Dazu gehöre die Erhöhung des Auslandsanteils in der Produktion, eine Rationalisierung der Arbeitsprozesse oder eine teilweise Verlagerung ins Ausland.

Der Dachverband plädiert für Einsparungen auf Kosten der Schweizer Beschäftigten. Bei den Arbeitsnehmervertretern ist man schockiert über die Position des Wirtschaftsdachverbandes. «Economiesuisse versucht offensichtlich, die Kosten für den starken Franken einseitig auf die Arbeitnehmenden abzuwälzen», sagt Unia-Sprecher Pepo Hofstetter. Die SNB müsse die Preisstabilität unter Berücksichtigung der Konjunktur garantieren. Dazu gehöre die Beschäftigung.

«Wie wenn man eine Brand mit Benzin löschen würde»

Bedeuteten Kosteneinsparungen Lohnkürzungen, so Hofstetter, schmälere dies die interne Kaufkraft und damit die Binnennachfrage und führe erst recht zur Rezession. «Es wäre, wie wenn man eine Brand mit Benzin löschen würde.»

«Die Nationalbank hat also die Pflicht, für einen Wechselkurs zu sorgen, der Beschäftigung nicht gefährdet», so der Sprecher der mit Abstand grössten Einzelgewerkschaft der Schweiz. Der faire Wechselkurs läge bei mindestens 1.30 Franken je Euro. «Economiesuisse sollte sich gemeinsam mit den Sozialpartnern dafür einsetzen, dass die Nationalbank ihrer Verpflichtung nachkommt», sagt Hofstetter.

Strukturelles oder konjunkturelles Problem?

Dass der Wirtschaftsdachverband nur noch den «harten Weg der Kosteneinsparung» sieht und nicht mehr die Notenbank in die Pflicht nehmen möchte, begründet Economiesuisse damit, dass sich die Situation grundlegend verändert habe. 2011 sei die Wirtschaft nicht nur mit einem starken Franken konfrontiert gewesen. Erschwerend sei hinzugekommen, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone verschlechterte und die Nachfrage nach Schweizer Ausfuhren zurückging. «Die Schweizer Exporteure waren nicht nur mit höheren Kosten konfrontiert, die Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden reduzierte sich gleichzeitig auch noch», schreibt Economiesuisse.

Das hat Konsequenzen für die wirtschaftspolitischen Forderungen: Plädierte man vor drei Jahren für kurzfristige Stützungsmassnahmen aufgrund des vorübergehenden Nachfrageinbruch, sehe sich die Schweizer Volkswirtschaft «jetzt ausschliesslich mit einem strukturellen und wohl relativ langfristigen Problem konfrontiert».

Betriebe sollen Kosten und Kunden offenlegen

Von strukturellen Problemen will man bei Unia hingegen nichts wissen: «Economiesuisse liegt falsch», sagt Gewerkschaftsvertreter Hofstetter. Eine Preiserhöhung von 20 Prozent löse auf jeden Fall einen Nachfrageschock aus. Da unterscheide sich die Situation zu vor drei Jahren nur dadurch, dass schon harte Anpassungsmassnahmen durchgeführt worden seien – und es jetzt noch härter sei, weitere Anpassungen zu machen.

Die Gewerkschaft bietet jedoch durchaus Hand, um den Handlungsspielraum der Firmen zu erhöhen – so wie dies der Wirtschaftsdachverband fordert. Die Bedingung: Ein Betrieb müsse volle Transparenz garantieren und seine Kosten- und Kundenstruktur offenlegen.