Zum feurigen Flamenco in Sevilla, zu malerischen Sonnenuntergängen auf Mauritius und ab 2017 neu nach Costa Rica oder Südkalifornien – «der Sonne entgegen», dichtet die Schweizer Ferienfluglinie Edelweiss, flankiert von malerischen Fotos. Farbenfrohe marokkanische Pantoffeln, chaotische sizilianische Gemüsemärkte oder wunderbar menschenleere Sandstrände aktivieren die Sehnsuchtszentren in Schweizer Gehirnhälften.

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Wie gut das funktioniert, ist kaum bekannt in der Schweiz. «Wir haben uns entschlossen, keine Zahlen zu kommunizieren», sagt CEO Bernd Bauer lapidar, der nur eine Zahl freigibt: den Umsatz. 2015 lag er bei 390 Millionen Franken. Schon allein am Geschäftsvolumen der zurückliegenden Jahre lässt sich der Aufwärtstrend ablesen.

Doch viel erstaunlicher sind die Gewinnmargen, auf die Bauer stolz sein könnte – falls er sie denn zugäbe. Ein Insider sagt, Edelweiss arbeite noch profitabler als ihre ohnehin schon vorbildliche Konzernschwester Swiss. Das heisst: Jene magischen 8 Prozent Betriebsgewinnmarge, die der langjährige Swiss-Chef Harry Hohmeister immer als ultimatives Ziel ausgegeben und im Geschäftsjahr 2015 schliesslich erreicht hat – Edelweiss soll sie ohne Probleme übertreffen.

Vernebelte Geschäftsergebnisse

Bauer erklärt sein Schweigen so: «Es lesen viele gerne, was da zu holen sein könnte.» Bauer, ein 51-jähriger Schwabe, der am Pizol, in Flims und Laax Ski fahren lernte, später das Skilehrer-Brevet erwarb und seit dem Wirtschaftsstudium in der Schweizer Luftfahrt arbeitet, könnte mit diesem Fingerzeig sein Personal meinen. Ein Pilot von Edelweiss verdient Branchengeflüster zufolge als Kapitän in der höchsten Dienstaltersstufe ohne Zuschläge knapp 160'000 Franken, bei Swiss dürften die Grundsaläre in der Endstufe gut 40'000 Franken höher liegen.

Die Intransparenz wird noch gesteigert: Die Lufthansa verbucht Edelweiss nicht separat, sondern gemeinsam mit Swiss. Der Geschäftsbericht des Konzerns gibt für Swiss inklusive Edelweiss einen Umsatz für 2015 von umgerechnet 4,94 Milliarden Franken an. Abzüglich der von Bauer genannten, sicher stimmigen 390 Millionen ergibt das 4,55 Milliarden reinen Swiss-Umsatz; Swiss selbst meldete für 2015 aber über 5 Milliarden. Lufthansa liess Fragen nach Erklärung dieser Differenz unbeantwortet – Vernebelungspolitik vom Feinsten.

«Premium-Ferienfluglinie»

So ändern sich die Zeiten: Heute strahlt die Edelweiss heller als die Swiss, die eigentliche Ertragsperle des Lufthansa-Konzerns. Aber vor einem Jahrzehnt galten Ferienflieger als Auslaufmodell; zum November 2008 hatte Kuoni ihre Edelweiss an die Lufthansa verkauft – nicht an die Swiss, wie seinerzeit häufig falsch berichtet wurde.

Edelweiss startete also neu als «Premium-Ferienfluglinie»: Die Airline führt auf jeder Strecke neben der Economy eine Business Class sowie eine «Economy Max», die sich von der Holzklasse mit 15 Zentimetern zusätzlicher Beinfreiheit abhebt. Edelweiss lege Wert auf eine gute Economy-Klasse und steigere sich nach vorn hin, sagt CEO Bernd Bauer. Der Business-Class-Sitz ist vergleichbar mit dem der Swiss oder der Austrian, das Bett lässt sich komplett flachlegen.

Konkurrent Thomas Cook kennt nur eine «Premium»-Klasse mit mehr Sitzraum, die Business-Klasse der deutschen Condor fällt gegen die Edelweiss-Einrichtung ab. Ferienfliegerei auf hohem Niveau – «in diesem Segment», sagt Bauer, «sind wir wohl die Einzigen».

Engste Abstimmung

Die Einzigen in einem Markt zu sein, klingt schon mal gut. Doch die materiellen Gründe für den Aufwind sind andere.

Erster Grund: die klare Positionierung als Premiumanbieter. Sie gilt bei Experten als Grundlage für den Erfolg der Edelweiss – natürlich vor dem Hintergrund, dass die Airline sich im Markt Schweiz bewegt. Hier wird Qualität gewünscht –und gut bezahlt.

Zweitens: die Einbindung in die Lufthansa-Gruppe. Edelweiss und Swiss teilen sich den Konzernauftrag, in der Schweiz möglichst wenig Nachfrage für die Konkurrenz liegen zu lassen, und stimmen sich engstens ab. Mit Swiss-Chef Thomas Klühr trifft sich Bauer mindestens monatlich, und auch zu Klührs Vorgänger Harry Hohmeister waren die Drähte kurz. In Konzerngremien lasse sich Edelweiss in der Regel von der Swiss vertreten, sagt Bauer: «Wir sind so schlank aufgestellt, dass wir gar nicht alle Lufthansa-Gremien ständig selbst beschicken könnten.»

Nur 530 Mitarbeiter

Tatsächlich beschäftigt Bauer am Boden nicht einmal 100 Leute, inklusive des fliegenden Personals hat Edelweiss nur 530 Mitarbeiter. Möglich macht dies auch das Auslagern von Aufgaben an den Verbund: Preisgestaltung und Ertragsmanagement, Herzstücke im Kommerzbereich einer Fluglinie, lässt Edelweiss von Swiss-Mann Markus Binkert erledigen. Und weil alle Edelweiss-Flüge via Codeshare auch LX-Flugnummern haben, sind sie über die internationalen Swiss-Verkaufskanäle sichtbar und buchbar.

Die Schwesternschaft erhöht auch die Flexibilität beim Fluggerät: Im Winter, für Edelweiss Nebensaison, verleast Bauer den einen oder anderen Airbus A320 an die Swiss, im Sommer nimmt er dann zu seinen sechs A320 bis zu vier von der Swiss dazu. Bei akuter Not hilft man sich gegenseitig, und Anfragen für Charterflüge, die bei der Swiss eingehen, reicht die grosse Schwester üblicherweise an die kleine weiter.

Dass die Swiss mit ihrem «Hub-Plus-Konzept» inzwischen auch Tourismusziele anfliegt, stört Bauer nicht; man spricht sich ab und kommt sich nicht ins Gehege. Das einzige Flugziel, das beide bedienen, ist Mallorca – aber auf dieser Strecke haben sie die Abflugzeiten um einige Stunden versetzt, um nicht «wing to wing» gegeneinander anzufliegen.

Bedürfnisse der Urlauber im Blick

Drittens: die Früchte der unterschiedlichen Arbeitsweise. Als klassischer Linienflieger bedient Swiss ihre Destinationen möglichst täglich, Rennstrecken in Europa mehrmals täglich. Edelweiss hingegen schaut auf die Bedürfnisse der Urlauber.

Das bedeutet nicht nur, die Firmenwerte zu befolgen, wonach die Crews «herzliche Gastgeber» sein sollen, die Passagieren «unbeschwerte Ferien» verschaffen. Eine zentrale Rolle spielt auch das Flugprogramm – auf Kurzstrecken bietet Edelweiss für verlängerte Wochenenden oder Städte-trips passende Flugdaten, und Langstreckenziele versucht Bauer nicht seltener als zwei Mal pro Woche zu bedienen. Das gibt Kunden mehr Spielraum, vor allem aber lastet es die Crews besser aus.

Ferienstimmung bei der Crew

Die haben aber immer noch ein ganz angenehmes Leben. Die früher üblichen Wochenstopps gibt es zwar nicht mehr, doch bis zu vier Tage Aufenthalt an Orten wie Cancún, Mauritius oder Vancouver, bis der nächste edelweisse Flieger landet und die Crew wieder zur Arbeit abhebt, lassen auch die Besatzungen im leichtfüssig-entspannten Ferien-Groove durch die Kabine schweben.

Diese Stimmung an Bord und die bezahlten Kurzurlaube locken so viele Arbeitswillige an, dass Edelweiss, im Gegensatz zur Swiss, sich als Arbeitgeber nicht nach der Decke strecken muss, wie Bernd Bauer sagt: «Wir haben absolut keine Probleme, unsere Stellen zu besetzen.»

Edelweiss mit «anderen Bedürfnisse»

Was die bevorstehende Fusion der Schweizer Pilotengewerkschaften des Lufthansa-Konzerns bringen könnte, darüber will Bauer nicht spekulieren; ihm liege einfach an guter Sozialpartnerschaft, «je professioneller, desto besser». Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass auf Dauer der Gehaltsrückstand der Edelweiss-Luftschiffkapitäne zum Thema wird.

Die Piloten verneinen jedoch; es sei klar, dass die in enge Flugpläne gezwängten Swiss-Crews und die Besatzungen der vergleichsweise gemütlicheren Edelweiss «andere Bedürfnisse» hätten, sagt Achim Hankowiak, Präsident der Edelweiss Pilots Association (EPA). Zwar werde in der Tat «langfristig ein gemeinsamer GAV als Vision gesehen» – dennoch, ergänzt Tobias Mattle von Aeropers, könnten bei Edelweiss und Swiss «einzelne Vertragsbestandteile auch in Zukunft anders aussehen».

Aber klar, langfristig strebe man «klare Verbesserungen in allen Segmenten» an. Der Aeropers geht es zudem um mehr Durchlässigkeit zwischen den Pilotenkorps – auch im Interesse ihrer Airbus-Piloten: «So muss etwa die Edelweiss nicht Piloten auf dem freien Markt rekrutieren, wenn es in der Swiss in manchen Flotten Überhänge gibt», sagt Mattle. Wie aktuell bei den Langstrecken-Airbussen, die durch die Boeing 777 abgelöst werden.

Schöne Grundauslastung dank Reiseveranstalter

Und der vierte Grund: das zweite Standbein. Obwohl sich Edelweiss zu einem Linienfluganbieter gewandelt hat und nur noch vereinzelt komplette Flüge im Auftrag von Reiseveranstaltern betreibt (gelegentlich nach Nordeuropa für Kontiki), verkauft sie noch immer rund 40 Prozent ihrer Tickets an Reiseveranstalter – eine schöne Grundauslastung.

Hier liegt ein Vorteil gegenüber Billigfliegern wie Ryanair oder EasyJet: Diese konnten bis heute keine nennenswerten Partnerschaften mit Reiseveranstaltern eingehen, obwohl die Discountflieger an Sonnenzielen wie Mallorca genauso präsent sind – aber solche Kooperationen sind «alles andere als trivial», sagt ein Luftfahrtexperte. Denn Reiseveranstalter bringen ganz andere Buchungsrhythmen mit, ihre Kapazitäten «atmen anders».

Edelweiss schraubt aktuell an einer Schnittstelle, wo Tour Operators direkt in den Edelweiss-Systemen Flüge buchen können. Das sollte den Vorsprung vor den Billigen zementieren.

Ausbauprogramm wird umgesetzt

2015 hat Bauer ein grosses Ausbauprogramm lanciert, die Umsetzung läuft. Während Edelweiss Tickets derzeit nur in der Schweiz verkauft, wird künftig die Website internationalisiert, Bauer will auch «an bestimmten Orten im Ausland verkaufen», selber oder in Kooperation mit Online-Reiseanbietern: «In Betracht kommen Süddeutschland oder Vorarlberg, aber auch grosse Interkont-Märkte wie USA, Kanada oder Brasilien.»

Auch die Flotte stockt Bauer auf. Vier vierstrahlige Airbusse A340-300 nimmt er bis 2018 in Empfang, den ersten bereits diesen Herbst. Man habe schon «das wohl dichteste Angebot zu den Hauptferienzielen auf der Kurzstrecke, wir wollen uns nun auch auf der Langstrecke verstärken». Die ersten neuen Ziele sind bekannt: Ab April 2017 geht es ins mexikanische Cancún, ab Mai nach Costa Rica und ab Juni nach San Diego. Danach richtet sich der Blick nach Asien, «wir schauen uns Vietnam, Myanmar oder die Philippinen an, aber spruchreif ist noch nichts».

Risiko wird klein gehalten

Nicht alle Experten gehen davon aus, dass der Markt Schweiz dieses stramme Wachstum absorbieren kann. Doch Bauer, ein alter Hase im Business, der in seiner Karriere bei der Swiss sämtliche kommerziellen Abteilungen durchlaufen hat, hält das Risiko klein. Die vier Jets least er von der Swiss – sie dürften 13 bis 14 Jahre alt sein. Der Markt für die A340 ist praktisch ausgetrocknet, damit dürften die Leasingraten in Bodennähe liegen, auch wenn Bauer von «Marktpreisen» spricht. Und da Flugbenzin derzeit günstig ist, kann sich Edelweiss den vierstrahligen Spritfresser leisten.

Zugleich weiss Bauer, dass er perfekt gewartete Flugzeuge bekommt, die noch problemlos zwei Jahrzehnte fliegen können. Gut, wenn man eine grosse Schwester hat.

Auch dank dieser Familie, sagt ein Branchenmann, «kann weltweit niemand das Edelweiss-Modell kopieren, nicht einmal am Standort Zürich». Umso unverständlicher bleibt, dass der Mutterkonzern den Markenwert der Edelweiss nur mit 4 Millionen Euro veranschlagt – die Marke Swiss ist mit 240 Millionen verbucht. Aber auch das bleibt wohl ein Geheimnis der Lufthansa.