Lange hatte der ältere Herr im Hintergrund des Saales zugehört, doch kaum war die Pressekonferenz zu Ende, begab er sich festen Schrittes nach vorne, nahm die drei Stufen aufs Podest und schritt auf die beiden CS-Topmanager zu. Die beiden – offenbar etwas überrumpelt – reagierten souverän: Dies sei Rainer E. Gut, Ehrenpräsident der Credit Suisse, stellte VR-Präsident Urs Rohner den Mann seinem soeben zum neuen CEO der Bank berufenen Kollegen Tidjane Thiam vor. Es sei ihm eine Ehre, sagte Thiam und schüttelte dem 82-Jährigen die Hand. Die Fotografen, auch sie etwas überrascht, liessen ein Blitzlichtgewitter los – am nächsten Tag war das Foto des Trios gross in der Boulevardpresse zu sehen.

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Der Auftritt von Mitte März war bemerkenswert, war Gut, der einst übermächtige Architekt der modernen CS, in den letzten Jahren doch weitgehend in der Versenkung verschwunden. Sein plötzliches Wiederauftauchen sei aber kein Zufall, sagt ein enger Vertrauter Guts: Er habe mit seinem Auftritt daran erinnern wollen, dass die Bank eine Geschichte habe, und er wollte bewusst ein Zeichen für Kontinuität setzen. Er sehe dies auch als Signal für viele langjährige Mitarbeiter der Bank, so der Gut-Vertraute.

Dafür nahm Gut offensichtlich auch in Kauf, dass prompt Gerüchte auftauchten, er ziehe im Hintergrund der Bank immer noch die Strippen. Ein Bild, das aber nicht der Realität entspricht – der Ehrenpräsident hat keine Bedeutung im Machtgefüge der CS, wie intime Kenner der Bank bestätigen.

Die glorreichen Sieben

Heute gibt es bei den Schweizer Konzernen noch sieben Ehrenpräsidenten, wobei einer – Fritz Gerber – gleich bei zwei SMI-Firmen diese Funktion ausfüllt: bei Roche, wo er von 1978 bis 2001 als CEO und Präsident wirkte, und bei Zurich Insurance, wo er in diesen Funktionen von 1977 bis 1995 war. Ein Konzern wiederum hat gleich zwei Ehrenpräsidenten: Novartis mit Alex Krauer, Präsident bis 1999, und Daniel Vasella, CEO von 1996 bis 2010 und von 1999 bis 2013 auch Präsident.

Die konkrete Rolle, welche die Ehrenpräsidenten für ihre Firma ausfüllen, ist stark unterschiedlich. Grundsätzlich ist die Funktion in erster Linie Anerkennung für die Leistungen der Vergangenheit und umfasst in der Regel weder spezielle Rechte noch Pflichten, ausser gewissen repräsentativen Aufgaben. So etwa wird dies bei der CS im Falle von Gut, bei Zurich im Falle von Gerber oder bei Adecco im Falle von Philippe Foriel-Destezet gehandhabt. Letzterer baute die 1996 mit Adia zu Adecco fusionierte Ecco auf und leitete sie zum Zeitpunkt der Fusion auch. Der zweite Ehrenpräsident des Temporärarbeit-Konzerns, Klaus Jacobs, ist inzwischen verstorben. Bezahlt sind diese Funktionen nicht.

Ehrenpräsidenten mit spezifischen Aufgaben

Dann gibt es aber auch Ehrenpräsidenten mit spezifischen Aufgaben und damit verbundenen finanziellen Entschädigungen – zum Teil sehr üppige. Raymond Bär, Sprössling der Gründerfamilie, erhält von der Bank 229 000 Franken im Jahr – nicht direkt für seine Rolle als Ehrenpräsident, aber für seine Funktion als Vorsitzender des Sonderausschusses zur Beilegung des Rechtsstreits mit den USA.

Daniel Vasella wiederum hat bei Novartis einen bis Ende 2016 laufenden Dienstleistungsvertrag, der unter anderem das Coaching für Nachwuchsführungskräfte beinhaltet – für ein Honorar von 25 000 Dollar pro Tag. Zudem hat er das Recht auf ein Büro und kann «Sekretariatsdienste sowie ein Auto mit Chauffeur innerhalb der Schweiz und des grenznahen Auslands in Anspruch nehmen», wie Novartis auf Anfrage schreibt. Die meisten Dienstleistungen seien bis 2019 befristet.

Wie diese vertraglichen Verpflichtungen im Einzelnen konkret wahrgenommen werden, ist offenbar auch vom Verhältnis zwischen dem Ehrenpräsidenten und der Firmenführung abhängig. Jedenfalls hat der neue Novartis-Präsident Jörg Reinhardt seinem Nachfolger kürzlich ein weniger mondänes Büro gleich neben der Herrentoilette zugeteilt, wie die Sonntagspresse süffisant berichtete.

Mehr Respekt bei Roche

Konkurrent Roche erweist Fritz Gerber da schon deutlich mehr Respekt – er wird als Ansprechpartner für Verwaltungsrat und Konzernleitung hoch geschätzt. Auf Einladung hat er das Recht, an VR-Sitzungen teilzunehmen. Dies sei etwa 2009 der Fall gewesen, so Gerber, als das Gremium die Totalübernahme der US-Biotech-Tochter Genentech beriet. Schliesslich war es Gerber gewesen, der 2001 den Kauf von 60 Prozent der US-Firma beantragt und damit die Basis für die später so erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt hatte. Gerber nimmt auch an den jährlichen Strategiesitzungen teil.

Wichtig ist die Rolle der Ehrenpräsidenten als Klammer zur Vergangenheit der Firma vor allem aber im symbolischen Sinn. Sowohl Gerber bei Roche als auch Helmut Maucher bei Nestlé verpassen kaum je eine Generalversammlung ihrer Ex-Arbeitgeber.

Kontinuität

«Die Dinge haben ihre Geschichte, sind entstanden», sagt Gerber. Die gezielten Auftritte im repräsentativen Umfeld der Firma seien Reminiszenz an die Vergangenheit und Zeichen für Kontinuität zugleich. «Es gibt heute in Management und VR viele Wechsel, die langfristige Bindung hat abgenommen», so Gerber. Gerber, Gut oder Maucher standen jahrzehntelang in Diensten ihres Arbeitgebers und verkörperten Kontinuität.

Nachfolger für die heutige Garde der Ehrenpräsidenten stehen denn auch praktisch keine parat, gibt es doch – vielleicht mit Ausnahme von Peter Brabeck bei Nestlé – kaum noch einen Präsidenten oder CEO, der länger als ein paar Jahre an der Spitze verweilt. Doch auch einige langjährige Firmenlenker halten die Funktion für überholt.

Franz Humer bei Roche etwa soll nach seinem Rücktritt 2014 kein Bedürfnis für die Erlangung des Ehrentitels geäussert haben, heisst es aus seinem Umfeld. Im heutigen, engen Korsett der Compliance-Vorschriften passt eine Funktion ohne klare Rolle für die Corporate Governance auch nicht recht hinein. «Ehrenpräsident zu werden», sagt auch Gerber, «ist nicht mehr modern.»

Erik Nolmans
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