Es ist eine Geschichte, wie wir sie meist nur aus den USA zu hören bekommen. Da beschliessen ein paar Zürcher Wissenschafter bei einer Retraite in einer Berghütte, es einmal anders zu versuchen und sich den zwei Dritteln der Menschen zuzuwenden, die mit mehr als 85 Jahren noch gesund sind, und das Rätsel Alzheimer zu knacken.

Sie tüfteln und testen in ihren Laboren, gründen ein Startup und beziehen in einem alten Industriegebiet vor den Toren Zürichs Quartier. Und sie bewahren sich ihre Forschungsfreiheit, indem sie sich so gekonnt mit der Industrie verpartnern, dass sie ohne den Kapitalmarkt auskommen.

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Neurimmune – vom Startup zum Welterfolg in zwanzig Jahren

Nun, zwanzig Jahre später, bringt das Zürcher Startup Neurimmune zusammen mit dem amerikanischen Biotech-Unternehmen Biogen das erste Alzheimer-Medikament auf den Markt und schreibt damit Medizingeschichte.

Gewiss, die US-Zulassung von Aducanumab ist umstritten. Aduhelm, wie das Produkt nun heisst, ist kein Volltreffer – keine Therapie, die ihren Nutzen in klinischen Studien unzweifelhaft unter Beweis gestellt hat.

Einige meinen deshalb, die FDA habe die Messlatte etwas gar tief angesetzt. Tatsächlich ist die Datenlage alles andere als eindeutig. Der Wirkstoff hat eine fast zweijährige Saga mit Studienabbrüchen und spektakulären Kehrtwendungen hinter sich.

Und klar, gemessen an all den Unsicherheiten, mit denen Aducanumab noch behaftet ist, sind die 56'000 Dollar, die Biogen für die Behandlung von Alzheimer pro Jahr und Patient oder Patientin verlangt, schlicht abenteuerlich.

Eines aber steht fest: Was Roger Nitsch und seine Mitstreiter in den vergangenen Jahren geleistet haben, ist grossartig. Die Zulassung ist ein grandioser Erfolg für den Life-Sciences-Standort Schweiz; der Beweis dafür, was möglich ist, wenn sich kluge Köpfe zusammentun, wenn Universität und Industrie zusammenspannen.

Das sind die wichtigsten Antworten zum Alzheimer-Medikament von Biogen/Neurimmune

Die vom Zürcher Neurimmune mitentwickelte Alzheimer-Therapie kommt auf den Markt. Wieso ist sie teuer? Und warum so umstritten? Die Antworten.

Ein Vertreter der amerikanischen Gesundheitsbehörde NIH hat die Zulassung von Adcunumab dieser Tage mit derjenigen der ersten HIV-Therapien vor Jahrzehnten verglichen. Auch damals ging man mit Medikamenten ins Rennen, deren Wirksamkeit noch nicht ganz gesichert war; die noch lange nicht so gut waren wie die HIV-Therapien, die uns heute zur Verfügung stehen. Trotzdem waren sie wichtig, weil sie halfen, die Krankheit überhaupt erst genauer zu verstehen.

Das erste Alzheimer-Medikament kommt aus der Schweiz

Dass der Durchbruch diesmal aus der Schweiz kommt, ist grossartig. Schade nur, dass das hierzulande ausserhalb der Community kaum wahrgenommen wird. Technologie und Fortschritt sind im schweizerischen Selbstverständnis leider noch immer weniger wichtig als das Matterhorn, Käse, Schokolade und Uhren.

Stellvertretend für alle deshalb, die es in den vergangenen Tagen versäumt haben, dem Schlieremer Startup und seinem Chef Roger Nitsch ihre Reverenz zu erweisen: Herzliche Gratulation an die Wagistrasse!

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