Buchautor, Privatinvestor und Ex-«Blick»-Kolumnist Roman Koidl aus Küsnacht ZH kommt mit einer Software für Onlinehändler auf den Markt: Seine Firma ClearVAT (etwa: «kein Problem mit Mehrwertsteuer») arbeitet an einer Software, die den Ausgleich dieser Steuer in allen EU-Staaten bei grenzüberschreitenden Bestellungen direkt im Abrechnungsprozess erledigt.

Was kompliziert klingt, scheint im wahren Leben noch komplizierter zu sein: Zahlreiche EUVorschriften und nationale Gesetze greifen hier, von 6000 Ausnahmeregelungen ist in Brüssel die Rede, bisher habe «keine Firma in Europa hierfür eine Lösung im Angebot», sagt Koidl. Auf das Thema stiess er bei seinem Online-Kunstmarktplatz Fineartmultiple, der das Inventar weltweiter Top-Galerien vermarktet. Eine Schweizer Anwaltskanzlei habe ihm dann die strafrechtlichen Probleme erklärt, «wenn ein Onlinehändler die Steuervorschriften der EU nicht einhalte».

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«Mehrwertsteuermaschine»

Koidls «Clearing House» oder «Mehrwertsteuermaschine» soll bei Bestellungen etwa aus der Schweiz bei einem deutschen Onlineshop mit Lieferung an die Tante in Polen alle Steuerfragen korrekt bearbeiten, dem Kunden darstellen und die Zahlungen abwickeln.

Als Partner hat er den Softwarekonzern SAP und die Beratungsfirma Deloitte an Bord; zertifiziert wird die Software von der Wirtschaftsprüfungsfirma BDO. Das Software-Plug-in will Koidl den Händlern kostenlos abgeben, Geld verdienen will ClearVAT über Gebühren für die einzelnen Transaktionen: «Drei bis fünf Prozent Gebühr auf den Transaktionswert», also den Rechnungsbetrag, plant Koidl.

Peer Steinbrueck

Peer Steinbrück: Der frühere Finanzminister Deutschlands kennt die Schweiz, die EU und das Thema Steuern.

Quelle: HC Plambeck

Einblicke in Berlin und Brüssel

In der Schweizer E-Commerce-Branche ist ClearVAT praktisch noch unbekannt. Experten verweisen auf den «One-Stop-Shop» der EU für Mehrwertsteuern, der 2021 für den Versand physikalischer Güter starten soll und ClearVAT praktisch überflüssig machen könnte.

Doch Koidl, der auch dank seinem Board-Mitglied, dem früheren deutschen Finanzminister Peer Steinbrück, Einblicke in Berlin und Brüssel hat, sagt, nicht alle EU-Staaten würden das unterstützen und «die EU hat mit der Arbeit daran noch gar nicht wirklich begonnen, wie man uns bei der Kommission sagte». Sein Fazit: «Ich glaube nicht, dass das so bald kommt, zumal das EU-Vorläuferprojekt ‹Mini-One-Stop-Shop› für digitale Güter faktisch gescheitert ist.»

Testbetrieb ab April

Sieben Millionen Euro Kapital für die Firma hat er gesammelt, die Investitionen bis zum Marktstart beziffert er auf 1,5 bis 1,8 Millionen. Ab April soll ein Testbetrieb starten, ab Juli die Software für Onlinehändler verfügbar sein. Das Marktpotenzial sei gigantisch: Vom jährlichen E-Commerce-Umsatz in Europa, rund 500 Milliarden Euro, sei etwa ein Fünftel grenzüberschreitend.

Thomas EBELING ,Vorstandsvorsitzender,CEO,vor Firmenlogo,Logo,Einzelbild,angeschnittenes Einzelmotiv,Portraet,Portrait,PortrŠt.Pressekonferenz ProsSiebenSat.1 Media SEam 23.02.2017. [ Rechtehinweis: picture alliance / Sven Simon ]

Thomas Ebeling war in der Konzernleitung von Novartis und zuletzt CEO der Senderkette ProSiebenSat. 1.

Quelle: picture alliance / Sven Simon

Koidl besitzt rund 70 Prozent der Firma, den Rest halten einige Privatinvestoren, die er nicht nennen will. Bekannt ist allerdings, dass der Ex-CEO der Senderkette ProSieben-Sat.1 und frühere Novartis-Topmann Thomas Ebeling mit einer einstelligen Prozentbeteiligung investiert ist; auch Ebeling sitzt bei ClearVAT im illuster besetzten Board.

Bekannt wurde der Österreicher Koidl mit populärpsychologischen Bestsellern wie «Scheisskerle» (warum Frauen an die falschen Männer geraten) oder «Blender» (über Karrieristen). Er gründete aber auch früh eine Kaffeehauskette in Deutschland und verkaufte sie 1999 wieder, er beriet Hedge Funds, baute den Schokoladen-Grussdienst «Schokogramm» aus und verkaufte ihn 2011 an die Migros, betreibt heute in Luzern die Beteiligungsholding Koidl & Cie. sowie in Berlin eine nicht profitorientierte Kunsthalle.

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