Adnan Pachachi, welchen Plan haben Sie für die Zukunft des Iraks?
Adnan Pachachi: Ich hoffe, dass wir bald in Bagdad die grosse Konferenz abhalten und danach im Irak schnell eine breit abgestützte Übergangsregierung entstehen kann, welche die ersten Schritte zum Wiederaufbau des Landes einleitet. Danach erwarten wir, dass sich das Volk zu seiner künftigen Regierung äussern kann. Wir möchten, dass demokratische Wahlen stattfinden und eine demokratisch legitimierte Regierung installiert werden kann.

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Wollen Sie selber Präsident des Iraks werden?
Es wäre vermessen, dies zu sagen. Das ist nicht wichtig für den Irak. Das Volk soll sehr schnell entscheiden.

Spielt es eine Rolle, ob ein Schiit oder ein Sunnit Präsident wird?
Die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten, auch zwischen den verschiedenen Ethnien werden in der westlichen Welt übertrieben dargestellt. Irak ist nicht Irland, Bosnien, Kosovo oder Afghanistan. Auf dem Niveau der einzelnen Individuen im Irak spielen die konfessionellen und ethnischen Unterschiede eine unwesentliche Rolle.

Was gilt es anzupacken?
Den demokratischen Wiederaufbau. Eine Übergangsregierung muss Gesetze vorbereiten, die das Zusammenleben regeln. Wir brauchen neue Gesetze, Pressefreiheit, formelle politische Parteien, ein Versammlungsrecht. Am Ende muss sich der Irak eine Verfassung geben.

Die Hälfte aller Iraker ist jünger als 18 Jahre. Ihre Erfahrung fusst auf der Zeit des Regimes und der Kriege. Weshalb glauben Sie, dass der demokratische Nährboden im Irak gelegt sein soll?
Ich habe grosse Hoffnungen in die vier Millionen Iraker, die im Ausland leben. Das sind meist sehr gut ausgebildete Leute, Wissenschaftler, Kolumnisten, Ingenieure, die nun in ihrem Heimatland gefragt sind. Diese Menschen leben seit Jahren in westlichen Demokratien. Sie kennen die Regeln. Sie wissen, dass ein Staat «checks and balances» benötigt.

Was ist als Erstes zu tun, wenn das Land wirtschaft-lich wieder aufgebaut werden soll?
Die Situation ist katastrophal. Für den Irak stellt die Ölindustrie die Lebensader dar. Die Ölfelder sind jedoch in einem verwahrlosten Zustand. Man muss sehr viel Geld investieren, um die Ölförderung wieder in Gang bringen zu können.

Mit welchen Investitionen rechnen Sie?
Das ist schwierig abzuschätzen, weil im Irak grundsätzlich wirtschaftliche Grunddaten fehlen. Es gibt Kalkulationen, die von insgesamt 200 Milliarden Dollar Wiederaufbaukosten ausgehen. Wichtig ist, dass der Meerhafen Umm Kasr als Ölterminal wieder schnell in Betrieb genommen werden kann. Der Irak hat eine landgestützte Wirtschaft, der
Zugang zum Meer ist auf Umm Kasr konzentriert. Dort wird sich Entscheidendes abspielen müssen.
Was könnte den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Iraks verzögern?
Mögliche Reparationszahlungen oder die Last der Auslandschulden, die das Regime angehäuft und so den Irak zum höchstverschuldeten Land der Erde gemacht hat. Die Gespräche über Schuldentilgungen werden nicht einfach sein. Ausserdem muss eine ganze nationale Infrastruktur wieder aufgebaut werden: Spitäler, Schulen, Verwaltung. Das alles schaffen wir nicht ohne fremde Hilfe. Wir benötigen unbedingt grosse Kapitalinfusionen aus dem Ausland.

Wer soll helfen?
Es braucht einen Masterplan. Ohne ihn kann die irakische Nation nicht neu gebildet werden. Alle müssen dabei mitmachen. Es braucht dazu die USA genauso wie die Europäische Union, Russland, Japan und China. Die Welt muss dem Irak helfen.

Zur Person
Der 1923 in Bagdad geborene Adnan Pachachi verbringt die Sommer zusammen mit seiner Ehefrau Salwa zumeist in London, den Rest des Jahres lebt er seit 1969 im Exil in Abu Dhabi.

Seit einigen Jahren ist der ehemalige Aussenminister (1966) und langjährige Botschafter in den USA und bei der Uno in New York (1959 - 1968) wieder politisch aktiv. Anfang diese Jahres hat ihn eine neu gebildete überkonfessionelle irakische Exilgemeinde in London für sich gewinnen können. Die Verbindung nennt sich «Unabhängige Iraker für Demokratie».

Der 80-jährige, rüstige Sunnit hält sich gerne im Hintergrund auf und lässt deshalb derzeit seine Unterhändler an den Meetings im Irak teilnehmen, wo das «nation building» vorangetrieben werden soll. Im März hat Pachachi eine US-Einladung zu einem Gipfeltreffen von sechs Oppositionsführern im Nordirak abgelehnt, weil er nicht Mitglied einer Marionettenregierung unter US-Oberhoheit werden wolle.

Ebenfalls im März hat ihn der US-Sonderbeauftragte für den Irak, der Exil-Afghane Zalmay Khalilzad, in Abu Dhabi aufgesucht und ihn gebeten, in einer Übergangsregierung mitzutun. Pachachi zieht für die Übergangsverwaltung des Iraks ein Uno-Mandat vor, hat dem Einmarsch der USA in den Irak stets verhalten kritisiert und eine «arabische Lösung» mit freiwilligem Machtverzicht Saddam Husseins favorisiert.

Pachachis vorzügliche Kontakte zur Arabischen Liga und zum US-Aussenministerium Colin Powells machen ihn zu einem valablen, um Ausgleich bedachten Kandidaten für eine erste Präsidentschaft im Irak. Bereits Pachachis Vater, sein Schwiegervater und sein Onkel waren in der Zeit der Monarchie (bis 1958) Ministerpräsidenten des Landes.