Herr Köng, Sie digitalisieren die Postfinance. Kürzlich hat Ihr Mutterkonzern, die Post, Bargeldeinzahlung an der Haustür an den Pöstler eingeführt. Digital sieht anders aus.
Hansruedi Köng*: Das stimmt. Der Service wurde von der Schweizerischen Post aber auch nicht für digital-affine Kunden eingeführt, sondern für Leute, die ihre Monatsrechnungen weiterhin mit Bargeld begleichen möchten. Das scheint nach wie vor ein gesellschaftliches Anliegen zu sein. Es ist aber fernab von Digitalisierung.

Braucht es einen solchen Service auch in 10 bis 20 Jahren noch?
«Alte Zöpfe» haben manchmal ein langes Leben. Und die Schweizer lieben ihr Bargeld.

Stellt das Schwierigkeiten für Ihre Bezahlapp Twint dar? Bislang hat sich bei den Schweizern mässiges Interesse am Mobile Payment eingestellt.
Twint hat das Potential, das zu ändern. Ausserdem ist es zu spät, eine Lösung erst dann zu entwickeln, wenn sich das Kundenverhalten bereits verändert hat. Wir sind dem also einen Schritt voraus.

Mittlerweile kann man dank der App Boon jede Kreditkarte mit ApplePay verknüpfen. Hat Twint da überhaupt noch eine Chance?
Es gibt nicht nur digitale Zahlungsmittel. Plastikkarten und Bargeld sind ebenfalls Konkurrenten für Twint. Am Ende wird der Kunde entscheiden was er will. Klar ist: Mit dem Bezahlen alleine werden wir die Leute nicht von Mobile Payment überzeugen können. Da sind beispielsweise kontaktlose Bezahlkarten schneller. Den Unterschied werden die Zusatzangebote machen. Twint soll eine Shopping-App werden: Mit Sonderangeboten, Rabatt- und Loyaltyprogrammen sowie Mobile Marketing. Wenn man seine Supercard von Coop hinterlegen kann, bieten wird etwas, was ApplePay und andere Bezahllösungen nicht können. Das ist erfolgsversprechend.

Der Launch von Twint hat sich wiederholt verzögert. Kommt Sie endgültig im April?
Das liegt unter anderem daran, dass Twint rasch gewachsen ist und in der Zwischenzeit alle grossen Banken involviert sind. Die Arbeiten sind auf Kurs und Twint wird wie angekündigt im April starten.

Die Postfinance hat vorige Woche das Ergebnis für 2016 veröffentlicht. Sind Sie zufrieden?
In Anbetracht der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in denen wir uns befinden, insbesondere mit dem aktuellen Zinsniveau, dürfen wir mit unserem Ergebnis zufrieden sein.

Das Ergebnis war von einmaligen Verkäufen beeinflusst. Sind Sie optimistisch, was den Rest des Jahres anbelangt?
Für 2017 bin ich verhalten positiv. Für die mittlere und längere Zukunft bin ich besorgt. Wir erwirtschaften 60 Prozent unserer Erträge im Zinsdifferenzgeschäft. Mit den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Kreditvergabeverbot haben wir kaum Chancen, das heutige Gewinniveau zu halten.

Sie haben es bislang nicht geschafft, Bern davon zu überzeugen, Sie zum Kreditgeschäft zuzulassen. Welche Möglichkeiten sehen Sie sonst, um den Rückgang im Zinsgeschäft zu kompensieren?
Wir wollen uns ein Standing als Bank im Anlagegeschäft erarbeiten. Durch die Digitalisierung entstehen ausserdem neue Geschäftsmodelle wie das Crowdlending, oder im Bereich der Online-Hypotheken und im Data Mining. Mit der Auswertung von Daten könnte man dem Kunden auf ihn zugeschnittene Produkte anbieten. Wenn die EU-Richtlinie PSD2 in die Schweizer Regulierung übernommen werden sollte, öffnet sich sowieso der ganze Markt. Da sehen wir Chancen in der Zukunft. Diese sind aber in Punkto Gewinnaussichten noch nicht so greifbar, wie wenn man ins Kreditgeschäft eintreten könnte.

Die jüngst eingeführten Negativzinsen werden Sie also beibehalten?
Ja, für Privatkunden mit einem Cashsaldo über eine Million Franken. Das ist aber kein Geschäftsmodell um Profite zu machen, sondern um die Verluste wettzumachen, die uns durch die Negativzinsen bei der SNB entstehen.

Haben Kunden bereits auf die Einführung der Negativzinsen reagiert?
Wir haben diese erst am 1. Februar 2017 eingeführt. Es ist somit noch zu früh zu sagen, was die Auswirkungen sind.

Werden Sie auch die Kontoführungsgebühren erhöhen, um den Ertragsrückgang auszugleichen?
Vorstellbar ist das. Retailbanking ist bisher über weite Strecken gefühlt für den Konsumenten gratis gewesen, denn die Bank konnte mit dem Bodensatz des Geldes eine gewisse Zinsmarge erarbeiten. Das ist heute nicht mehr der Fall. Und eine Zahlung ist nicht gratis, die kostet viel Geld. Darum ist es durchaus möglich, dass wir künftig am einen oder anderen Ort gewisse Gebühren erheben werden. Entschieden ist aber noch nichts.

Orientieren Sie sich an den anderen Grossbanken? Die verlangen für ihre Karten etwa Gebühren, während die Postfinance Card gratis ist.
Selbstverständlich schauen wir, was unsere Mitbewerber machen. Für uns ist wichtig, dass wir unseren Kunden günstige und vor allem faire Konditionen bieten. Man kann die Gebühren sicher nicht «à discretion» erhöhen.

Sie bauen mit dem Programm «Victoria 2017-2020» die Bank um. Kommt es mit der neuen Struktur nun zum grossen Stellenabbau?
Wir haben im heutigen Geschäft in drei bis fünf Jahren sicher weniger Leute. Im Kundendienst arbeiten etwa viele Mitarbeitende, die Telefone abnehmen. Wenn uns immer weniger Kunden anrufen, wird es dort auch weniger Leute brauchen. Gleichzeitig braucht es aber neue Leute in den Bereichen, die wir ausbauen: Im Anlagegeschäft oder in den digitalen Projekten. Es ist schwierig vorherzusagen, wie viele Leute wir in Zukunft brauchen werden. Postfinance ist aber keine Firma, die Hire-and-Fire betreibt. Derzeit sind wir defensiv was die Neubesetzungen von Abgängen betrifft. Wir wollen so verhindern, dass es zu Entlassungswellen kommt.

Werden die Kundenberater durch Chatbots ersetzt?
Mit Chats arbeiten wir bereits, beispielsweise im E-Finance. Da arbeitet im Hintergrund aber immer noch ein Call-Center-Agent. Wir haben allerdings ein Pilotprojekt mit einem Chatbot, bei dem der Kunde mit einem Computer spricht. Der kann problemlos bei Fragen und Anliegen wie «Wo ist die nächste Postfinance-Filiale?», «Was ist mein Kontostand?» oder «Ich möchte ein Konto eröffnen» weiterhelfen.

Wann steht die neue Struktur der Postfinance?
Die neue Organisationsstruktur steht fest. Ab dem 1. Juli soll in dieser neuen Struktur gearbeitet werden. Aus dieser neuen Organisation heraus werden die Stossrichtungen – wie vorhin beschrieben in Richtung Anlageschäft und Digitalisierung – über die nächsten Jahre verfolgt. In drei bis fünf Jahren wird das Geschäft hinsichtlich Digitalisierungsmöglichkeiten anders aussehen.

Ein internes Dokument zeigt neue Abteilungen im Organigramm.
Ja, wir schaffen die Bereiche Investment Solutions und Business Development. Der Bereich Risk Legal Compliance war bislang im Corporate Center und wird neu ein eigenständiger Bereich.

Wozu sind diese neuen Bereiche da?
Investments Solutions wird sich darum kümmern, neue Anlagelösungen für den Kunden zu konzipieren und diese zu vermarkten. Im Business Development geht es um Entwicklungsprojekte zur Digitalisierung der Bank. Hier ist auch das Corporate Venturing angesiedelt, in dem wir in Fintechs und andere Startups investieren.

Bislang zeigt das neue Organigramm drei Vakanzen in der Geschäftsleitung: Im neuen Bereich Investment Solutions, Risk, Legal & Compliance und im Bereich Arbeitswelt, der bislang von Valerie Schelker betreut wurde, die nun zur Post wechselt. Haben Sie bereits Nachfolger?
Nein, für alle drei Positionen wird noch ein Nachfolger gesucht. In den nächsten Wochen werden wir Namen nennen können.

Gibt es weitere Veränderungen auf Ebene der Geschäftsleitung?
Patrick Graf vom Corporate Center übernimmt neu den Bereich Corporates, also das Grosskundengeschäft. Der neue Bereich Business Development wird von Beat Jaccottet, der bislang den Bereich Core Banking Transformation betreute, übernommen.

Haben Sie eine Nachfolge für Armin Brun, der das Marketing leitete und zum Mutterkonzern Post wechselte?
Seine Stelle wird nicht eins zu eins ersetzt. Das Marketing wird aufgeteilt auf die Bereiche Retail, Corporates und Investment-Solutions.

Wie stellen Sie sich Ihre digitale Bank in fünf Jahren vor?
Im Prinzip ist das Bankgeschäft heute schon digital, wir haben ja praktisch keine physischen Dienstleistungen. Dennoch stellen wir uns natürlich die Frage, wie die Bank der Zukunft, aussehen wird: Wird eine Bank plötzlich auch Versicherungsprodukte verkaufen? Wird sie zu einem Marktplatz? Solche Entwicklungen sind schwer zu prognostizieren, aber wir versuchen sie zu antizipieren – dies mit dem Projekt «Future Banking». Klar ist: Banken werden sich öffnen. Da sehe ich Chancen für uns.

*Hansruedi Köng führt die Postfinance seit 2012.

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Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren