Der Erdölpreis beginnt sich auf über 50 Dollar pro Fass zu etablieren. Zum Vergleich: 1999 wurde die Ölsorte Brent bei 10 Dollar gehandelt. 2002 erfolgte der Anstieg auf 35 Dollar. Seit der Korrektur auf 20 Dollar im November 2001 steigt der Preis an. Mittlerweile gehen immer mehr Ökonomen von einem Erdölpreis von über 40 Dollar pro Fass in diesem Jahr aus. Die UBS prognostiziert im Durchschnitt für 2005 einen Erd-ölpreis von knapp 52 Dollar. Werden diese Vorhersagen Tatsache, dann verlangsamt sich das Wachstum der Weltwirtschaft. Für den Investor bedeutet dies, dass er seine Anlagestrategie unter Umständen defensiver ausrichten muss.

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Tieferes Wachstum

In einer Studie zitieren die Ökonomen Nouriel Roubini und Brad Setser nämlich Erwartungen von 0,3% bis 0,4% Wachstumseinbusse pro 10% Anstieg des Erdölpreises in den G7-Staaten. Pessimistischere Schätzungen, wie die von Goldman Sachs, befürchten gar ein um 1% reduziertes Wirtschaftswachstum, wenn Öl im Jahresvergleich um 15 Dollar steigt. Auch die Schweizer Wirtschaft kann sich den Folgen eines höheren Erdölpreises nicht entziehen. Allerdings, so Hanspeter Hausheer, leitender Ökonom bei UBS, «federt der schwächere Dollar einen Teil des Anstiegs des Erdölpreises ab, und zudem bestehen auf Benzin und Heizöl hohe Steuern, sodass der prozentuale Einfluss eines höheren Erdölpreises auf die Endverkaufspreise geringer ausfällt». Trotzdem ist für Hausheer der Anstieg des Erdölpreises keine Quantité négligeable. Bei allen Vorbehalten, die gegenüber solchen Analysen angezeigt sind, schätzt er, dass ein um 10 Dollar höherer Erdölpreis ein um 0,3 bis 0,6% geringeres Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes bedeutet. «Ohne den Anstieg des Erdölpreises läge somit das Wachstum der Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr eher bei 2,3% und nicht, wie wir es nun erwarten, bei 1,8%», sagt Hausheer. Ein Wachstum von 1,8% liegt unter dem Niveau von 2%, das als notwendig erachtet wird, damit die Arbeitslosigkeit spürbar sinkt.

In diesem wirtschaftlichen Kontext dürfte die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinsen tief halten. Allerdings tut sie sich schwer damit, denn «die SNB will versuchen, den geldpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen, indem sie die Zinsen raufnimmt», denkt Hausheer. Bleiben die kurzen Zinsen tief, dann muss man von einem erneuten Abwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen ausgehen. Am Obligationenmarkt dürften die deflationären Folgen der hohen Erdölpreise betont werden: Abschöpfung von Kaufkraft bei den Konsumenten sowie die beschränkte Fähigkeit von Unternehmen, die steigenden Energiekosten 1:1 weiterzugeben. Der Rückgang der realen Einzelhandelsumsätze im Januar um 3,1% gegenüber dem Vorjahr stützt diese Sicht.

Festerer Franken

Der Franken wird durch den hohen Erdölpreis gestärkt. Wenn die Märkte mit einem geringeren Wachstum der Wirtschaft in den USA und der Eurozone rechnen, weil der hohe Erdölpreis die Konjunktur dämpft, dann gehen sie von weniger rasch steigenden Leitzinsen aus. Die Schweizer Zinsen sehen relativ zu anderen Währungen attraktiver aus, was dem Franken Auftrieb gibt.

Für Aktienanleger ist diese Ausgangslage zwiespältig. In einer ersten Phase werden die tiefen Zinsen dem Aktienmarkt Rückhalt geben. Mit jedem Tag jedoch, an dem der Erdölpreis über 50 Dollar notiert, nehmen die Risiken zu. Das gilt in erster Linie für zyklische Aktien wie Ems-Chemie, Georg Fischer oder Micronas. Probleme sind auch für Einzelhandelstitel wie Hiestand oder Hügli abzusehen. Jeder Franken, der für Heizöl und Benzin ausgegeben wird, fehlt für den Kauf anderer Produkte.